Auf der Antikmeile in Ludwigsburg ist am Sonntag zwar einiges los, viele Anbieter sind aber skeptisch, ob nach dem Corona-Lockdown das Interesse an antiquarischen Dingen wieder die alte Größenordnung erreicht. Das Publikum ist meist im Rentenalter.

Ludwigsburg - Händler sind freundliche Menschen. Jeder am Stand wird herzlich begrüßt – und höflich verabschiedet, auch wenn ein Verkaufsgespräch ins Leere läuft und der Sammler alter Sachen weiter schlendert, ohne was gekauft zu haben. „Bleiben Sie gesund!“, ruft der Verkäufer auf der Ludwigsburger Antikmeile hinterher.

 

Corona ist nicht vergessen, obwohl die wenigsten am Sonntag eine Maske tragen. Egal ob Händler oder Passanten. Über ein Jahr war Zwangspause. Jetzt ist die Händler-Sammler-Gemeinschaft wieder auf Achse. Die Schätze sind nach langer Lagerzeit abgestaubt und hübsch hergerichtet.

Der Begriff Flohmarkt – das geht gegen die Berufsehre

Die Ansammlung an den Ständen auf dem Marktplatz und Rathaushof als Flohmarkt zu bezeichnen, geht allerdings manchem Händler gegen die Berufsehre. „Nicht Flohmarkt, sondern Antikmeile“, korrigiert ein Standbetreiber aus Osterburken. Von Stand zu Stand sind die Übergänge jedoch fließend. Nicht alles ist wertvoll, was glänzt. Das aber war schon immer so.

Die Antiquare kommen von überall her

Um 10 Uhr ist der offizielle Start der Ludwigsburger Antikmeile, und es ist schon gut was los. Zumindest auf den ersten Blick. Die Veranstaltung ist eine feste Institution unter den fliegenden Antiquaren. Sie kommen von überall. Nicht wenige sind Profis und leben von den Einnahmen. Zu denen gehört Detlev Garden aus Wiesbaden. Er hat vor allem Porzellan und Besteck nach Ludwigsburg mitgebracht. „Die letzten Monate sind schwierig gewesen. Ich muss davon leben“, bilanziert er die Zeit im Lockdown. Er habe hauptsächlich von seinem Ersparten gelebt. Seit 40 Jahren sammelt er. In der Zeit konnte er gutes Geld verdienen, wie er andeutet. Etwa 40 Wochenenden war er mit seiner Frau sonst im Jahr unterwegs. Dann kam die Pandemie bedingte Auszeit. Seine Frau, die eigentlich schon in Rente sei, habe einen 450-Euro-Job in einem Kindergarten angenommen.

Er gibt sich eher pessimistisch auf die Frage, ob die Antikmärkte nach dieser Unterbrechung zu ihrer alten Beliebtheit zurückfinden könnten. Der Händler beobachtet „nur ein geringes Interesse“ bei den Besuchern. Die Zahl leidenschaftlicher Sammler mit profunden Kenntnissen und der Bereitschaft, für wertvolle Relikte Geld auszugeben, gehe insgesamt zurück, stellt er fest. Auch TV-Sendungen wie „Bares für Rares“ oder „Die Superhändler“ änderten daran nichts. „Das ist alles nur Show“, sagt der Mann aus der hessischen Landeshauptstadt.

Das Publikum ist eher älteren Jahres

Die Stimmung anderer Händler ist ähnlich. Wirkliche Begeisterung, dass solche Märkte wieder möglich sind, zeigt keiner. „Mal sehen, ob sich die Menschen daran gewöhnen, dass es wieder Flohmärkte gibt“, sagt ein Händler aus dem Norden des Ländles. „Die alten Zeiten dürften aber vorbei sein“, ist auch er überzeugt. Daran sei aber nicht Corona allein schuld, sagt er und zeigt auf das Publikum. Kaum junge Leute, viele sind bereits im Rentenalter. Die Deko-Plätze in ihren Wohnungen sind mit Sammlerstücken längst belegt. „Ob die Kinder oder die Enkel das mal übernehmen wollen, das weiß ich nicht“, sagt eine Frau im Gespräch mit einem Händler. Große Stücke brauche sie jedenfalls keine mehr.

Rainer Reihle aus Stuttgart-Feuerbach ist Händler und längst im Rentenalter. Sein Spezialgebiet sind historische Fotoapparate und Telefone. Er zeigt auf einen wuchtigen schwarzen Apparat mit Wählscheibe, viele Jahrzehnte alt. „Obwohl analog, kann man es immer noch verwenden. Man braucht dazu aber einen Adapter aus dem Elektronikmarkt“, erklärt er. „Dann kann man den Hörer auf die Gabel knallen – so wie in den alten Krimis.“ Jungen Leuten könnte das Retro-Telefon im Co-Working-Büro gefallen.

Am späten Sonntagvormittag sind sie nicht da. „Die schlafen vielleicht noch und kommen später“, lacht ein Händler aus Landsberg. Vom Verkauf könne er nicht leben, sagt er. Aber Spaß, den habe er noch. Und den werde ihm keiner nehmen.