Noten und Sitzenbleiben war einmal. Die Anne-Frank-Realschule wird vom nächsten Schuljahr den klassischen Unterricht umkrempeln, sie wird Gemeinschaftsschule.

Möhringen - Wenn Andreas Stoch, der Kultusminister des Landes, am Montag, 10. Februar, vor die Mikrofone tritt, werden die Lehrer der Anne-Frank-Realschule aufatmen können. In der Landespressekonferenz wird Stoch die Namen der Bildungseinrichtungen nennen, die von September an Gemeinschaftsschule sein werden. Fünf Jahre lang haben die Möhringer auf diesen Moment hingearbeitet, und nun also steht ihr Name endlich auf der Liste.

 

Auch für die Plieninger Körschtalschule, die bislang eine Werkrealschule ist, wird nach den Sommerferien ein neues Zeitalter anbrechen. Damit befinden sich zwei der drei neuen Gemeinschaftsschulen in Stuttgart auf der Filderebene. Zudem wird die Altenburgschule auf dem Hallschlag die klassische Pädagogik, die jahrzehntelang die Klassenzimmer beherrscht hat, gleichsam auf den Kopf stellen.

Für Beate Müller, die Rektorin der Anne-Frank-Realschule, ist das Ja des Kultusministeriums nur logisch. In Möhringen wird ohnehin schon an vielen Stellen nach Art der Gemeinschaftsschule unterrichtet, quasi unter der Hand – wofür sie auch oft von ihren Vorgesetzten gelobt wurde. Deshalb glaubt sie auch nicht, dass die Umstellung das Kollegium vor unüberwindbare Hürden stellen wird. „Wir müssen uns nicht wappnen, wir haben uns schon entwickelt“, sagt sie.

Das neue Konzept krempelt die Bildungslandschaft um

Mit der Gemeinschaftsschule will die grün-rote Landesregierung die Bildungslandschaft umkrempeln. In ihr sollen die Schüler der verschiedenen Schularten gemeinsam unterrichtet werden. Das Sitzenbleiben wird abgeschafft. Noten gibt es nicht mehr, dafür Beurteilungen. Anders als beim Frontalunterricht an der Tafel soll mit den Kindern und Jugendlichen individuell geübt werden, in Lerngruppen statt in Klassen. Die besseren Schüler sollen die schlechteren Schüler mitziehen. Wer den Titel bekommt, setzt die Prinzipien zuerst in der fünften Klasse um, sodass über einige Jahre hinweg die alte und die neue Schulform unter einem Dach vereint sind.

An der Anne-Frank-Realschule tummeln sich schon heute Schüler mit den unterschiedlichsten Grundschulempfehlungen, die inzwischen ja nicht mehr verbindlich sind. „Von unseren Fünftklässlern sind eigentlich 38 Prozent Gymnasiasten und 35 Prozent Realschüler. 27 Prozent haben die Werkrealschulempfehlung bekommen“, sagt Müller. Weil schon heute sechs von zehn Abgängern nach der zehnten Klasse weiter die Schulbank drücken, soll künftig auch das Abitur angeboten werden. „Mit dieser Übergangsquote haben wir gezeigt, dass wir das können“, sagt Müller.

Die Menschen vor Ort haben sich aufgeschlossen gezeigt

„Es ist toll, dass gleich zwei Schulen auf der Filderebene an den Start gehen“, sagt Nikolaus Tschenk, der für die Grünen im Landtag sitzt. Beide hätten durch ihr pädagogisches Konzept überzeugt, und auch die Menschen vor Ort hätten sich aufgeschlossen gezeigt. Einen Seitenhieb auf die Opposition kann er sich nicht verkneifen. „Eine neue Ära bricht an, in der die Kinder, die im dreigliedrigen Schulsystem abgehängt wurden, mitgenommen werden.“

Genau wie die Möhringer setzen die Plieninger die neuen Prinzipien bereits um, soweit dies möglich ist. So sind im Stundenplan sogenannte Bänder vorgesehen. Beispielsweise wird zur selben Zeit über alle Klassenstufen hinweg Mathematik unterrichtet. Wer gut ist im Rechnen, rutscht eine Klasse höher, wer noch Nachholbedarf hat, packt sein Schulheft eine Klasse tiefer aus.

Das, freilich, bedeutet auch einen größeren Aufwand für die Lehrer. „Das war Arbeit, das ist Arbeit, und das wird Arbeit sein“, sagt die Rektorin Regine Hahn. Die Entscheidung des Landes „ist ein Erfolg für alle, auch für die außerschulischen Partner“, sagt sie. „Das ist die Anerkennung dafür, dass der Weg, den wir vor Jahren eingeschlagen haben, der richtige ist.“