Lichtteilchen haben sonderbare Eigenschaften, die Albert Einstein fast verzweifeln ließen. Aber sie sind real und sie lassen sich nutzen. Der Physiker Anton Zeilinger setzt sie ein, um abhörsichere Kommunikation zu ermöglichen. An der Uni Stuttgart erläutert er die Grundlagen der Quantenkryptografie.

Stuttgart - Kann man die Welt des Allerkleinsten, in der die Regeln der Quantenphysik gelten, wirklich verstehen? Von Anton Zeilinger sollte man es erwarten können. Schließlich ist er Direktor eines Instituts für Quantenphysik und Quanteninformation in Wien, und er ist berühmt dafür, dass er mit den Wunderlichkeiten der Quantenwelt höchst spektakuläre Experimente macht, bis hin zur Teleportation, der Übermittlung von Information auf eine Art, die eigentlich nicht funktionieren dürfte. Außer mit Quanten.

 

Aber auch Zeilinger versuchte am Montagabend vor einem mit mehr als 800 Zuhörern besetzten Hörsaal an der Universität Stuttgart, gar nicht erst zu erklären, was verschränkte Lichtteilchen sind und wie man eine Informationsübertragung anschaulich machen kann, die Albert Einstein eine „spukhafte Fernwirkung“ genannt hat. Zeilinger sagt auf die selbst gestellte Frage, warum er in den neunziger Jahren mit seinen Experimenten begonnen hat: „Wir wollten wissen: Ist es wirklich so?“ Dieses ungläubige Erstaunen erinnert an einen Ausspruch Niels Bohr, eines der Begründer der Quantentheorie: „Denn wenn man nicht zunächst über die Quantentheorie entsetzt ist, kann man sie doch unmöglich verstanden haben.“

Dieses Entsetzen und heutige Erfolge, aus dem Rätselhaften technisch Nutzen zu ziehen, zeichnete Zeilinger in seinem Vortrag unter dem Titel „Quantenlicht: Von Einstein zur Quantenteleportation“ nach. Es war der Abschlussvortrag der diesjährigen Reihe „Physik die Wissen schafft“der Physiker der Universität Stuttgart.

Entsetzen über die Quanten

Das Entsetzen begann im Jahre 1900. Max Planck hatte, wie andere auch, nach einer Erklärung dafür gesucht, warum manche Körper, wenn sie glühen, rot leuchten, andere in allen denkbaren anderen Farben. In einem „Akt der Verzweiflung“, wie er selbst sagte, zwang er sich, versuchsweise anzunehmen, Licht bestehe aus kleinen, unteilbaren Paketen – heute nennen wir sie Quanten. Damit fand er eine Formel, die den Effekt richtig beschreibt. Er wollte es nicht glauben. Elf Jahre lang suchte er nach einer anderen Erklärung.

Es folgten die Theoretiker: Heisenberg, Schrödinger, Dirac. Sie leiteten aus der Theorie Plancks Vorhersagen ab, die dem normalen Menschenverstand bis heute widerstreben, wie etwa, dass so alltägliche Größen wie Ort und Geschwindigkeit von Elementarteilchen nur eingeschränkt gemessen werden können und dass in der atomaren Welt der Zufall eine Rolle spielt.

Fällt etwa Laserlicht aus einer Quelle durch zwei Spalte auf eine Leinwand, dann überlagern sich dort die Strahlen zu einem Muster dunkler und heller Streifen; man spricht von Interferenz. Das klappt auch, wenn man die Lichtteilchen (Photonen) schön einzeln hintereinander losschickt, so dass niemals zwei gleichzeitig auf dem Weg sind. Versucht man festzustellen, durch welchen der beiden Spalte ein Photon fliegt, ist der Streifeneffekt, die Interferenz, verschwunden, als hätte man einen der Spalte geschlossen. Die Messung verändert also das physikalische Ergebnis. Zeilinger sagt es so: Die Interferenz tritt nur auf, wenn Information darüber, wie das einzelne Photon geflogen ist, nicht vorhanden und auch theoretisch nicht zu bekommen ist. In der atomaren Welt gibt es demnach Zonen, in denen „objektives Nichtwissen“ (Zeilinger) sich in physikalisch messbaren Effekten niederschlägt.

Streit der Physikgiganten

Zeilinger warnt vor dem häufigen Fehler anzunehmen, ein Lichtteilchen gehe eben durch beide Spalte zugleich. Das sei falsch. Wie es fliege, sei unbekannt. Das sei entscheidend. Hier kommt der Zufall in die Physik: „Wo ein einzelnes Teilchen landet, dafür gibt es keinerlei Erklärung.“ Und zwar grundsätzlich, nicht, weil die Physiker es heute noch nicht herausfinden können. Nur in der Summe vieler Teilchen entsteht das Streifenmuster – als Ergebnis millionenfachen, nicht auflösbaren Zufalls.

Albert Einstein gehörte zu denen, die, wie Planck, nicht glauben wollten, dass im Allerkleinsten der Welt plötzlich ganz andere Regeln gelten sollten. Er führte heftige Streitgespräche mit dem Protagonisten der neuen Theorie, Niels Bohr. Mit Experimenten, die damals noch nicht möglich waren, weshalb sie Gedankenexperimente genannt wurden, wies Einstein scharfsinnig auf seiner Meinung nach absurde Konsequenzen hin. Doch alle diese Konsequenzen lassen sich heute bestätigen, denn seit den siebziger Jahren gelang es, viele dieser Gedankenexperimente im Labor zu überprüfen. Zeilinger sagt: Am Ende gewann immer Bohr. Und am Ende gewinnt auch die Technik. Quantenkryptografie, die Verschlüsselung mit Hilfe der Quanten, ist heute machbar und nutzt Effekte, die es nur in der Quantenwelt gibt.

Einen seiner wichtigsten Einwände machte Einstein 1935 zusammen mit Boris Podolski und Nathan Rosen. Mit ihrem „EPR-Paradoxon“ griffen sie die Aussage der Quantenphysik an, dass zwei Elementarteilchen, die einmal miteinander in Wechselwirkung gestanden haben, etwa bei einer Kollision, danach miteinander verbunden bleiben. Ihr österreichischer Kollege Erwin Schrödinger nannte diese Verbundenheit „Verschränkung“. Sie führt dazu, so Zeilinger, dass eine Änderung an dem einen Teilchen unmittelbar und ohne Zeitverzug zu einer damit zusammenhängenden Änderung an dem anderen führt, auch wenn sie weit voneinander entfernt sind. Dies war es, was Einstein „spukhafte Fernwirkung“ nannte.

Beamen leicht gemacht

Heute gilt durch Experimente gesichert, dass die beiden Teilchen keinen versteckten Informationsaustausch betreiben oder Informationen enthalten, die bisher unbekannt waren. Zeilinger und seine Mitarbeiter haben es ausprobiert: Wenn man auf ein Teilchen eines verschränkten Paares eine Information überträgt, „dann weiß ich, dass auch das andere diese Information hat“. Teleportation funktioniert. Zusammen mit der Europäischen Raumfahrtagentur (Esa) haben die Wiener Physiker zwischen La Palma und Teneriffa über 144 Kilometer die Verschränkung zweiter Lichtteilchen (Photonen) messen können. In Wien gelang es, über die Dächer der Stadt hinweg über drei Kilometer Entfernung mit diesem Verfahren Schwarz-Weiß-Fotos zu übertragen.

Die Übertragungsstrecke, so erzählt Zeilinger, verlief über das Dach der US-Botschaft in Wien. Deshalb hätten seine Mitarbeiter sich nicht verkneifen können, ein weiteres Foto zu übertragen. Und er zeigt das pixelige Schwarz-Weiß-Bild: Es war Edward Snowden, der frühere Mitarbeiter des US-Geheimdienstes NSA.