Während Bangkok sich noch vom Schreck des Attentats am Montag erholte, detonierte in der Stadt erneut eine Bombe. Die Regierung beschuldigt innenpolitische Gegner für die Anschläge – andere vermuten einen Racheakt türkischer Extremisten.

Stuttgart - Es sind nur ein paar Hundert Meter Entfernung zu der Stelle, an der am Montagabend mitten im Feierabendverkehr eine Bombe mindestens 20 Menschen tötete und über 100 Verletzte forderte. Aber die rund 1000 Thailänder, die geduldig vor dem Blutspendezentrum warten, lassen sich nicht beirren. Ihre tief verwurzelte Hilfsbereitschaft ist stärker, obwohl die Furcht vor neuen Anschlägen tief in den Knochen steckt.

 

Bangkoks Schulen blieben am Dienstag aus Sicherheitsgründen geschlossen. Eine kluge Entscheidung, wie sich am Nachmittag zeigte: Ein Unbekannter warf eine weitere Rohrbombe auf das Saphan-Thaksin-Pier am Fluss Chao Praya, das Touristen gerne besuchen. Die Explosion forderte zwar keine Verletzten, verursachte aber neue Panik in der Millionenmetropole.

Ein junger Mann mit Rucksack wird verdächtigt

Zumal ein nervöser General Prayuth Chan-ocha, der vor seinem Putsch im Mai des vergangenen Jahres seine Karriere weitgehend im Palast von Königin Sirikit verbracht hatte, kaum zur Beruhigung beiträgt. In einer eilig anberaumten fünfminütigen Fernsehansprache rief er die Thailänder auf, ihre Einigkeit zu wahren und sich nicht durch Spekulationen auf den sozialen Medien verunsichern zu lassen.

Schon am Dienstagmorgen hatte er behauptet, man habe einen Verdächtigen identifiziert. „Er gehört zu einer kleinen Gruppe von Leuten im Nordosten Thailands, die immer noch der Nation schaden wollen“, erklärte der offenbar nicht gerade krisenfeste General, „es gibt nicht viele. Aber wir suchen den Mann gerade.“ Die Regierung verbreitete das Foto eines jüngeren Mannes, der in gelbem T-Shirt und Badeschlappen mit einem Rucksack gefilmt wurde, der auf späteren Aufnahmen nicht mehr zu sehen war. Er wird nun verdächtigt, die mit rund drei Kilogramm TNT-Sprengstoff gefüllte Rohrbombe vor dem Erawan-Schrein abgelegt zu haben.

Üben türkische Dschihadisten Vergeltung?

Nicht nur viele Thailänder reagierten skeptisch auf die schnelle und vor allem politisch opportune Darstellung. „Thailands Angaben kann man nicht trauen“, sagte ein Diplomat, „sie werden die Angelegenheit so drehen, wie es ihnen passt.“ Tatsächlich scheinen nach Informationen dieser Zeitung nicht einmal die eigenen Militärs Juntachef Prayuth zu glauben.

Der scheidende Armeechef General Udomdej Sitabutr sprach ebenfalls von einem „arabisch aussehenden Verdächtigen“. „Wir glauben, dass es sich bei den Tätern um türkische Dschihadisten handeln könnte, die Vergeltung für die Abschiebung von 109 Uiguren nach China üben wollen“, heißt es in informierten Kreisen.

Thailands Militärs hatten vor einigen Monaten 109 Uiguren an China übergeben, die auf dem Weg nach Malaysia gewesen waren. Die Uiguren sind eine große turksprachige und mehrheitlich muslimische Volksgruppe im Westen Chinas, die unter Repressionen zu leiden hat. Die Köpfe der Männer wurden auf dem Flug nach China in Tüten ohne Sehschlitze gesteckt. Frauen und Kinder schickte Bangkok in die Türkei.

„Die sind völlig hilflos“

Trotz einer islamischen Separatistenbewegung im Süden des Königreichs kümmerten sich Thailands Militärs wenig um die geheimdienstliche Kontrolle von Verbindungen in den Nahen Osten. „Die sind völlig hilflos“, schilderte ein Experte in Bangkok die Lage bei Prayuth und seinen Offizieren. In ersten Reaktionen hatte auch die Volksrepublik China den Verdacht geäußert, das islamistische Freunde der Uiguren hinter dem Anschlag stecken könnten.

Bislang besteht keine Gewissheit über die Hinterleute der Terrorattacke. Aber wirtschaftlich droht nun der Lichtblick der thailändischen Ökonomie zu erlöschen. Im ersten Halbjahr 2015 kamen rund vier Millionen Urlauber aus China – mehr als die doppelte Menge des Vorjahres. Laut Thailands Tourismusbehörde gaben sie zudem mehr Geld aus als früher. Dieser lebenswichtige Strom dürfte nun zumindest für einige Monate versiegen.