Welche Substanzen sind derzeit in der Dopingszene in Mode?
Nach wie vor die klassischen Dopingmittel: Anabolika. Epo in Mikrodosierungen für die Ausdauer. Wachstumshormon. Blutdoping. Und in der wettkampffreien Phase stimulierende Substanzen, die über die Psyche die Leistungsbereitschaft erhöhen und die Grenzen der Belastungsfähigkeit verschieben. Oder alles zusammen. Ich glaube, dass Cocktails aus Dopingmitteln weiter hoch im Kurs stehen.
Gibt es nichts Neues auf dem Markt?
Die Pharmafirmen haben nicht mehr so viel entwickelt, was für Hochleistungssportler interessant sein könnte. Sie konzentrieren sich heute zum Beispiel auf neue Krebsmittel, mit denen besonders viel Umsatz zu machen ist. Allerdings bin ich von einem überzeugt: Doper testen alle neuen Arzneistoffe, die auch nur im entferntesten eine leistungssteigernde Wirkung versprechen, selbst wenn sie noch keine Zulassung haben. Der Vorteil aus Sicht der Athleten: Diese Mittel können auch noch nicht auf der Verbotsliste stehen. Das macht diese Dopingszene übrigens für mich, der ich als Pharmakologe eigentlich aus einem anderen Bereich komme, so interessant: Von diesen Ganoven kann man oft noch etwas lernen.
Im Medizinschrank eines Betrügers stehen häufig auch Diuretika, mit denen Dopingmittel verschleiert werden können.
Das Diuretikum ist das primitivste Mittel, weil es ja nur das Urinvolumen erhöht und damit die Nachweisbarkeit von Dopingmitteln erschwert. Es ist aber auch das eindeutigste Zeichen, dass ich einen Doper vor mir habe. Allerdings einen nicht sonderlich intelligenten. Denn ein Diuretikum hilft nur akut, am ersten Tag, und dann sieht das Urin aus wie Wasser. Schon am zweiten erhöht es das Urinvolumen nicht mehr. Deshalb erstaunt es mich immer wieder, dass Sportler solche Mittel überhaupt noch einnehmen.
Dabei sind Doper doch sonst sehr kreativ.
Stimmt, und das auch schon im Breitensport. Ein Kollege von mir, ein Urologe, nimmt zum Beispiel vor dem Marathonlauf Viagra. Es erweitert die Gefäße im Lungenkreislauf. Dadurch kann man besser atmen.
Spielt Gendoping aktuell schon eine Rolle?
Mit dem Begriff Gendoping bin ich nicht einverstanden. Ich verstehe darunter eine Gentherapie, bei der genetisches Material eingebaut wird. Das gelingt in großem Umfang noch nicht einmal in der Schulmedizin ohne oft verheerende Folgen. Allerdings habe ich die Befürchtung, dass viele Scharlatane den Sportlern eine solche Gentherapie anbieten könnten. Denn das ist hochgefährlich, weil der Körper auf dieses fremde Genmaterial mit massiven Abwehrmaßnahmen reagieren kann. Das kann bis zum Tod führen.
Es gibt Anti-Doping-Experten wie Hellmut Mahler, die behaupten, dass sich Sportler schon heute ihr eigenes Epo-Hormon zusammenbauen lassen, das nicht nachzuweisen ist.
Theoretisch ist das denkbar, wenn ein Sportler die entsprechend kriminellen Hintermänner und viel Geld hat. Es braucht aber schon Top-Wissenschaftler, um Epo entsprechend verändern zu können. Ich halte nicht für ausgeschlossen, dass sich Institute zum Beispiel in Russland damit beschäftigen und Sportlern ihr eigenes Epo stricken. Aber ich glaube nicht, dass diese Methode unter Dopern aktuell schon weit verbreitet ist. Ich befürchte allerdings, wenn ich an die Goldman-Studie denke, dass sich dies in der Zukunft ändern wird.
Gibt es aus Ihrer Sicht eigentlich einen Ausweg aus dem Dopingdilemma?
Nein. Der Betrug wohnt dem Menschen inne. So lange es Wettbewerb gibt, egal ob im Sport oder in anderen Bereichen, wird es auch Betrüger geben.