Auf der Insel Sulawesi gibt es Höhlenmalerei, die rund 40.000 Jahre alt ist – und damit genauso alt wie die ersten steinzeitlichen Kunstwerke Europas. Hatten Europäer und Asiaten womöglich kreative Vorfahren, von denen noch niemand etwas weiß?

Stuttgart - Die Höhlenmalerei war in der Steinzeit viel weiter verbreitet als bisher vermutet. Kannten Forscher solche uralten, farbigen Zeichnungen auf Felswänden doch nur aus dem Westen und Südwesten Europas. Vor 40.800 Jahren schufen Steinzeitkünstler eine rote Scheibe in der El Castillo-Höhle in der heutigen spanischen Region Kantabrien, Jahrtausende später folgten die Umrisse von Händen und noch später Skizzen von Tieren.

 

Ähnliche alte Felsmalereien tauchten bisher nirgends auf der Welt auf, die Malerei galt als europäische Entwicklung. Bis Maxime Aubert von der Griffith Universität in Gold Coast in Australien und seine Kollegen Felszeichnungen auf der indonesischen Insel Sulawesi mit modernen naturwissenschaftlichen Methoden untersuchten und so einer Sensation der frühen Kunstgeschichte auf die Spur kamen: Mit mindestens 39.900 Jahren ist der Umriss einer Hand dort ähnlich alt wie die ältesten Malereien am anderen Ende Eurasiens, berichten die Forscher im Wissenschaftsmagazin „Nature“.

Entdeckt wurden die Felszeichnungen in den Karsthöhlen der Maros-Pangkep-Berge im Südwesten Sulawesis bereits in den 1950er Jahren, 2009 schlug Indonesien dieses Gebiet als Weltkulturerbe vor. Allerdings vermuteten die Forscher, dass die Handabdrücke und Zeichnungen von Tieren wie dem nur auf Sulawesi lebenden Hirscheber keine 10.000 Jahre alt sein könnten. Schließlich verwittert die braunrote Farbe aus natürlich vorkommenden Eisenoxiden in der tropischen, feuchtwarmen Witterung rasch.

Eine Uhr aus Uran und Thorium

In solchen Karstgebieten löst Wasser Teile des Kalksteins auf und schafft so mit der Zeit Spalten und Höhlen. Tropft dieses Kalkwasser von der Höhlendecke, kristallisiert der Kalk darin oft als Calcit oder Kalkspat wieder aus und bildet zum Beispiel „Tropfsteine“. Manchmal tröpfelt das Wasser über die Höhlenmalereien und bildet dort eine dünne Kalkschicht mit kleinen Knubbeln, die „Höhlen-Popcorn“ genannt werden. Die Malereien darunter müssen älter sein als die Kalkschicht selbst.

Im Kalk sind meist auch kleine Mengen radioaktiven Urans eingelagert, weil sich die Verbindungen dieses Elements meist gut in Wasser lösen. Mit der Zeit zerfallen diese Uran-Atome langsam zu Thorium-Atomen, die sich in Wasser gar nicht lösen. Wenn er sich bildet, enthält ein Tropfstein daher keinerlei Thorium, das ja nicht eingeschwemmt werden kann. Das gesamte Thorium im Kalk sollte sich also nach dessen Entstehung aus dem darin enthaltenen Uran gebildet haben.

Da genau bekannt ist, wie viele Uran-Atome in einer bestimmten Zeit zu Thorium zerfallen, messen die Forscher mit sehr exakten Methoden die Menge der Uran- und Thorium-Atome im Höhlen-Popcorn. Aus diesem Verhältnis können sie das Alter des Minerals berechnen. Die Höhlenmalerei darunter muss mindestens genauso alt sein – sie kann aber auch deutlich älter sein.

Mit dieser Methode hatten britische und spanische Forscher vor zwei Jahren 50 Höhlenzeichnungen im Nordwesten Spaniens untersucht. Eine aufgezeichnete rote Scheibe in der El Castillo-Höhle in Kantabrien muss demnach mindestens 40.800 Jahre alt sein, Umrisse von Händen gleich nebenan sind wenigstens 37.300 Jahre alt. Solche Kunstwerke schufen die Steinzeitkünstler mit einer recht modern anmutenden Methode: Sie pressten eine Hand auf die Felswand und sprühten dann feuchte Farbe darüber. Nahmen sie die Hand weg, blieben ihre Umrisse zurück.

Wann wurde Homo sapiens kreativ?

Die gleiche Schablonentechnik hatten die Steinzeitkünstler auch am anderen Ende der damals von Menschen besiedelten Welt im Südosten Asiens in den Karst-Höhlen der Maros-Pangkep-Berge im Südwesten Sulawesis angewendet. Als Anthony Dosseto von der Universität in Wollongong in Australien jetzt das Alter des Höhlen-Popcorns über einem dieser Hand-Umrisse mit der Uran-Thorium-Methode analysierte, erwies sich dieses Kunstwerk mit mindestens 39.900 Jahren sogar als älter. Zufall scheint das nicht zu sein, ein anderer Hand-Umriss dort war immerhin mehr als 39.400 Jahre alt. Gleich neben diesen Händen entpuppte sich die Zeichnung eines weiblichen Hirschebers als mindestens 35.400 Jahre alt. Damit gehört das Tier zu den ältesten Zeichnungen realistischer Figuren aus der Steinzeit.

Diese Funde werfen ein Schlaglicht auf die Entwicklung des modernen Menschen: „Solche Felszeichnungen gehören zu den ersten Hinweisen auf abstraktes Denken und führen damit zu den Ursprüngen der Menschen wie wir sie heute kennen“, erklärt Anthony Dosseto. Die Entwicklung fand aber offenbar in Europa und Südostasien etwa zeitgleich statt. „Ohnehin wurden auf diesem riesigen Kontinent Asien in jüngerer Zeit immer wieder Schlüsselfunde für die Entwicklung der Menschheit entdeckt“, berichtet Wil Roebroeks von der Universität im niederländischen Leiden in der Zeitschrift „Nature“. Ausgelöst wurde dieser Boom der Paläoanthropologie in Asien durch eine massive Intensivierung der Forschung, die in Zukunft wohl weitere spektakuläre Ergebnisse bringen dürfte.

Weshalb tauchen Felsmalerei und das damit verknüpfte abstrakte Denken gleichzeitig in zwei so weit voneinander entfernten Regionen wie Westeuropa und Südostasien auf? „Entweder hat sich die Felsmalerei in beiden Gebieten unabhängig voneinander ungefähr zu gleicher Zeit entwickelt“, überlegt Anthony Dosseto. „Vielleicht aber kannten die modernen Menschen solche Kunst bereits einige Zehntausend Jahre früher und brachten sie mit, als sie nach Europa und Asien auswanderten.“