Anna Netrebko liebt ihren Landsmann Tschaikowsky, wie sie im StZ-Interview erzählt – und sie hasst Regisseure und Dirigenten, die es nicht so genau nehmen.

Anna Netrebko kommt am 3. November nach Stuttgart. Die gefeierte Sängerin präsentiert hier Tschaikowskys Einakter „Iolanta“, mit dem sie bereits bei den Salzburger Festspielen gefeiert wurde.
Frau Netrebko, im Herbst starten Sie eine Tournee durch einige europäische Länder. In elf Städten werden Sie Tschaikowskys Einakter „Iolanta“ konzertant präsentieren. Die erste Station in Deutschland wird am 3. November Stuttgart sein. „Iolanta“ wurde auf Ihren Wunsch schon bei den Salzburger Festspielen des vergangenen Jahres mit Strawinskis „Le Rossignol“ aufgeführt und als Höhepunkt bejubelt. Warum „Iolanta“? Was ist Ihnen an dieser Oper so wichtig?
Eigentlich ist die Antwort sehr einfach. Es ist eine so wunderschöne Oper, sie ist in Russland sehr berühmt, jeder kennt dieses Stück, es hat, untypisch für Tschaikowsky, ein glückliches Ende und eine fröhliche, wunderbare Musik. Ich war sehr erstaunt, dass niemand außerhalb Russlands diese Oper kennt. Und das war meine Idee: Ich sagte mir, warum ist das so? Wir müssen sie hinausbringen, lass uns eine Tour machen und einige der wichtigen Städte in Europa besuchen. Wir müssen diese Oper in einem Konzert vorstellen.

Das ist wahr, in den slawischen Ländern gibt es kaum ein Opernhaus, das „Iolanta“ nicht im Repertoire hat. Im Westen hingegen ist sie weit weniger bekannt als „Eugen Onegin“ oder „Pique Dame“.
Ich weiß nicht, warum. Es ist so eine erstaunliche Oper, und sie ist wie eine Zirkusparade für alle Stimmlagen, sie kommen alle und singen diese großartigen Arien, eine ist berühmter als die andere. Sie ist nicht nur für Sopran, sie ist für alle Arten von Stimmen komponiert.

Ein Problem der „Iolanta“ ist ihre Kürze. In der Regel wird sie mit einer zweiten Kurzoper kombiniert.
Ich weiß nicht. Man kann eine zweite Oper hinzutun, aber ich finde, „Iolanta“ ist lang genug, man braucht nichts danach. Ich ziehe es vor, diese Oper in einem Konzert zu hören, weil es im Konzert mehr Raum für die Fantasie gibt, wie es sein könnte. Wenn sie nur wie ein schönes Märchen gemacht wird, wäre das ein bisschen spießig. Aber im Konzert hat man die Möglichkeit, sich die Dinge und Gefühle vorzustellen. Das ist sehr berührend, die Geschichte ist wirklich herzergreifend, und sie hat eine wunderschöne positive Musik am Ende, die bewirkt, dass die Menschen das Theater glücklich verlassen.

Die Aufführungen von „La Bohème“ bei den diesjährigen Salzburger Festspielen waren sofort ausverkauft. Das geht sicher auch auf das Konto von Puccini, aber ebenso sicher auf Ihres. Sie sind in Salzburg, und nicht nur dort, seit Ihrer Donna Anna, also seit genau zehn Jahren, ein Publikumsliebling. Nun also, nach der „Traviata“, die zweite Opernheldin, die auf höchst dramatische Weise an Schwindsucht stirbt. War die Mimi, die Sie ja nicht zum ersten Mal singen und spielen, für Sie eine Lieblingsrolle?
Ich glaube, ich habe keine Lieblingsrolle. Ich wechsele die Rollen immer wieder gerne. Aber natürlich mag ich Mimi sehr, denn sie ist für mich sehr leicht zu singen, es gibt fast kein Problem. Sie ist so gut geschrieben und immer sehr erfolgreich. Sie hat alles und kostet mich keine große Mühe. Darin gleicht sie Iolanta: sie hat nicht diese angestrengte Leidenschaft und starke Power, die meine anderen Heldinnen haben. Mimi ist eher Reinheit und diese wunderbare Stimme, lange Linien. Das ist es, mehr muss man nicht hineinlegen.