Aus reiner Liebe zum System handeln die Unternehmen freilich nicht. Ausgelöst durch eine geänderte Rechtssprechung können Aufsichtsräte neuerdings strafrechtlich belangt werden, wenn sie bei Verdachtsfällen nicht einschreiten. Vor diesem Hintergrund haben die verantwortlichen Damen und Herren in den oberen Etagen sogenannte Compliance-Abteilungen eingerichtet. In der betriebswirtschaftlichen Fachsprache steht der sperrige Begriff für die Einhaltung von Gesetzen, Pflichten und Richtlinien in Unternehmen.

 

Einige Firmen, so auch die Telekom, leisten sich ehemalige Ankläger aus den Staatsanwaltschaften in ihren Reihen, die weit reichende Freiheiten haben und mit dem Auftrag versehen sind, für eine weiße Weste zu sorgen. Sie sollen fragwürdige Vorgänge im eigenen Haus, bei Zulieferern oder auch bei Partnern aufdecken - und notfalls bei der Staatsanwaltschaft anzeigen.

Anonyme Hinweise über Whistleblower-Portal

Genau das ist passiert bei den Netzwerkern aus Wolfsburg, Bonn und Stuttgart, denen voraussichtlich nächstes Jahr der Prozess gemacht wird. Über ein Whistleblower-Portal hatte die Telekom einen anonymen Hinweis bekommen, welchem die firmeneigenen Aufklärer nachgingen. Sie stellten den freizügigen internen Schriftverkehr zwischen den Beteiligten sicher und entschieden sich am Ende für eine Anzeige, obwohl davon auch Volkswagen betroffen war, was für einigen Mut spricht. Daraufhin ermittelte das Dezernat für Wirtschaftsdelikte der Landespolizeidirektion Stuttgart. Ausgewertet wurden unter anderem die bei T-Systems elektronisch gesicherten Daten.

Oberstaatsanwalt Hans Richter kann nichts Anstößiges finden an der Vorarbeit der betriebsinternen Ermittler. Immer öfter bekommt er jetzt "gut aufgearbeitete Anzeigen", denen seine Staatsanwälte nachgehen. "Man muss nur aufpassen, dass man nicht in die falsche Richtung gelenkt wird", sagt Richter, der sich noch gut an Zeiten erinnern kann, in denen zwar gelegentlich mittlere Angestellte wegen Korruption entlassen wurden, aber sich keiner wirklich an die führenden Köpfe herantraute. "Das hat man lieber unter sich ausgemacht."

Lukrative Aufträge an die Überweisung gekoppelt

Nach Informationen der Stuttgarter Zeitung geht es in der pikanten Angelegenheit um einen Sponsoringvertrag für den VfL Wolfsburg mit einem Volumen von 16 Millionen Euro. Das Geld sollte von T-Systems, einem international operierenden Dienstleister für Informations- und Kommunikationstechnologie, zu dessen größten Kunden der VW-Konzern gehört, über vier Jahre an den Werksclub bezahlt werden. Das wäre an sich nicht verwerflich, wenn die beteiligten Manager der Telekom-Tochter für ihr Sponsoring nicht im Gegenzug lukrative Aufträge an die Überweisung gekoppelt hätten, wie dies nach Ansicht der Ermittler geschehen ist. Aus internem Schriftverkehr unter den Beteiligten schließen sie, dass es bei dem "Deal" um Aufträge von 340 Millionen Euro gegangen ist. Durch die Transaktion sollten offenbar Mitbewerber ausgebootet werden. Die Beschuldigten beider Unternehmen haben die Vorwürfe gegenüber den Strafverfolgern zurückgewiesen, die Firmen geben mit Hinweis auf das laufende Verfahren keine Stellungnahme ab.

Vollzogen wurde das eingefädelte Geschäft nicht. Als das Sponsoringpaket ausgehandelt war, befasste sich der Telekom-Vorstand mit dem Vertrag. Der war weniger begeistert, wohl auch deshalb, weil das Logo von Europas größtem Telekommunikationsunternehmen bereits auf den Trikots der Bayern-Spieler prangt, welche bekanntlich in Konkurrenz stehen zu den Kollegen, die in Wolfsburg von Felix Magath trainiert werden. So platzte der Handel und die beteiligten Herren aus beiden Firmen standen mit abgesägten Hosen da.

Tipps aus den Firmen

Früher hätte man in den Chefetagen über ein solches Geschäftsgebaren den Mantel des Schweigens gebreitet. Das sagt jedenfalls der Stuttgarter Oberstaatsanwalt Hans Richter, 63. Seit Jahrzehnten arbeitet der Leiter der Schwerpunktabteilung zur Bekämpfung von Wirtschaftsstraftaten gegen kriminelle Machenschaften in württembergischen Unternehmen und Banken an. Neuerdings bekommt der Chefermittler immer häufiger Tipps aus den Firmen selbst, die mit Blick auf eine neue Kultur notfalls auch ihre eigenen Leute anschwärzen. Zumindest in den großen Dax-Unternehmen stellt der Jurist einen Trend zur inneren Reinigung fest, der auch im nun angeklagten Korruptionsfall zwischen der Telekom-Tochter und dem Volkswagenkonzern eine entscheidende Rolle gespielt hat.

Wenn es um den Kampf gegen Wirtschaftskriminalität geht, gilt Oberstaatsanwalt Richter als Koryphäe. Wer zu ihm will, muss in der Stuttgarter Fahnderhochburg durch schlecht beleuchtete Gänge gehen. Im Labyrinth des Verdachts stapeln sich Kartons voller Papiere über obskure Geschäfte. Jeder Dezernent bearbeitet hier mindestens 80 offene Verfahren. Im Schnitt vergehen dreieinhalb Jahre von den ersten Ermittlungen bis zur Anklage. Die Verflechtungen sind nicht selten so kompliziert, dass den Anklägern die Fälle davonschwimmen. Manchmal dauert es mehr als zehn Jahre, bis sich Aktendeckel schließen. Da kommt ein bisschen Entlastung von firmeninternen Aufklärern durchaus gelegen.

Geänderte Rechtssprechung

Aus reiner Liebe zum System handeln die Unternehmen freilich nicht. Ausgelöst durch eine geänderte Rechtssprechung können Aufsichtsräte neuerdings strafrechtlich belangt werden, wenn sie bei Verdachtsfällen nicht einschreiten. Vor diesem Hintergrund haben die verantwortlichen Damen und Herren in den oberen Etagen sogenannte Compliance-Abteilungen eingerichtet. In der betriebswirtschaftlichen Fachsprache steht der sperrige Begriff für die Einhaltung von Gesetzen, Pflichten und Richtlinien in Unternehmen.

Einige Firmen, so auch die Telekom, leisten sich ehemalige Ankläger aus den Staatsanwaltschaften in ihren Reihen, die weit reichende Freiheiten haben und mit dem Auftrag versehen sind, für eine weiße Weste zu sorgen. Sie sollen fragwürdige Vorgänge im eigenen Haus, bei Zulieferern oder auch bei Partnern aufdecken - und notfalls bei der Staatsanwaltschaft anzeigen.

Anonyme Hinweise über Whistleblower-Portal

Genau das ist passiert bei den Netzwerkern aus Wolfsburg, Bonn und Stuttgart, denen voraussichtlich nächstes Jahr der Prozess gemacht wird. Über ein Whistleblower-Portal hatte die Telekom einen anonymen Hinweis bekommen, welchem die firmeneigenen Aufklärer nachgingen. Sie stellten den freizügigen internen Schriftverkehr zwischen den Beteiligten sicher und entschieden sich am Ende für eine Anzeige, obwohl davon auch Volkswagen betroffen war, was für einigen Mut spricht. Daraufhin ermittelte das Dezernat für Wirtschaftsdelikte der Landespolizeidirektion Stuttgart. Ausgewertet wurden unter anderem die bei T-Systems elektronisch gesicherten Daten.

Oberstaatsanwalt Hans Richter kann nichts Anstößiges finden an der Vorarbeit der betriebsinternen Ermittler. Immer öfter bekommt er jetzt "gut aufgearbeitete Anzeigen", denen seine Staatsanwälte nachgehen. "Man muss nur aufpassen, dass man nicht in die falsche Richtung gelenkt wird", sagt Richter, der sich noch gut an Zeiten erinnern kann, in denen zwar gelegentlich mittlere Angestellte wegen Korruption entlassen wurden, aber sich keiner wirklich an die führenden Köpfe herantraute. "Das hat man lieber unter sich ausgemacht."

Keine Entlassungen bei VW

Björn Gercke, der in dem Verfahren einen der inzwischen entlassenen T-Systems-Manager vertritt, ist weniger begeistert von der neuen Reinemacherkultur, die ihm jüngst einen Mandanten beschert hat. "Aus meiner Sicht liegt im vorliegenden Fall kein strafbares Handeln vor", sagt der Kölner Jurist. Die Beschuldigten hätten zu Gunsten der eigenen Unternehmen gehandelt. Persönlich habe keiner der beteiligten Mitarbeiter an der Sache verdient. Für Gercke ist es verwunderlich, dass die Telekom ihr Verhältnis zu Volkswagen ebenso wie das innerbetriebliche Klima durch den Gang zur Staatsanwaltschaft belastet. "Was die da geritten hat, weiß ich nicht." Bei VW seien die Beschuldigten nicht entlassen worden, wohl aber bei T-Systems.

Grundsätzlich sieht der Rechtsanwalt die internen Ermittlungen großer Unternehmen durch geschulte Strafverfolger eher mit gemischten Gefühlen. "Im Sicherheitsgewerbe gibt es bereits eine Privatisierung, jetzt kündigt sie sich auch in der Strafjustiz an", sagt Gehrke. Dies sei für deutsche Juristen "eines der spannendsten Felder für die nächsten Jahre".