Er war der Chronist des deutschen Alltags: Der Schriftsteller Wilhelm Genazino blickte so lange auf Banalitäten, bis sich ihm die Wahrheit zeigte, schreibt die Stuttgarter Autorin Anna-Katharina Hahn in einem Gastbeitrag. In dem 2018 verstorbenen Genazino sieht sie einen „Papierverwandten“.

Stuttgart - In Museen stehen die Bildtitel diskret an den Wänden neben den Kunstwerken, kleine schwarze Buchstaben auf weißem Untergrund: „Ein Regenschirm für diesen Tag“ oder „Die Obdachlosigkeit der Fische“, „Der Fleck, die Jacke, die Zimmer, der Schmerz“ oder „Mittelmäßiges Heimweh“, „Die Kassiererinnen“ oder „Abschaffel“. Zu solchen Überschriften passen nur Großformate. Kühle, leuchtende Farben, klare Linien, scharfe Kontraste. Sparsamkeit im Farbauftrag, nichts Pastoses, pure Leichtigkeit. Kein Geraune, kein Pathos. Der Betrachter wird nicht bedrängt, aber durchschaut, und wenn er genug geschaut hat und das Kunstwerk wieder verlässt, wird er sich auf distanzierte, ironische Art getröstet fühlen.