Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Erster Schritt: Gutes Zeitmanagement

Damit ein Vorsatz gelingt, ist gutes Zeitmanagement vonnöten. Als größter Feind guter Vorsätze gilt gemeinhin das Aufschieben. Als notwendig oder unangenehm empfundene Aufgaben schiebt man vor sich her anstatt sie sukzessive zu erledigen. Übereifrige verunglimpfen diese Haltung gerne als Aufschieberitis – pure Faulheit als guter Vorsatz getarnt.

 

Was kann man gegen diese weitverbreitete Aufschieberitis-Unsitte tun? Psychologen raten, sich Ziele zu setzen, die einen nicht überfordern. Gewohnheiten – und seien sie auch noch so falsch – haben immer etwas Beruhigendes und Stabilisierendes. „Das Gehirn strebt danach, alles zu routinisieren“, erklärt der Biologe und Hirnforscher Gerhard Roth.

„Ab morgen werde ich’s anpacken!“

Den mit dem Kampf gegen die Aufschieberitis verbundenen psychosomatischen Stress verdrängt man geflissentlich. Die Psychologen Janet Polivy und Peter Herman von der Universität Toronto in Kanada nennen dieses Phänomen „False-Hope-Syndrom“ – Falsche-Hoffnung-Syndrom. Umso erstaunlicher ist es, dass Menschen dazu neigen, auch Vorsätze, die bereits fehlgeschlagen sind, zu wiederholen.

Trödeln: Das Studentensyndrom

Prokrastination – vom lateinischen „procrastinare“, auf morgen verschieben – meint extremes Aufschieben. Meistens von aversiven, also unangenehmen Aufgaben und Pflichten. Es muss nicht immer gleich pathologisch sein und sich um eine klinische Verhaltensstörung handeln.

Trödeln – sinnigerweise auch Studentensyndrom genannt – kennt jeder: Das verschmutzte Bad endlich putzen? Dafür ist morgen auch noch Zeit. Für die Matheklausur pauken? Die Woche ist noch so lang. Das Knöllchen bezahlen? Es ist doch noch gar kein Stichtag.

Vertagen, aufschieben, wegdrücken, ablegen – die Synonyme sind so zahlreich wie die Formen der Prokrastination unterschiedlich. „Morgen, morgen, nur nicht heute, sagen alle faulen Leute.“ Der Spruch klingt vielen aus ihrer Kindheit noch in den Ohren. Im Original heißt er: „Morgen, morgen nur nicht heute! Sprechen immer träge Leute.“ Damit beginnt das Kinderlied „Der Aufschub“ des Schriftstellers Christian Felix Weiße (1726-1804).

Berg an Unerledigten wird immer höher

„La strada dell’inferno è lastricata di buone intenzioni“ – der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert –, sagt ein italienisches Sprichwort. Warum ist es bloß so schwierig, das, was man sich vorgenommen hat, in die Tat umzusetzen? Anstatt Unangenehmes immer weiter vor sich her zu schieben, so dass der Berg an Unerledigten immer höher wird, beschäftigt man sich lieber mit Angenehmen, weil es so viel leichter von der Hand geht. Doch das böse Erwachen kommt bestimmt.

Warum ist der Mensch ein chronischer Aufschieber?

Warum prokrastinieren Prokrastinierer? Die zahllosen Antworten auf die fundamentale ethische Frage lassen sich auf einen kurzen Nenner bringen: Das Leben ist ein beständiger Kampf gegen den „inneren Schweinehund“. Diese Metapher umschreibt, was für eine körperliche und geistige Anstrengung es ist, sich selbst zu überwinden und Vertrautes abzulegen.

Für den chinesischen Philosophen Konfuzius (551–479 v. Chr.) steht fest: „Der Weg ist das Ziel.“ Ein Edler zu werden und tugendhaft zu leben ist für „Lehrmeister Kong“ das höchste Ziel: Nicht durch einzelne Entscheidungen oder reine Willenskraft kann man es erreichen, sondern nur durch Achtsamkeit, Selbstbildung und Übung.

Was man gegen die Aufschieberitis tun kann

Erster Schritt: Gutes Zeitmanagement

Damit ein Vorsatz gelingt, ist gutes Zeitmanagement vonnöten. Als größter Feind guter Vorsätze gilt gemeinhin das Aufschieben. Als notwendig oder unangenehm empfundene Aufgaben schiebt man vor sich her anstatt sie sukzessive zu erledigen. Übereifrige verunglimpfen diese Haltung gerne als Aufschieberitis – pure Faulheit als guter Vorsatz getarnt.

Was kann man gegen diese weitverbreitete Aufschieberitis-Unsitte tun? Psychologen raten, sich Ziele zu setzen, die einen nicht überfordern. Gewohnheiten – und seien sie auch noch so falsch – haben immer etwas Beruhigendes und Stabilisierendes. „Das Gehirn strebt danach, alles zu routinisieren“, erklärt der Biologe und Hirnforscher Gerhard Roth.

„Ab morgen werde ich’s anpacken!“

Den mit dem Kampf gegen die Aufschieberitis verbundenen psychosomatischen Stress verdrängt man geflissentlich. Die Psychologen Janet Polivy und Peter Herman von der Universität Toronto in Kanada nennen dieses Phänomen „False-Hope-Syndrom“ – Falsche-Hoffnung-Syndrom. Umso erstaunlicher ist es, dass Menschen dazu neigen, auch Vorsätze, die bereits fehlgeschlagen sind, zu wiederholen.

Der durchschnittliche Aufschieber unterschätzt nicht nur die eigene Willensstärke und Bereitschaft sich zu bessern, sondern auch den Aufwand und die Ausdauer, die für jedwede nachhaltige Veränderung notwendig sind. Ist der erste Elan erst mal dahin, bleiben selbst dringende Veränderungen unerledigt.

Das schlechte Gewissen nagt am Selbstbewusstsein

Wer zu viel von sich erwartet, wird sich nur selbst enttäuschen. Je weniger gelingt, je schneller sich üble Marotten wieder einschleichen, desto mehr zweifelt man an sich selber, fühlt sich überfordert und ist zu keinerlei Verhaltensänderung mehr fähig. Schließlich gibt man frustriert auf. Der gute Vorsatz, sich dem Hang zur Prokrastination entgegenzustemmen, ist perdu.

Was bleibt, ist ein schlechtes Gewissen – jenes unangenehme, nagende Gefühl, das sich einschleicht, wenn man wieder mal einem guten Vorsatz untreu geworden ist. Das Gewissen ist die moralische Instanz im menschlichen Bewusstsein, die es drängt, aus ethischen Gründen bestimmte Handlungen auszuführen oder zu unterlassen. Wie also kann man guten Gewissens das umsetzen, was man sich vorgenommen hat?

Morgen wird alles besser? Von wegen!

Voraussetzung hierfür ist, dass das Handeln zielgerichtet und man selbst motiviert ist. Generalisierende und schwammige Vorsätze nach dem Motto „Morgen wird alles besser“ kann man gleich vergessen. „Gutta cavat lapidem“ – der stete Tropfen höhlt den Stein –, heißt es beim römischen Dichter Ovid (43 v. Chr.-17 n. Chr.). Anders ausgedrückt: Erst wenn ein Verhalten oft genug und in überschaubaren Schritten wiederholt wird, setzt es sich im Gehirn fest.

Auch sollte man nicht vergessen, sich für kleine Fortschritte zu belohnen. Nichts motiviert so sehr wie Erfolgserlebnisse. Der Kampf gegen die Aufschieberitis setzt Disziplin, Durchhaltevermögen und Mühe voraus. In der Praxis hat es sich bewährt, eine Liste zu erstellen und erledigte Punkte abzuhaken. Das dient der Erfolgskontrolle, motiviert weiterzumachen und hilft, Versuchungen zu widerstehen.

Zum Schluss ein guter Rat des amerikanischen Schriftstellers Thornton Wilder (1897–1975): „Beginne nicht mit einem großen Vorsatz, sondern mit einer kleinen Tat.“