Die Unbekannten, die am späten Abend des Maifeiertags ein Polizeiauto in Brand gesteckt haben, sind nicht unbeobachtet geblieben. Derweil branden Debatten um den Polizeieinsatz bei den Mai-Demonstrationen auf.

Lokales: Wolf-Dieter Obst (wdo)

Nach dem Brandanschlag auf ein Dienstfahrzeug auf dem Gelände des Polizeireviers Gutenbergstraße im Stuttgarter Westen sucht die Polizei nun zwei maskierte Verdächtige. Die Unbekannten sollen am späten Abend des 1.-Mai-Feiertags zugeschlagen und Feuer an einem Mercedes-Sprinter gelegt haben. „Ein Zusammenhang mit den Eskalationen bei den Maidemonstrationen ist nicht ausgeschlossen, die Ermittlungen dauern freilich noch an“, sagt Polizeisprecher Sven Burkhardt.

 

Nach bisherigen Erkenntnissen der Polizei soll es sich um zwei Männer im Alter zwischen etwa 23 und 30 Jahren handeln, etwa 1,70 bis 1,80 Meter groß. Beide trugen schwarze Masken, waren mit schwarzen Kapuzenpullovern und Jeans bekleidet. Einer soll gegen 22.40 Uhr über den Zaun geklettert, der andere soll davor geblieben sein, offenbar um Schmiere zu stehen. Einer der Täter hatte einen schwarzen Rucksack mit dem Label eines Sportartikelherstellers dabei.

Feuerwehr verhindert Brand einer Scheune

Das Feuer im Hof wurde schnell entdeckt. Die Revierbeamten konnten die Flammen mit Feuerlöschern und einem Wasserschlauch eindämmen, ehe um 22.43 Uhr die Feuerwehr mit zwei Atemschutztrupps eingriff. „Das Feuer drohte auf eine Scheune überzugreifen“, sagt Feuerwehrsprecher Daniel Anand. Daher sei zum Schutz mit einem zweiten Löschrohr eine Wasserwand aufgebaut worden. Die Scheune sei durch den massiven Einsatz am Ende lediglich verraucht gewesen.

Der Schaden am Polizeifahrzeug wird auf mehrere Zehntausend Euro geschätzt. Bei der Fahndung nach den Tätern war auch ein Polizeihubschrauber im Einsatz, der bis etwa 23.30 Uhr über dem Stadtbezirk kreiste. Gefunden wurde allerdings zunächst niemand.

Schon zur Mittagszeit Auseinandersetzungen

Der Vorgang ist nicht nur ein Fall fürs Branddezernat, sondern auch für die Kripoermittler des Staatsschutzes. Am Montag hatte es bereits zur Mittagszeit im Umfeld der Maidemonstrationen in der Innenstadt Auseinandersetzungen auf dem Schlossplatz mit einer Gruppierung aus dem linksextremen Spektrum gegeben. Dabei wurden Rauchbomben gezündet, die Polizei setzte Pfefferspray und Schlagstöcke ein. Wie in der Vergangenheit ging es um vermummte Teilnehmer und zu lange Transparente – die Auseinandersetzungen haben seit Jahren Tradition. Sechs Personen waren am Montag vorübergehend festgenommen worden.

Außer dem brennenden Streifenwagen im Revier Gutenbergstraße sind noch weitere Polizeifahrzeuge ins Visier genommen worden – gegen 23 Uhr, an unterschiedlichen Stellen in der Innenstadt. Laut Polizei trat ein Unbekannter am Arnulf-Klett-Platz in der Innenstadt die Außenspiegelabdeckungen an einem geparkten Streifenwagen ab. Er soll etwa 30 bis 35 Jahre alt, 1,75 Meter groß sein, trug eine schwarze Windjacke mit einem reflektierenden Streifen, eine schwarz-weiße Baseballmütze sowie einen schwarzen Rucksack. In der Königstraße versuchte ein Täter, an zwei Polizeiautos die Außenspiegel zu beschädigen. Dabei ging eine Kunststoffabdeckung zu Bruch. Der etwa 1,70 Meter große Mann mit grauer Kapuzenjacke und heller Hose entkam. Das Dezernat Staatsschutz prüft die möglichen Zusammenhänge. Hinweise an die Kriminalpolizei werden unter der Telefonnummer 07 11 / 89 90 - 57 78 erbeten.

Polizeipräsident entsetzt, Demosanitäter sprachlos

Polizeipräsident Markus Eisenbraun äußerte sich entsetzt über die Brandstiftung. Die Täter hätten einen Gebäudebrand und die Gefährdung der Beamtinnen und Beamten „billigend in Kauf“ genommen. „Wie entfremdet von einer Gesellschaft muss man sein, um solch eine Tat zu begehen“, kritisiert Eisenbraun.

Derweil erheben die linken Demosanitäter schwere Vorwürfe gegen die Polizei, die bei den Demonstrationen am Mittag den „antikapitalistischen Block plötzlich ohne erkennbaren Grund mit Pfefferspray angegriffen“ habe. Mit wechselnden Begründungen sei das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit verweigert worden, heißt es.

Auch beim Maifest im Linken Zentrum Lilo Herrmann an der Böblinger Straße im Stuttgarter Süden habe die Polizei „unerwartet“ Teilnehmende angegriffen. „Wir sind sprachlos angesichts des eskalativen Vorgehens der Polizei und der massiven Gewalt“, so ein Sprecher der Demosanitäter. Insgesamt habe die Sanitätsgruppe 94 Menschen behandeln müssen, davon 82 wegen der Wirkung der Pfeffersprays.

Reichlich Videomaterial zur Konfrontation

Ähnlich sieht das Luigi Pantisano, Stadtrat der Fraktion der Linken, SÖS, Piraten, Tierschutzpartei. Die Polizei habe durchgedreht und auf friedliche Demonstranten eingeprügelt, schimpft er per Twitter. „Das ist undemokratisch und eines Polizeistaats würdig. Schämt Euch!“ Bernd Riexinger, Bundestagsabgeordneter der Linken, forderte „die Polizeiführung und die Ordnungsbehörde auf, wieder zur Besonnenheit zurückzukehren“.

Der offizielle Rettungsdienst hatte nach Angaben des Roten Kreuzes wegen des Demogeschehens keine außergewöhnlichen Einsatzzahlen zu verzeichnen. „Bei der Demo selbst gab es überhaupt keinen Einsatzfall“, sagt DRK-Sprecherin Mira Hawlik. Die Polizei selbst hat einen Beamten mit leichten Verletzungen auf ihrer Liste. Nach Angaben von Polizeisprecher Jens Lauer soll ihn eine Stange unter den Helm getroffen haben. Der Betroffene habe aber seinen Dienst fortsetzen können.

Bei der Konfrontation auf dem Schlossplatz seien immer wieder Feuerwerkskörper in Richtung der Einsatzkräfte geworfen worden. Die Beamten seien unter anderem mit Fahnenstangen angegangen und anderen Gegenständen beworfen worden, Polizeiketten seien wiederholt gewaltsam angegangen worden. Deshalb habe man Pfefferspray und Schlagstock eingesetzt. Wie viele und welche Straftaten bei den Versammlungen insgesamt begangen wurden, steht noch nicht fest. Hierzu muss noch reichlich Videomaterial gesichtet werden.