Judenhass ist nicht einfach eine Meinung – bei Demonstrationen auf deutschen Straßen wird sie allerdings häufig so behandelt, meint unsere Kolumnistin Katja Bauer.

Stuttgart - An diesem Dienstag beginnt Chanukka. Wie es seit ein paar Jahren üblich ist, wird bei Einbruch der Dunkelheit am Brandenburger Tor das erste Licht an einem riesigen achtarmigen Leuchter angezündet. So weit, so friedlich. Bei diesem jüdischen Fest geht es, auch, ums Hoffen. Aber wer jüdisch ist, der weiß, dass die Hoffnung trügt, in diesem Land einmal friedlich, unbehelligt und beschützt leben zu können. Auf eben diesem adretten Pariser Platz, der als gute Stube der Republik gefeiert wird, brannten am Freitag mindestens zwei Davidsterne.

 

Es waren nicht die einzigen an diesem Wochenende, und es werden nicht die letzten gewesen sein. Drei Mal nutzten so genannte propalästinensische Demonstranten allein in Berlin die Versammlungsfreiheit aus, um ihrem Hass gegen die Juden freien Lauf zu lassen. Das ist schlimm genug. Schlimmer noch ist: sie konnten es tun. Die Polizei unterband lange nichts, löste nichts auf. Und sie war auch noch bei der dritten Demo am Sonntag so zurückhaltend, dass in Neukölln die nächsten Flaggen brennen konnten. Anschließend wurde mitgeteilt, die Versammlung sei „weitgehend ruhig“ abgelaufen. Aus Sicht der hasserfüllten Protestierer stimmt das auf jeden Fall.

Wenn anderswo im Land bei Demonstrationen gegen etwas protestiert wird, bei dem der Staat irgendwie empfindlich ist, dann donnert schon mal der Wasserwerferstrahl auf potenzielle Rechtsbrecher. Aber in Berlin kann auf einer Achse zwischen Holocaust-Mahnmal und dem Haus Max Liebermanns eine Demo „Tod Israel“ brüllen. Und zwei Tage später gleich noch mal, garniert mit Flaggen der islamistischen Terrororganisation Hamas.

Flaggen verbrennen heißt: Israel soll verschwinden

Berichtet und dokumentiert wurden die Vorfälle übrigens nicht zuerst von den Ordnungshütern – das blieb, wieder mal, der jüdischen Gemeinschaft überlassen. Das passt zu dem ohrenbetäubenden Schweigen derer mit politischer Verantwortung. Zwei Tage brauchte der Regierende Bürgermeister, bevor er sich zu Wort meldete und die Sache beim Namen nannte: Antisemitismus. Einen weiteren Tag später echote Merkels Regierungssprecher. Beide betonten allerdings, die Meinungsfreiheit erlaube friedliche Proteste gegen die Jerusalem-Entscheidung des US-Präsidenten Donald Trump. Und damit waren sie noch deutlich weiter als Außenminister Sigmar Gabriel, Fachmann für das Treffen des falschen Tons in Israelfragen. Aus seiner Sicht wird ein „gewaltbereiter Konflikt nach Deutschland transportiert und hier ausgetragen“.

Doppeltes Missverständnis: Am Brandenburger Tor wurde kein Konflikt ausgetragen. Menschen, die sich als Palästinenser verstehen – viele von ihnen gebürtige Berliner - standen gemeinsam mit ihren Unterstützern aus dem Erdogan-Lager ganz allein auf den Straßen und verbreiteten Judenhass. Trumps Entscheidung war ihnen nur wohlfeiler Anlass. Und auch gegen Amerika protestieren sie im eigentlichen Sinne nicht. Sie zünden keine US-Flaggen an, sondern israelische. Es gibt nur eine einzige Botschaft, die von dieser Handlung ausgeht, und die lautet: Der Staat der Juden soll verschwinden und seine Menschen auch. Wer politisch Verantwortung trägt, weiß das, muss es wissen. Es gibt schließlich genügend Wiederholungen des immerselben Ablaufs. Und eben wegen dieser Wiederholungen ist ein später artikuliertes Entsetzen keine Hilfe und kein Trost. Es ist, zunehmend, eine Ungeheuerlichkeit.