Mehr als 2000 Bosch-Mitarbeiter protestierten am Donnerstag gegen die Abspaltung der Anlassertechnik. Sie befürchten, dass es sich nicht um die letzte Sparmaßnahme handeln könnte.

Gerlingen - Die Sonne brennt vom strahlendblauen Himmel. Die Demonstranten schert dies nicht. Mehr als 2000 haben sich vor der Bosch-Zentrale auf der Schillerhöhe in Gerlingen eingefunden, sagt die Polizei. Mit 22 Bussen sind sie aus den verschiedensten deutschen Standorten angereist – etwa aus Hildesheim, Homburg/Saar, Bamberg und Schwieberdingen. Ihr Unmut richtig sich gegen die Entscheidung der Bosch-Geschäftsführung, den Bereich Anlasser und Lichtmaschinen bis zum Jahresende zunächst in eine eigenständige Gesellschaft auszugliedern und im Laufe des nächsten Jahres einen Partner oder Käufer zu suchen. 1400 Mitarbeiter sind davon an den deutschen Standorten Hildesheim und Schwieberdingen betroffen, 6500 sind es weltweit. Der Lärm ist ohrenbetäubend. „Wir sind Bosch“ – immer wieder skandieren sie diese Wörter, das Leitbild des Zulieferers.

 

„Erst die Arbeit optimieren – dann die Belegschaft abservieren“, steht auf einem Transparent. „Wir wollen uns nicht vom großen Bosch-Tanker in die raue See stoßen lassen, wo es vor Finanzhaien nur so wimmelt“, ruft Stefan Störmer, der Betriebsratsvorsitzende von Bosch Hildesheim, den Anwesenden zu. Jörg Hofmann, der Zweite Vorsitzende der IG Metall, spricht von einem „Weg ins Ungewisse“. Der Bereich hat schwere Zeiten hinter sich. „Es ist ein fatales Signal an die Belegschaft, wenn als Dank womöglich der Verkauf steht“, so Hofmann. Der Bereich Anlasser und Lichtmaschinen sei das „schlagende Herz von Bosch“, sagt Alfred Löckle, der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates.

Bosch ist die Nummer vier oder fünf auf dem Weltmarkt

Die Vertreter der Arbeitnehmer sind gegen den Verkauf dieser Traditionssparte, sie suchen – mit Unterstützung des Info Instituts in Saarbrücken – nach Alternativen. Die Geschäftsleitung habe zugesagt, über mögliche alternative Lösungen zu reden, sagt Löckle. Er bringt dieses Teilergebnis aus einem Gespräch mit, das die Arbeitnehmervertreter am Rande der Aktion mit Bosch-Chef Volkmar Denner und Arbeitsdirektor Christoph Kübel geführt haben. Im anschließenden Pressegespräch macht Kübel aber deutlich, dass die „Vorzugslösung“ des Konzerns der Verkauf der Sparte sei. Die Gründung eines Jointventures sei die „zweite Lösung“. Es gebe bereits potenzielle Interessenten, Gespräche mit ihnen wurden aber noch nicht geführt.

Der Arbeitsdirektor begründet den Verkauf mit dem massiven Verdrängungswettbewerb auf dem Markt für Anlasser und Lichtmaschinen. Das Geschäft sei wettbewerbsintensiv und kostengetrieben. Den Großen in diesem Geschäft – wie Denso und Valeo – bescheinigt Kübel Zukunftschancen. Doch Bosch ist „nur“ die Nummer vier oder fünf auf dem Weltmarkt. „Vor zehn Jahren waren unsere Produkte nicht wettbewerbsfähig“, sagt Kübel, doch inzwischen seien die Produkte auf dem Stand der Technik. „Wir haben nachhaltig Gas gegeben, um die Lücke zu schließen“, fügt Kübel hinzu. Dies spiegelt sich im Ergebnis wider. In den vergangenen Jahren hätten sich Verluste im hohen dreistelligen Millionenbereich aufsummiert. In diesem Jahr dürfte die schwarze Null erreicht werden, so Kübel. Trotz der hohen Investitionen sehe er nicht die Chance in diesem Bereich „Alleinstellungsmerkmale“ zu erarbeiten. Bei Ausschreibungen seien die Stuttgarter „teilweise wegen der Bosch-Strukturen nicht wettbewerbsfähig“, sagt er.

Auf dem europäischen Markt gibt es einen Preisverfall

Problem sei neben der Kleinheit des Bereichs auch seine internationale Aufstellung. 1,4 Milliarden Euro haben die Stuttgarter im vergangenen Jahr mit Anlassern und Lichtmaschinen umgesetzt. Mehr als die Hälfte davon wird in Europa erzielt, doch gerade in diesem weitgehend gesättigten Markt gebe es einen massiven Preisverfall; bei einigen Produkten seien die Preise seit 2011 um knapp ein Viertel gefallen. Im Wachstumsmarkt Asien erzielte Bosch dagegen nur rund ein Viertel des Umsatzes. Aber warum schließt Bosch nur wenige Monate bevor es die tiefgreifende Restrukturierung bekannt gibt noch eine Beschäftigungssicherung in Hildesheim bis 2018 ab? Damals habe es zwar erste Überlegungen für die jetzt veröffentlichten Pläne gegeben, aber „die Entscheidung war noch nicht gereift“, so Kübel. Er sieht den Standortvertrag nun als Vorteil für die Mitarbeiter; „wenn wir einen Käufer finden, ist die Beschäftigungssicherung Teil des Vertrages“.

Die Demonstranten sehen das anders. „Die Stimmung in Hildesheim ist auf dem Tiefpunkt“, sagt Betriebsratschef Störmer. Die Mitarbeiter seien maßlos enttäuscht. Mit der Betriebsvereinbarung habe man ihnen eine „positive Zukunft suggeriert“, jetzt herrsche „nackte Existenzangst“. Das hat auch mit vergangenen Erfahrungen zu tun. Vor einigen Jahren hat sich Bosch von der Tochter Blaupunkt in Hildesheim getrennt; doch die Käufer haben die vertraglichen Zusagen nicht eingehalten, was dann auch ein gerichtliches Nachspiel hatte. Löckle dringt darauf, dass die Belegschaft – bis die endgültige Lösung für den Bereich gefunden ist – ein Widerspruchsrecht hat und auch die Mitbestimmung soll nicht ausgehebelt werden. Dies wurde in dem Gespräch auch zugesagt.

Frühere Protestaktionen bei Bosch

Solarsparte:
Es kommt recht selten vor, dass Bosch-Mitarbeiter auf die Straße gehen. Die letzte große Aktion fand im Juni 2013 statt. Damals hatten zwischen 1500 (Polizei) und 2000 (IG Metall) Mitarbeiter vor der Bosch-Zentrale auf der Schillerhöhe ihren Unmut über das geplante Aus für die Solarsparte zum Ausdruck gebracht. Grund für den Ausstieg waren die anhaltend hohen Verluste in dem Geschäft. Insgesamt 3000 Beschäftigte waren betroffen, 1800 davon im thüringischen Arnstadt. Heute gehörendie Aktivitäten in Arnstadt zum Solarworld-Konzern.

Einspritzventile: Für Schlagzeilen sorgte auch eine Aktion im Sommer 2007 in Schwieberdingen. Rund 170 Bosch-Mitarbeiter aus Alcalá nahe Madrid hatten sich damals auf den Weg nach Schwieberdingen gemacht, um ihren Unmut über die geplante Schließung des spanischen Werkes kundzutun. Knapp 420 Beschäftigte hatten dort Benzineinspritzventile und Filter hergestellt. Die Bosch-Pläne sahen vor, dass 250 Arbeitsplätze und ein Teil der Fertigung ins 75Kilometer entfernte Aranjuez verlagert werden. Die restlichen Stellen sollten wegfallen. Die Pläne wurden umgesetzt, Kündigungen gab es nicht.