Bei Halbleiterwerken ist der Stuttgarter Anlagenbauer M+W weltweit gut im Geschäft. Nun geht es bei dem Traditionsunternehmen, das einst zu Jenoptik gehörte, in Schweden erstmals um Batteriezellen.

Stuttgart - Die anderen reden darüber, Schweden tut es“, sagt Wolfgang Büchele, Chef des Anlagenbauers M+W Group, salopp. Zu den anderen gehört unter anderem Deutschland. Seit Jahren wird hierzulande über eine Fabrik für Batteriezellen diskutiert, Politiker werben für Projekte, Forschungsgelder fließen – positiv entschieden ist bis jetzt nichts. Der Technologiekonzern Bosch etwa hat Nein zum Bau einer eigenen Zellfabrik gesagt. Bei der jungen Firma Terra E in Frankfurt, die den Stuttgarter Anlagenbauer MW zu ihren Partnern zählt, soll die Zellenproduktion Ende 2019 anlaufen. Das Projekt liege im Plan, heißt es. Wie es finanziert und wo der Standort sein wird, ist unklar.

 

Die Schweden sind weiter. Die M+W- Group wurde dort gerade mit der Planung für eine Fabrik für Lithium-Ionen-Batteriezellen beauftragt, sagt Büchele im Gespräch mit unserer Zeitung. Konkret geht es dabei um eine Pilotanlage in der Nähe von Stockholm, die nächstes Jahr in Betrieb gehen soll, erläutert er. Weiter im Norden steht der Bau der europaweit größten Batteriefabrik auf dem Plan. 2020 sollen die ersten Zellen die Fabrik verlassen.

Ehemalige Tesla-Manager stecken hinter dem Projekt

Die schwedische Firma Northvolt, die von den beiden ehemaligen Tesla-Managern Peter Carlsson und Paolo Cerruti gegründet wurde, steckt hinter den Plänen. Finanziert wird sie nicht zuletzt von Investoren. Der schwedisch-schweizerische ABB-Konzern ist als Technologiepartner bei dem schwedischen Projekt mit von der Partie, genauso wie die VW-Tochter Scania. Abnehmer der Zellen sollen unter anderem europäische Autohersteller sein; auch schwere Lkw könnten damit angetrieben werden, heißt es.

Für die M+W Group, die ihre Kompetenz bei Planung und Bau von Hightech-Fabriken sieht, ist es der erste Auftrag für eine Zellfabrik in Europa. Zwar erzielt das Stuttgarter Unternehmen, das dem österreichischen Investor Georg Stumpf gehört, 50 Prozent seines Umsatzes in Asien, wo auch die großen Zellhersteller beheimatet sind – doch wenn es um Batteriezellen geht, setzen diese allesamt auf Anlagenbauer aus dem eigenen Land, erläutert der frühere Linde-Chef Büchele. Dies gelte für chinesische und japanische Hersteller. Dies gelte aber auch für südkoreanische Technologieriesen wie Samsung und LG Chem, die konzerneigene Engineeringtöchter hätten und die auch für die geplanten Zellfabriken in Ungarn und Polen zuständig seien.

China baut seine eigenen Solarfabriken

Aber nicht nur bei Akkus hat sich China eigene Kompetenz aufgebaut, sondern auch beim Bau von Solarfabriken. Die Zeit, dass die Stuttgarter Fotovoltaikwerke etwa in China gebaut haben, sei vorbei, sagt Büchele. Dieses Geschäft habe für die Stuttgarter keine große Bedeutung mehr. Die Volksrepublik, die nicht zuletzt mit Dumpingpreisen den Solarmarkt erobert hat, benötige dafür „westliche Technologie nicht mehr“, so Büchele.

M+W komme immer dann ins Spiel, wenn es um Hightech geht, erläutert Büchele. Das gilt etwa für den Bau von Halbleiterfabriken, das unverändert das Brot- und-Butter-Geschäft der Stuttgarter ist. Chips werden in Reinräumen gefertigt, also in einer Umgebung mit einer extrem sauberen Luft. Um Chips nicht zu verunreinigen, muss die Einhaltung der Partikelwerte ständig kontrolliert werden. Auch Rechenzentren haben Herausforderungen; dabei geht es weniger um Staub als vielmehr um die Temperatur. Wenn die Temperatur zu stark steigt, kann die Elektronik geschädigt werden. Nicht nur in Asien und Amerika nehmen die Datenmengen ständig zu, sondern auch in Europa werden Rechenzentren gebaut. Und Pharmafabriken haben noch einmal andere, nämlich Hygienevorschriften, deren Einhaltung von Behörden kontrolliert wird.

6200 Mitarbeiter stehen auf der Gehaltsliste

Der Stuttgarter Anlagenbauer hat die technologische Kompetenz. M+W sieht sich nicht als Bauunternehmen, übernimmt aber häufig die Generalverantwortung für ein Projekt. 6200 Mitarbeiter stehen auf der Gehaltsliste der Stuttgarter. Im Schnitt stemmt M+W etwa 150 größere Projekte pro Jahr, sagt Büchele. Etwa drei davon seien Großprojekte mit einem Auftragswert bis zu einer Milliarde Euro.

Derzeit laufen die Geschäfte gut, so Büchele, der seit rund einem Jahr Chef von M+W ist. Zwar habe der Umsatz im vergangenen Jahr bei 2,6 Milliarden Euro stagniert, aber 2018 soll er deutlich zulegen. Grund dafür ist der auf mehr als drei Milliarden Euro gestiegene Auftragseingang. Die Bestellungen kommen vor allem aus Asien, erläutert Büchele. Dort soll auch die Belegschaft ausgebaut werden. Derzeit beschäftigt M+W bereits die Hälfte seiner Beschäftigten in Asien. In den USA sind 1300 Mitarbeiter tätig. Am Stammsitz Stuttgart sind es 650, davon sind jeweils etwa die Hälfte in der Verwaltung und in der Produktion tätig. Auch wenn M+W in Asien besonders stark vertreten ist: Abwanderungstendenzen hat das Unternehmen nicht – und hat am Stammsitz investiert.

Umzug auf den Pragsattel

Die Firmenzentrale ist bereits in neue Räume nahe des Stuttgarter Pragsattels gezogen. Die Produktion wird nach Renningen verlegt; vor Kurzem war die Grundsteinlegung. Die M+W Products, die Komponenten für Reinräume wie Böden und Decken, Filtersysteme und Ventilatoren herstellt, erzielt nur rund ein Drittel ihres Umsatzes mit dem Mutterkonzern, den großen Rest muss das Unternehmen etwa bei Maschinenbauern akquirieren. Damit muss sich das Unternehmen im Wettbewerb behaupten, begründet Büchele die Entscheidung. So könne M+W sicher sein, stets konkurrenzfähige und hochwertige Produkte zu bekommen.