Die Stuttgarterin Ann Kathrin Ast ist Autorin und Cellistin. Ihr Schreiben ist geprägt durch ihre persönlichen Erfahrungen als Musikerin. 2024 wurde sie für ihr Romandebüt „Beat“ mit dem Anna-Haag-Preis ausgezeichnet.
Manchmal kann Musik zu ihren Hörern sprechen. Nicht durch Texte, nein. Vielmehr durch die Art wie die weichen Töne von Cellisten oder die einprägsamen Rhythmen von Schlagwerkern erreichen. Die Cellistin und Autorin Ann Kathrin Ast verpackt Musik in Sprache. Mit ihrem Debütroman „Beat“ erzählt sie von der existenziellen Krise eines Musikstudenten, der dem Takt seines Lebens nicht mehr folgen kann.
Ann Kathrin Ast ist, wie man heutzutage sagen würde, eine High-Performerin: Cellostudium in Mannheim; Start der Autorinnen-Karriere ebenfalls bereits im Studium – die Literatur-Stipendien ließen nicht lange auf sich warten; Absolventin eines Masterstudiums der Rhetorik; Mutter von zwei Kindern. 2023 dann die Veröffentlichung gleich zweier Debüts. In ihrem Gedichtband „Vibrieren in dem wir“ verflechtet Ast Naturwissenschaft und Eros, wird hierfür mehrfach ausgezeichnet. Die Verbindung von Künstler-, und Schauerroman ihres Romandebüts „Beat“ hat die Jury des Stuttgarter Anna-Haag-Preises so überzeugt, dass ihr die Auszeichnung 2024 zuerkannt wurde – ein Psychothriller, der sich als zeitgenössische Version eines romantischen Modells lesen lasse, hieß es in der Begründung.
Was tun, wenn der eigene Lebenstraum entgleitet?
„Beat“ ist eine Geschichte über Verzweiflung und die Frage nach den Grenzen der Realität, wenn der eigene Lebenstraum zu entgleiten scheint. Es ist die Geschichte von „Beat“, einem Musikstudenten, der nicht mehr weiß, wie sich Sein und Werden zusammensetzen. Er durchläuft Szenarien, die über den Verlauf des Buches immer absurder werden. Besuche in einem Escape-Room, Verfolgungen, Angstzustände, farbenfrohe Muster. Als Leserin wird man auf einen nahezu psychedelischen Trip geschickt, bis nicht mehr klar ist, wo die Wirklichkeit anfängt und wo sie aufhört.
Eben diese Frage steht überhaupt im Zentrum von Asts Arbeit. So sei es doch auch im richtigen Leben, wenn man in eine Sinnkrise gerate, erzählt sie im Gespräch. „Dann kommt alles ins Rutschen und dann passieren ganz viele merkwürdige Dinge und der Halt fehlt. Nicht nur an der einen Stelle, sondern auch an anderen.“ In „Beat“ stelle sie genau das dar: „Ich wollte es so schreiben, dass es auch für die Lesenden keinen Halt mehr gibt. Keiner, der sagt: ‚Das ist jetzt wirklich und das andere ist nur in Beats Kopf‘. Das spielt ab einem gewissen Punkt aber auch keine Rolle mehr. Es gibt einen unzuverlässigen Erzähler und alles fließt ineinander“, erläutert sie.
„Beat“ erzählt zu Teilen auch ihre eigene Geschichte
Je mehr sie erzählt, so drängt sich der Eindruck auf, „Beat“ ist zu Teilen auch die Geschichte seiner Autorin. Auch Ast fand sich als Studentin zwischen Leistungsdruck und Existenzfragen wieder. Die 38-Jährige berichtet: „Tatsächlich habe ich sehr lange auf das Studium hingearbeitet, die Aufnahmeprüfung bestanden. Aber bald war da eine Leere, ein Gefühl des Mangels. Etwas hat gefehlt.“ Sie habe gemerkt, dass sie mit der Musik hadere, dass ihre besondere Beziehung zur Musik widersprüchlich sei. Die Leere habe sie anschließend versucht mit dem Schreiben zu füllen.
Dabei spielen musikalische Elemente in Asts literarischen Arbeiten schon immer eine Rolle. Sie verbindet Rhythmus und Sprachklang, arbeitet mit unterschiedlichen Satzlängen. Mal abrupt abgebrochen, mal fließend in die Länge gezogen, mal mit Einschüben oder Klammern – sie schreibt Töne, nahezu als komponiere sie. Mit „Beat“ komponiert sie damit gewissermaßen ein Werk der Befreiung und der Selbsterkenntnis über die eigene Beziehung zur Musik.
Die Musik ist derzeit zweitrangig
Mit dem Auszeichnung durch den Anna-Haag-Preis ist „Beat“ endgültig in der Literaturwelt angekommen. „Es ist eine Riesenfreude, Entlastung und Ermutigung ohne finanzielle Sorge an meinem zweiten Roman weiterschreiben zu können“, sagt Ann Kathrin Ast. Ihr Fokus liege derzeit auch auf dem Schreiben. Trotzdem spiele die Musik weiterhin eine bedeutende Rolle in ihrem Leben. Sie unterrichtet Cello, ab und an übernimmt sie bei Hochzeiten oder Beerdigungen eine „Mucke“, wie man in ihren Kreisen musikalische Gelegenheitsarbeiten nennt.
In ihrem neuen Roman werde die Musik allerdings keine herausgehobene Rolle spielen. Im Zentrum stehe ein ganz anderes Thema, ein ganz anderes Umfeld, erzählt sie euphorisch. Gleich bleibt allerdings die Frage nach der Wirklichkeit und ihren Grenzen, für Ast ein Grundmotiv aller Kunsterfahrung, sei es Literatur oder Musik: ein Kippmoment heraus aus der Wirklichkeit – hinein ins Träumen.