Anne-Sophie Mutter bleibt sich selbst treu. Wie immer überzeugt sie ihr Publikum in Stuttgart mit teuflisch guter Technik und enormer Musikalität.

Stuttgart - Im Foyer des Beethovensaals war an diesem Abend schon eine halbe Stunde vor Konzertbeginn kaum ein Durchkommen. Die Schlangen an den beiden Kassen waren enorm, obwohl es Tage zuvor hieß, es gebe nur noch Restkarten für das Konzert des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart mit der Stargeigerin Anne-Sophie Mutter und dem Jungstar Michael Francis am Pult. Doch Musikenthusiasten lassen sich von solchen Meldungen nun mal nicht abschrecken. Ob alle, die da vor den Kassen ausharrten, hineinkamen? Vielleicht. Der Beethovensaal jedenfalls war mehr als nur dicht besetzt. Was die Hörer erwartete? Ein Konzert mit der womöglich berühmtesten Geigerin der Gegenwart, mit einer Musikerin, die - Starrummel hin oder her - nie auch nur ein Quäntchen ihrer enormen technischen wie künstlerischen Qualität geopfert hat, um sich im Ruhm zu sonnen.

 

Dieser Konzertabend nun, der gleichzeitig der Beginn einer Tournee durch Deutschland und die Schweiz war, sollte also zu einem künstlerischen Ereignis ersten Ranges werden. Das Konzertprogramm trug unverkennbar die Handschrift von Anne-Sophie Mutter, für die es in der Kunst keine Gegenwart ohne Vergangenheit gibt. Für manch einen eher klassisch gestimmten Zeitgenossen mag die erste Konzerthälfte eine ordentliche Herausforderung gewesen sein. Denn am Beginn stand mit „Three Places in New England – Orchestral Suite I“ von Charles Ives ein Werk, in dem mehrere verschiedene Musiken irgendwie ineinander verwirbelt werden.

Stürmisch gefeiert

Auf diese Art schon etwas geübt im gleichzeitigen Hören vieler verschiedener Dinge, war es nicht allzu schwer, sich auf die europäische Erstaufführung von Sebastian Curriers „Time Machines“ für Violine und Orchester einzulassen, zumal Anne-Sophie Mutter, die das Werk im letzen Jahr zusammen mit dem New York Philharmonic Orchestra aus der Taufe gehoben hatte, ja zumal Anne-Sophie Mutter mit tausendundeiner Nuance in der Bogenführung und ungeheurer Präzision in der rhythmischen Feinarbeit ein in unglaublichen Farben schillerndes Stück vor Ohren führte.

Das RSO Stuttgart spielte kongenial, auch weil Francis so beherzt wie blendend analytisch dirigierte. Am Ende dann, nach Mendelssohns Ouvertüre „Die Hebriden“ und natürlich nach dem Violinkonzert von Max Bruch, das Anne-Sophie Mutter so ätherisch und dramatisch zugleich spielte, gab es kein Halten mehr. Stürmischer werden Klassikkünstler selten gefeiert.