Die junge Künstlerin Annina Karst ist äußerst produktiv und erfolgreich. Sie zeigt das unter anderem auf Instagram. Warum sie Ulrich Zeh ihren Weg verdankt – und wie sie ihrem Mentor jetzt posthum die Reverenz erweist.

Ludwigsburg: Susanne Mathes (mat)

Als er Annina Karst diese Zeilen schrieb, war Ulrich Zeh schon so krank, dass er wusste, es würde keine Begegnung mehr mit seiner ehemaligen Schülerin geben – und auch keine Gemeinschaftsausstellung mehr, bei der er würde dabeisein können. „Ich bin beeindruckt von dem, was du auf deiner Website bezüglich deiner Arbeit zeigst“, mailte er ihr Ende 2021. „Ich finde es erstaunlich konsequent, wie du das Thema des menschlichen Gesichts thematisch durchziehst. Deine Bilder sind wundervoll. Dass du mich darauf in deinem Lebenslauf erwähnst, hat mich stolz gemacht.“ Irgendwann bekam Karst in dem Mailwechsel keine Antwort mehr. Zeh war im Januar 2022 mit 74 Jahren gestorben. „Das Altwerden“, hatte er Annina Karst einige Zeit zuvor geschrieben, „ist kein Schleckhafen“.

 

Blaue Haare, orangegelbes Gesicht

Annina Karst – als Künstlerin ist sie unter ihrem Mädchennamen tätig, auch wenn sie mittlerweile Fründ heißt – wäre ohne Ulrich Zeh womöglich einen anderen Weg gegangen. Zeh, in der Region und darüber hinaus vor allem für seine Sport- und Landschaftsbilder bekannt, war auch als Kunsterzieher tätig: in Kornwestheim, wo er selbst einst die Schulbank gedrückt und als Leichtathlet Meriten und Titel gesammelt hatte. Karst war eine seiner Leistungskurs-Schülerinnen im dortigen Ernst-Sigle-Gymnasium. Talentierte junge Leute begeisterten ihn, ihre Frische und Lebendigkeit fand er inspirierend, mit manchen Klassen veranstaltete er Malwochen in der Toskana, von denen ehemalige Eleven heute noch schwärmen. Annina Karst erlebte ihn als Ermutiger und Motivator. Als sie sich beim Thema Selbstporträt mit blauen Haaren und orangegelbem Gesicht malte, war er angetan.

Dass sie nach dem Abitur nicht kompromisslos auf die Kunst setzte, sondern auf Lehramt studierte, goutierte Zeh zunächst nicht. Er blieb aber mit seiner ehemaligen Schülerin in Kontakt, die neben ihrer Lehrtätigkeit künstlerisch enorm produktiv blieb. Davon zeugen auch ihr Instagram-Account (www.instagram.com/annina.karst) und ihre Website (www.anninakarst.de). Vor allem Gesichter und figurative Motive reizten sie, erzählt Karst, „ich male mit Acrylfarben, Gouache oder spraye auf Leinwand“.

Und dann traf es sich, dass der neue Ludwigsburger Landrat Dietmar Allgaier die Jahres-Ausstellungen in seinem Behördenbau modernisieren wollte: Statt die Schauen nur gesettelten Kunstschaffenden aus der Region zu widmen, sollten fortan arrivierte Künstler gemeinsam mit der nächsten Künstlergeneration gezeigt werden. Annina Karst bewarb sich um die Auftakt-Duo-Ausstellung, die sie gemeinsam mit Ulrich Zeh bestreiten wollte. Und bekam den Zuschlag.

Was den Landrat mit dem Maler verband

Ganz von ungefähr kam das nicht. Dietmar Allgaier kannte Ulrich Zeh nicht nur, weil Kunst von ihm im Kreishaus hängt, sondern ebenfalls als Kunstlehrer. „Er hat mich zwar nicht mit sonderlichem Erfolg unterrichtet, aber das lag nicht an ihm“, erinnert sich der Landrat lachend zurück. „Er war ein toller, interessanter Lehrer.“ Annina Karst lernte Allgaier wiederum als Jugendliche kennen: als Flötistin bei den Städtischen Orchestern Kornwestheim, deren Vorsitzender er früher war. Er freue sich, dass der Auftakt des neuen Ausstellungskonzepts einem Duo eine Plattform biete, zu dem er eine persönliche Verbindung habe, sagt Allgaier. Ausschlaggebend sei das aber nicht gewesen. Die „Kunst im Kreishaus“ kuratiere eine eigens damit betraute Mitarbeiterin.

Nach Ulrich Zehs Tod erbte Annina Karst Leinwände, Holzlatten für Bilderrahmen, auch Farben. „99 Prozent meiner roten und pinken Lippen male ich mit Farben von ihm“, erzählt sie. „Es ist fast immer etwas von ihm in meinen Bildern.“ Die Idee von der Gemeinschaftsausstellung lebte weiter. Besonders hineingekniet haben sich Zehs Tochter Ricarda und sein Schwiegersohn Nicolas Goll, die sein Werk sichteten, ordneten, inventarisierten und zuletzt öfter Stippvisiten im Ludwigsburger Kreishaus einlegten, um über die Auswahl der Bilder und die Hängung zu hirnen. Ohnehin wollen sie dafür sorgen, dass Zehs Werk nicht vergessen wird und auch seinen regelmäßigen „Treffpunkt Atelier“ in Bad Cannstatt fortführen.

Ein Herzensprojekt und eine Ehre

„Die Ausstellung hat für uns eine besondere Bedeutung, weil es die letzte von Uli war, die er selbst zugesagt und mit konzipiert hat“, erzählt Nicolas Goll. Er sei glücklich gewesen, „mit seiner Schülerin Annina auszustellen und die Ausstellung mit ihr und mit Unterstützung seiner Familie vorzubereiten“. Für Annina Karst ist das Vorhaben „ein großes Herzensprojekt und eine Ehre“, wie sie betont. Im Gespräch mit ihr ist Ulrich Zeh so gegenwärtig, dass die 32-Jährige sogar zwischendurch ins Präsens verfällt: „Ich freue mich, dass er meine Kunst so wertschätzt und dass wir zusammen ausstellen.“

„Inzwischen nehme ich dir auch nicht mehr übel, dass du entgegen meinem Rat auf die PH gegangen bist und nicht auf die Kunstakademie“, hatte Zeh Karst vor seinem Tod noch gemailt. „Du hast im Gegensatz zu manch anderen konsequent weiter gearbeitet. Und das finde ich sehr gut.“

Die Generationen verbinden

Die Vernissage
 Die Ausstellung „ULRICH ZEH – Annina kARsT“ – hierbei spielt sie mit ihrem Namen und „Art“, dem englischen Wort für Kunst – wird am Donnerstag, 16. Februar, um 19 Uhr im Landratsamt Ludwigsburg, Hindenburgstraße 40, eröffnet. Musikalisch untermalt wird sie von Ulrich Zehs Bruder Burkhart Zeh, ehemals Bratschist beim Stuttgarter Staatsorchester, und Holger Koch, Geiger ebendort.

Die Ausstellung
 Zu sehen ist die Schau bis zum 4. April zu den Öffnungszeiten des Landratsamtes. Von Ulrich Zeh sind Sportbilder, Landschaften und selten gezeigte Werke aus seinem Schaffen zu sehen, von Annina Karst Gesichter und Figuratives. Geführte Ausstellungsrundgänge gibt es am 2., 16. und 30. März von 15 bis 16 Uhr