Parallel zum Strafprozess um die Skandalfirma werden Schadenersatzklagen verhandelt. Die Verfahren verteilen sich auf ganz Deutschland und entwickeln sich zäh.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Stuttgart - Die Kürze des Prozesses deutet auf ein Geständnis hin. Ganze vier Verhandlungstage hat das Landgericht Stuttgart für das erste Verfahren um das Skandalunternehmen EN Storage angesetzt. Am ersten wurde ausschließlich die Anklageschrift verlesen. Für den zweiten, den 11. Juni, hat der Angeklagte – Edvin Novalic, einst technischer Geschäftsführer des in Herrenberg ansässigen Pleiteunternehmens – eine umfassende Aussage angekündigt. Er und sein Kompagnon sollen fast 5000 Anleger um mehr als 90 Millionen Euro betrogen haben. Ein Verfahren mit einer solchen Schadensumme würde üblicherweise monatelang dauern.

 

Zäher als der strafrechtliche Prozess sind zivilrechtliche Versuche von Geschädigten, zumindest Teile ihres Geldes zurückzubekommen. Rechtsanwälte fordern in ihrem Namen Schadenersatz von Anlageberatern, die Wertpapiere von EN Storage empfohlen hatten, und von den Wirtschaftsprüfern, die der Pleitefirma blendende Geschäfte bescheinigt hatten. In einer Reihe von Fällen sind Vergleiche mit Beratern verabredet worden. Andere beschäftigen Richter in der ganzen Bundesrepublik, sei es im nordrhein-westfälischen Hamm oder im bayerischen Augsburg.

Sechs Anlageberater sind für schuldlos erklärt worden

Jüngst hat das Landgericht Arnsberg die Klagen gegen sechs Berater abgewiesen, die Wertpapiere von EN Storage vermittelt hatten. Der Rechtsanwalt Marc Ellerbrock verteidigt nahezu alle der Berater. Per Rundbrief informierte er seine Mandanten über den Erfolg in Arnsberg. Die dortigen Richter hatten entschieden, dass die Finanzvermittler „das von der EN Storage betriebene Schneeball- bzw. Betrugssystem“ nicht hätten erkennen können, dennoch vor Risiken gewarnt hatten. Das Gegenteil hätten die Geprellten nicht beweisen können.

Allerdings wird der Rechtsanwalt Ralf Buerger für drei seiner Mandanten ins Berufungsverfahren vor das Oberlandesgericht gehen. Mit dem Urteil „sind wir deutlich nicht einverstanden“, sagt er. Selbstredend sei der Inhalt der Beratungsgespräche schwer beweisbar, „aber es gibt zahlreiche Zeugen für Fälle, in denen auf das Risiko eines Totalverlusts nicht hingewiesen wurde“, sagt Buerger. „Ein Gericht sollte auch solche Indizien berücksichtigen.“

Das Landgericht Stuttgart verhandelt die erste Klage gegen die Wirtschaftsprüfer

Am 18. Juni wird das Landgericht Stuttgart eine Klage verhandeln, „bei der die ganze Palette der Beteiligten vertreten ist“, wie Ellerbrock es formuliert. Sogar, „dass Herr Beier aus der JVA anreist, ist denkbar“. Lutz Beier war der Finanzgeschäftsführer von EN Storage und sitzt – wie Edvin Novalic – in Stuttgart-Stammheim in Untersuchungshaft. Abgesehen von ihm sind weitere Anlageberater auf Schadenersatz verklagt, außerdem die einstigen Wirtschaftsprüfer des Unternehmens. Sie waren bei einer in Stuttgart ansässigen Kanzlei beschäftigt, haben inzwischen aber alle den Arbeitgeber gewechselt.

Klagen gegen die Prüfer hatte sowohl Buerger angekündigt als auch sein Stuttgarter Kollege Florian Hitzler. Hitzler vertritt rund 100 Geschädigte und will von der Kanzlei zwischen einer und zwei Millionen Euro eintreiben. Bisher hegen beide Rechtsanwälte aber nur schriftlichen Kontakt zu den einstigen Wirtschaftsprüfern von EN Storage. „Wir verhandeln gerade darüber, ob man ein Musterverfahren führt, dessen Ergebnis beide Seiten akzeptieren“, sagt Hitzler. Hingegen wird das Landgericht in Stuttgart erstmals über eine Schadenersatzklage gegen die Prüfer entscheiden. Der Prozess beginnt um 16 Uhr.