Elf Jugendliche und zwei Lehrer von der Anne-Frank-Schule in Stuttgart-Möhringen sind nach Indien gereist. Sie haben viel Lebensfreude, aber auch viel Armut gesehen und neue Freunde gefunden.

Familie/Bildung/Soziales: Alexandra Kratz (atz)

Möhringen - Der ein oder andere Schüler ist schon mal in Asien gewesen, zum Beispiel in Bangkok in Thailand oder in Peking in China. Doch das seien andere Reisen gewesen, berichten die beiden Mädchen übereinstimmend. Die Städte seien hoch modern und vergleichsweise sauber gewesen. „Mumbai war damit nicht zu vergleichen“, sagt eine der Schülerinnen und alle im Kreis nicken. „Das liegt aber auch daran, dass es ein Schüleraustausch war. Wir haben direkt bei den Familien gelebt und ganz andere Seiten des Landes zu Gesicht bekommen als ein Tourist“, gibt der Lehrer Holger Viereck zu bedenken. „Stimmt, wir waren überall eine Attraktion und wurden viel fotografiert“, sagt ein Schüler. Das sei teils anstrengend gewesen, aber in Mumbai gebe es nun mal nicht viele Europäer.

 

Die Schüler mussten sich bewerben

Vom 3. bis 15. Januar waren elf Jugendliche zusammen mit Holger Viereck und dessen Kollegen Benjamin Seiz in Indien. Denn seit Anfang 2012 besteht eine Kooperation zwischen der Anne-Frank-Schule in Möhringen und der Schule Digambar Patkar in Mumbai. Die Schüler mussten sich für diese Reise bewerben – und zwar auf Englisch. Denn in Indien kommt man mit Deutsch nicht weit. Die Menschen in Mumbai sprechen meist Marathi, Hindi ist die Amtssprache. Als erste Fremdsprache lernen die Kinder Englisch, erst dann folgt Deutsch.

Dennoch, die Verständigung untereinander sei kein Problem gewesen; wohl aber der Verkehr. „In Indien scheint es keine Verkehrsregeln zu geben“, sagt ein Junge kopfschüttelnd. Selbst die Polizei würde bei Rot über die Ampel fahren. „Die Autofahrer scheinen ausschließlich mit der Hupe zu kommunizieren“, sagt der Schüler. Und Viereck ergänzt: „Wenn man als Fußgänger nicht einfach irgendwann losläuft, kommt man nie über die Straße.“

Doch nicht nur die Straßen sind in Mumbai eine Nummer größer. Auch die Schulen und die Klassen sind es. Digambar Patkar befindet sich in einem Komplex für etwa 8000 Schüler, auf die Partnerschule der Anne Frank gehen etwa 1500 Mädchen und Jungen. In einer Klasse sind mehr als 60 Kinder. „Und dabei sind die Räume nicht größer als unsere“, wirft einer der Reisenden ein und ergänzt: „Alles ist sehr beengt. Die Kinder tragen Schuluniformen und begegnen den Lehrern mit viel mehr Respekt als hier in Deutschland.“ Viereck fügt hinzu: „Anders würde das bei diesen Klassengrößen auch nicht funktionieren.“

Extrem scharf oder extrem süß

Anders als gewohnt war auch das Essen. „Alles ist entweder extrem scharf oder extrem süß“, sagt eine Schülerin. Hin und wieder wichen die Gäste aus Möhringen auf Fast Food aus. Doch auch das ist in Indien anders. „Dort besteht der Burger aus einem weichen Brötchen mit einer Art warmen Kartoffel darin“, erklärt Holger Viereck. Ungewohnt, aber lecker, sind sich die Anne-Frank-Schüler einig.

Für die Gäste aus Möhringen gab es in Indien ein Ausflugsprogramm. Sie waren in Museen, im Ghandi-Haus und in einer Franziskanerkirche. In einem Vorraum zu einem Tempel lernten sie unter professioneller Anleitung das Meditieren. „Das war anstrengend“, kommentiert eine Schülerin. Dafür gab es dann aber auch einen Kurztrip nach Alibag am Meer. Zwei Tage lang wohnten die Schüler in einem Feriendorf unter Palmen. „Das war schon ein bisschen wie Urlaub“, sagt Viereck. Die Schüler aßen Kokosnüsse und spielten Kricket.

Besuch beim Patenkind

Besonders in Erinnerung ist den Jugendlichen aber ihr Besuch in einem Kloster des Ordens „Helpers of Mary“ geblieben. Dort wohnen Waisenkinder und Kinder, die keine Eltern haben, die sich um sie kümmern könnten. Die Anne-Frank-Schule hat dort ein Patenkind. Das Mädchen heißt Shewta Sudhakar Suryan. Sie hat ihren Vater früh verloren, ihre Mutter ist blind. Vor zwei Jahren besuchten erstmals Möhringer Schüler das indische Patenkind. Schon damals wurden sie mit einem Programm mit Tänzen, Musik und Blumen begrüßt. Genau so war es auch dieses mal. Und dann wurden die Gäste herumgeführt. „Das war beeindruckend, in was für Verhältnissen die Menschen dort leben und wie glücklich sie trotz allem sind“, sagt eine Schülerin. „Wir sollten die Dinge, die wir hier in Deutschland haben, mehr schätzen“, zieht ihre Freundin ein Fazit.