Die Gerlingerin Gertrud Müller hat für ihren vielfältigen ehrenamtlichen Einsatz den Annemarie-Griesinger-Preis bekommen. Die 83-Jährige kannte die frühere CDU-Politikerin und erste Ministerin des Landes – nach der die Auszeichnung benannt ist – sogar persönlich.

Gerlingen - Gertrud Müller liebt Pflanzen. Und Kunst. Das merkt sofort, wer die Wohnung der 83-Jährigen betritt. Überall grünt und blüht es – auch auf dem Balkon, wo die Tomatenpflanzen eine „Rekordernte“ eingebracht haben – und hängt Buntes an den Wänden. „Ich mag moderne Künstler“, sagt Gertrud Müller. Vom Sitzungsgeld, das sie als Gemeinderätin in Gerlingen bekommen hat, habe sie sich immer ein Bild gekauft, sobald sie genug Geld beisammenhatte. Zu jedem Werk kann sie etwas erzählen, denn „jedes Bild hat eine Geschichte“.

 

Auszeichnung der Kreis-CDU

Doch haben nicht nur die Bilder viel zu berichten – auch ihre Besitzerin hat dies, dank ihres vielfältigen Engagements für so viele andere Menschen. Dafür hat Gertrud Müller jetzt den Annemarie-Griesinger-Preis bekommen. Sie kannte die frühere CDU-Politikerin und erste Ministerin des Landes, nach der die Auszeichnung benannt ist, sogar persönlich.

Die 83-Jährige, Wegbegleiterin und Wahlkampfhelferin von Annemarie Griesinger, beschreibt diese als „lebendige, humorvolle, warmherzige und zugewandte Frau mit Strahlkraft“. Wo auch immer sie erschien, sei sie im Mittelpunkt und etwas los gewesen. Sie habe mit beiden Beinen auf dem Boden gestanden. „Annemarie Griesinger war mein Vorbild und Motor“, sagt Gertrud Müller über die im Jahr 2012 verstorbene Sozialpolitikerin. Als sie sie kennenlernte und sich stark für sie machte, war Gertrud Müller Vorstandsmitglied der CDU-Kreisfrauenvereinigung. „Total überrascht“ habe sie der Preis. „Ich musste das zweimal lesen, habe mich dann aber gefreut.“

Die Gerlinger Ehrenmedaille gab es 2016

Es ist nicht ihre erste Auszeichnung: Im Jahr 2016 hat Gerlingen ihr die Ehrenmedaille der Stadt in Gold verliehen. Ebenfalls für ihren unermüdlichen Einsatz für die Mitmenschen in zahlreichen Einrichtungen. „Ich habe aber nicht alles gleichzeitig gemacht“, sagt Gertrud Müller und lacht. Dann erzählt sie: Sie war jung, die Kinder waren geboren, Familie und Haushalt standen im Mittelpunkt. Das sei damals so gewesen, sagt Gertrud Müller.

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Gleichwohl hatte sie auch das Bedürfnis nach einer Tätigkeit abseits der häuslichen Pflichten. Sie leitete gerade die Sommerfreizeit in Gerlingen, als man sie fragte, ob sie eine Behindertengruppe leiten könne. Gertrud Müller sagte Ja, zumal sie als leidenschaftliche Reiterin mit Menschen mit Behinderung schon Erfahrungen sammelte: Beim therapeutischen Reiten in Leonberg führte sie die Pferde. Auf dem Rücken der Tiere hätten die Kinder eine „tolle Entwicklung“ gemacht.

Als Mitbegründerin der Freizeitgruppe für Menschen mit und ohne Behinderung und als Gemeinderätin von 1978 an war Gertrud Müller eine der ersten, die sich für Menschen einsetzte, die anders waren als andere. „Ich wollte mich einbringen und was verändern“, nennt die Gerlingerin ihre Motivation für das Amt im Gemeinderat. Sie trat für die CDU-Fraktion an – dabei war sie damals „gar nicht parteilich orientiert“ –, als die Christdemokraten sie auf die Kandidatenliste setzten. Ins Gremium kam sie zwar erst bei der zweiten Wahl als Nachrückerin, danach aber blieb sie stolze 26 Jahre lang drin.

Eine CDU-Gemeinderätin mit so mancher grüner Position

Gertrud Müller sagt, sie habe immer ihre Meinung vertreten, sich nicht unterbuttern lassen, den Finger in die Wunde gelegt. „Dass ich mir treu geblieben bin, darauf bin ich stolz“, sagt die 83-Jährige. Denn den eigenen Standpunkt vehement zu vertreten, kann manchmal ungemütlich, anstrengend sein. Mit den Kollegen war die Gemeinderätin auch deshalb nicht immer einer Meinung, weil sie manche „grüne“ Position vertrat.

„Ich komme aus der Landwirtschaft und bin naturverbunden“, begründet dies Gertrud Müller, die gegen Plastik und Salzstreuen war oder den Flächenverbrauch für Neubauten hinterfragte. Der Gedanke, dass Mensch und Natur eine Einheit bilden, einander bedingen, sei damals neu gewesen. Die Fraktion zu wechseln, hätte sie aber viel Kraft gekostet, sagt Gertrud Müller, deren Themen Soziales und Familie, Umwelt, Kultur, Vereine und Städtepartnerschaften wurden.

Nach dem Gemeinderat widmet sie sich neuen Aufgaben

Im Jahr 2004 schied sie aus dem Gemeinderat aus. „Alles hat einen Anfang und ein Ende“, sagt sie, den Zeitpunkt bestimme sie. So begann sie zahlreiche neue Tätigkeiten. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Meisterin der Hauswirtschaft, es folgten Mithilfe und Vorträge beim Ernährungszentrum Ludwigsburg und beim Landesverband der Landfrauen. Hinzu kamen der Naturschutzbund und Obstbauverein, Studien im Kolpinghaus, Kurse und Vorstandsamt bei der Volkshochschule. Auch hatte Gertrud Müller jahrelang den Vorsitz der Fördergemeinschaft Pflege inne und schloss eine Ausbildung zur Telefonseelsorgerin ab.

Aus verschiedenen Gründen ruht diese Arbeit derzeit, doch so bald wie möglich will Gertrud Müller auch am Telefon wieder anderen Menschen helfen. Ebenso Kolping-Vorlesungen besuchen, denn die Zeit im Hörsaal endete mit dem Beginn der Coronapandemie. Gertrud Müller gehört einem Lesekreis an und engagiert sich weiter für Menschen mit Behinderung – wenngleich ohne ein Amt zu haben. „Mir wird’s überhaupt nicht langweilig“, sagt sie und lacht wieder.

Und Gertrud Müller wäre auch dahingehend nicht sie selbst – immer im Einsatz für andere –, würde sie das Preisgeld für sich behalten. Nein, sie spendet es der Fördergemeinschaft Pflege. „Auch das wäre im Sinne von Annemarie Griesinger gewesen.“