In Bayern hat eine Raiffeisenbank negative Zinsen für Privatanleger eingeführt. Peter Schneider, Präsident des Sparkassenverbands Baden-Württemberg, beruhigt die Anleger: Er sieht bislang keinen Spielraum, den Verbrauchern im Südwesten Negativzinsen aufzudrücken.

Chefredaktion: Anne Guhlich (agu)

Stuttgart - Nachdem in Bayern die erste Bank Negativzinsen auch für Privatanleger einführt, befürchten Sparer, das Beispiel könnte Schule machen – und bald auch Anleger in Baden-Württemberg betreffen. Peter Schneider, Präsident des Sparkassenverbands in Baden-Württemberg, schließt Negativzinsen jedoch aus. Im Moment sei den Sparkassenkunden die Sicherheit ihres Geldes am wichtigsten. „Daher steigt der Betrag, den die Menschen in Baden-Württemberg ihren 52 Sparkassen anvertrauen, stetig an“, sagte Schneider, unserer Zeitung. Ende Juni lag die Summe aller Einlagen bei 126 Milliarden Euro. Das ist ein Plus von 3,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. „In dem Moment, in dem sie quasi eine Aufbewahrungsgebühr für ihre Ersparnisse zahlen müssten, würden ganze Geschäftsmodelle zusammenbrechen“, sagte Schneider. „Daher schließen wir Negativzinsen für Privatkunden aus. Wir heißen Sparkassen und nicht Entreicherungskassen.“

 

Auch Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale in Baden-Württemberg geht nicht davon aus, dass das Tabu flächendeckend bröckelt: „Dafür ist der Konkurrenzdruck unter den Banken zu groß“, sagte Nauhauser unserer Zeitung. Die Bank in Bayern sei insofern ein besonderer Fall als dort viele besonders vermögende Kunden ihre Gelder anlegten.

Bislang geben Banken Strafzinsen fast ausschließlich an Geschäftskunden weiter

Eine kleine bayerische Raiffeisenbank hatte angekündigt, dass sie von September an von Privatkunden mit großen Summen auf dem Girokonto einen Strafzins verlangt. Josef Paul, Vorstandsmitglied der Raiffeisenbank Gmund am Tegernsee, bestätigte am Mittwoch, dass die Bank für Beträge von mehr als 100 000 Euro auf dem Girokonto oder dem Tagesgeld-Konto ein „Verwahr-Entgelt“ von 0,4 Prozent erheben werde. „Wir haben alle Großanleger gezielt angeschrieben und ihnen empfohlen, sich Gedanken zu machen“, sagte Paul.

Banken zahlen selbst 0,4 Prozent, wenn sie überschüssige Einlagen über Nacht bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken. Auch die DZ Bank, das Spitzeninstitut der Volks- und Raiffeisenbanken, verlangt von den angeschlossenen Instituten dafür Zinsen. Bisher haben Banken diese Strafzinsen nur an institutionelle Anleger und Firmenkunden weitergereicht. Eine Ausnahme bildet neben der Raiffeisenbank Gmund die Thüringer Volks- und Raiffeisenbank Altenburger Land – Skatbank – die bereits 2014 wegen Negativzinsen Schlagzeilen gemacht hatte. Bei dem Institut sind Beträge auf Tagesgeldkonten von mehr als 500 000 Euro betroffen. Ab dieser Schwelle wird seit Ende 2014 ein Minuszins von 0,25 Prozent fällig. Allerdings wird der Negativzins nach Angaben der Bank erst dann fällig, wenn die Gesamteinlagen des Kunden – unabhängig von der Anlageform – drei Millionen Euro überschreiten.

Scharfe Kritik an Europäischer Zentralbank

Mit Blick auf die Volks- und Raiffeisenbanken in Baden-Württemberg sagte Roman Glaser, der Präsident des Baden-Württembergische Genossenschaftsverbands (BWGV), die Konditionengestaltung obliege den Genossenschaftsbanken vor Ort. Er gehe aber nicht davon aus, dass die Sparer in Deutschland im Privatkundengeschäft in der Breite Negativzinsen sehen werden. Das liege nicht zuletzt an der intensiven Wettbewerbssituation im deutschen Bankenmarkt, so Glaser. „Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass der Auslöser dieser schädlichen Diskussion die fatale Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank ist, deren Auswirkungen in immer stärkerem Maße deutlich werden“, kritisierte Glaser.

Banken verdienten lange gut daran, für Kredite mehr Geld zu kassieren als sie ihren Kunden an Zinsen zahlten. Doch die Differenz aus beiden Positionen, der Zinsüberschuss, wird kleiner, weil die Europäische Zentralbank (EZB) das Zinsniveau extrem gesenkt hat. Viele baden-württembergischen Banken kompensieren dies nun, in dem sie an der Gebührenschraube drehen. Immer mehr Institute im Land verlangen Geld für Dienstleistungen wie Überweisungen in Papierform oder die Girocard. Die Zeiten des kostenlosen Girokontos seien vorbei, verkündete Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon bereits im März.