In Stuttgart haben sich insgesamt 362 Schüler an sechs Standorten für die neue Schulart angemeldet. Damit lässt die Gemeinschaftsschule die Werkrealschule deutlich hinter sich – dort haben sich nur noch 197 Schüler beworben.

Stuttgart - Der Zulauf an die Gemeinschaftsschulen nimmt zu. Mit insgesamt 362 Anmeldungen für die fünften Klassen lässt die neue Schulart in Stuttgart die Werkrealschule deutlich hinter sich – dort haben sich nur noch 197 Schüler beworben. Während das Gymnasium mit 2310 Anmeldungen auf Vorjahresniveau bleibt, geht der Andrang auf die Realschulen zurück – nur noch 914 Schüler wollen dort hin. Das sind jedenfalls die vorläufigen Anmeldezahlen, die dem Regierungspräsidium Stuttgart vorliegen.

 

Die größte Verschiebung zeigt sich demnach bei den Real- und den Gemeinschaftsschulen. Ein Blick auf die zwei neuen Standorte der Gemeinschaftsschulen erklärt diese Verschiebung: Denn sowohl die Schickhardt-Schule im Süden mit 90 Anmeldungen als auch die Gemeinschaftsschule in Weilimdorf mit 66 Anmeldungen gehen aus Realschulen hervor. Beide können aus dem Stand heraus mehrere Eingangsklassen bilden. Wie viele das dann jeweils sein werden, sei noch nicht entschieden, sagt Karin Korn, die Leiterin des Schulverwaltungsamts. Es kann also sein, dass nicht alle Gemeinschaftsschüler an ihrer Wunschschule beginnen können.

Schulleiter erfreut über „klares Signal von den Eltern“

Richard Haag, der Leiter der Schickhardt-Gemeinschaftsschule, die auf Anhieb Spitzenreiter bei den Anmeldungen in dieser Schulart ist, wertet das große Interesse „als klares Signal von den Eltern, dass diese Gemeinschaftsschule gewünscht ist“. Ihn überrasche die große Nachfrage nicht. „Der Standort und die Kooperation mit dem Schickhardt-Gymnasium spielen eine Rolle, und für viele ist auch der Schulweg ein entscheidendes Kriterium“, sagt Haag. Die meisten Bewerber kämen aus dem Süden oder Westen.

Auch fünf hörgeschädigte Schüler aus der Immenhoferschule hätten sich als Inklusionskinder für Klasse fünf angemeldet. Seit einem Jahr kooperiert die Schickhardt-Schule mit der Sonderschule. Da sei es günstig, dass man im Zuge der Renovierung Akustikdecken erhalten habe.

Beim Mittagessen muss oft noch improvisiert werden

Eine Homepage als Gemeinschaftsschule hat die Schickhardt-Schule noch nicht. „Aber wir haben die Adresse schon gebongt“, sagt Haag, „wir starten damit aber erst im nächsten Schuljahr“. Gleiches gilt für die Mensa, die in der Gymnastikhalle eingerichtet werden soll. Denn an Gemeinschaftsschulen ist der Ganztagsbetrieb Pflicht – und damit auch die Essensversorgung. Davon sollen dann auch die Realschüler und die Gymnasiasten profitieren. Karin Korn räumt ein, mit dem Mittagessen müsse oft improvisiert werden.

Dies gilt auch für die Anne-Frank-Gemeinschaftsschule in Möhringen, die bereits in ihrem ersten Jahr als Gemeinschaftsschule arbeitet. Inzwischen können die Kinder im benachbarten Vereinslokal Arces essen – 120 Schüler nutzen dies in zwei Schichten. Schulleiterin Beate Müller würde sich als eine Art Campuslösung eine flexibel nutzbare Mensa wünschen, die auch von der benachbarten Heilbrunnenschule genutzt werden könnte. Und um den Platzmangel zu überwinden, könnten doch auf dem Schulhof zwei oder drei Klassencontainer aufgestellt werden, schlägt sie vor. „Wir warten immer noch auf die Machbarkeitsstudie“, sagt Beate Müller. Laut Korn soll diese in den nächsten zwei Monaten präsentiert werden.

In Möhringen fehlt für Inklusion noch der Platz

Insbesondere für die andere, differenzierte Art des Lernens fehlten noch Räume. „Im Moment haben wir für Inklusion keinen Platz“, bedauert Müller. Dafür haben die drei aktuellen Fünferklassen nagelneue Klassenzimmer bekommen: mit einer Input-Arena, also einer Sitzbank im Halbkreis, und Whiteboards, das sind elektronische Tafeln.

Dass ein Kollegium nun zwei Schularten parallel bedienen muss – Realschule und Gemeinschaftsschule –, das sei kein Problem, so Müller. „Das individuelle Lernen machen wir schon seit fünf Jahren.“ Neu seien die andere Form der Leistungsmessung und auch der Leistungsanforderung. „In der Gemeinschaftsschule hängt sich jeder Schüler sein Stöckchen auf die Höhe, die er will“, erklärt die Schulleiterin. Manche Eltern seien skeptisch, ob die Kinder da nicht lieber ihr Stöckchen besonders niedrig hängen würden, berichtet sie. „Aber da kommen die Lerncoaches ins Spiel.“ Früher hießen sie Lehrer.

Schüler müssen ihr Können selbst einschätzen

Ist Gemeinschaftsschule leicht? „Ja, schon“, meint ein Bub, „wenn ich nicht so gut bin, kann ich die Basisaufgabe wählen.“ Ein Mädchen ergänzt: „Wer meint, das ist voll einfach, der kann auch auf Level zwei gehen.“ Eine Mitschülerin wirft ein: „Man muss sich halt selber einschätzen können.“ Dass sie statt Noten differenzierte Prozentpunkte erhalten, gefällt den meisten Kindern. So gibt es für die Lösung der Basisaufgaben eben nur 80 Prozent. Und statt einer Einheitsnote, beispielsweise im Fach Deutsch, erfahren die Schüler ganz genau, wie ihr Leistungsstand im Sprechen, Schreiben, Lesen, in Sprachbewusstsein und Rechtsschreibung ist. Und Sitzenbleiben gibt es nicht mehr. Es könnte höchstens sein, dass Sitzenbleiber aus der Realschule dazustoßen – falls sie sich für Gemeinschaftsschule und Ganztag erwärmen.