Ein Beschluss des Stuttgarter Landgerichts zum Dieselskandal hat vielen geschädigten Anlegern Hoffnung gemacht. Nun hält VW dagegen: man sei „höchst erstaunt“ über die Äußerungen des gar nicht zuständigen Richters.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Mit Verwunderung und Protest hat Volkswagen auf einen Beschluss des Landgerichts Stuttgart zur zivilrechtlichen Aufarbeitung der Diesel-Abgasaffäre reagiert. Ein Sprecher des Konzerns zeigte sich gegenüber unserer Zeitung „höchst erstaunt“ über die vom zuständigen Richter geäußerten Ansichten zu Sachverhalt und Rechtslage. „Diese Äußerungen stellen eine Vorfestlegung dar, ohne dass das eigentlich hierfür zuständige Gericht zuvor ein ordentliches Verfahren mit der erforderlichen Beweiserhebung und -würdigung durchgeführt hat“, kritisierte er. Ziel des Vorlagebeschlusses – mit dem das Landgericht eine Entscheidung des Oberlandesgerichts fordert – sei ausschließlich, Fragen der gerichtlichen Zuständigkeit zu klären; Sach- und Rechtsfragen zur Dieselthematik seien hingegen nicht Gegenstand.

 

Richter nimmt Winterkorn ins Visier

Der Richter der 22. Zivilkammer hatte die Zuständigkeitsfragen zum Anlass genommen, um die gesamte Dieselthematik umfassend aufzuarbeiten. Dabei hatte er die Aussichten von klagenden Anlegern, die sich durch den Kurssturz der Aktien infolge des Skandals geschädigt sehen, tendenziell günstig beurteilt. Seine Argumentation stützte er vor allem auf die Rolle des früheren VW-Chefs Martin Winterkorn: Dieser sei bereits mehr als ein Jahr vor der offiziellen Bekanntgabe der Motormanipulationen vor dem drohenden Ärger in den USA gewarnt worden, habe aber nicht angemessen darauf reagiert; insbesondere seien die Anleger nicht informiert worden. In seiner vorläufigen Einschätzung verwies der Richter insbesondere auf eine Klageerwiderung von VW, in der bestätigt werde, dass Winterkorn einen Hinweis eines Managers auf die mögliche Entdeckung von Abschalteinrichtungen in den USA erhalten und zumindest angelesen habe.

Die zehn wichtigsten Fakten zum Diesel-Skandal sehen Sie auch im Video:

VW: alle Info-Pflichten erfüllt

Der VW-Sprecher betonte hingegen erneut, man habe die Veröffentlichungspflichten ordnungsgemäß erfüllt. Dies werde das Unternehmen im Musterverfahren vor dem Oberlandesgericht Braunschweig deutlich machen. Aus Sicht von Volkswagen sollten alle gegen VW und die Porsche-Holding gemeinsam eingereichten Anlegerklagen zentral bei den am Konzernsitz zuständigen Gerichten verhandelt werden, also in Braunschweig. Dort war erst kürzlich bekannt geworden, dass sich das Musterverfahren um mehrere Monate verzögert. Ein Verfahren um Klagen gegen VW in Stuttgart war am Dienstag ausgesetzt worden. Damit reagierte die Kammer auf den ihr erst kurzfristig bekannt gewordenen Beschluss der anderen Kammer.