Mit seinem Antrag, den nächsten Kanzlerkandidaten der Christdemokraten durch eine Mitgliederbefragung zu bestimmen, betritt der Esslinger Kreisverband Neuland. Die Reaktionen auf den Vorschlag zum Bundesparteitag fallen zwiespältig aus.

Esslingen - Der Esslinger CDU-Kreisverband hat beantragt, den nächsten Kanzlerkandidaten der Partei durch eine bundesweite Mitgliederbefragung zu bestimmen. Es ist der erste Vorstoß dieser Art durch einen Kreisverband der Christdemokraten. Mit diesem Vorschlag zum Bundesparteitag, der am 22. und 23. November in Leipzig über die Bühne gehen wird, liegt die CDU im Kreis Esslingen auf einer Linie mit der Jungen Union, die die K-Frage per Urwahl beantworten möchte. Innerhalb der Partei gibt es dazu unterschiedliche Ansichten.

 

Der Zeitpunkt dieses Vorstoßes kommt nicht von ungefähr: Noch ist unklar, wen die CDU in zwei Jahren als Kanzlerkandidaten ins Rennen schickt. Nach Ansicht des Esslinger Kreisverbandes sollten die Mitglieder bei der Entscheidung, wer als Nachfolger von Angela Merkel in Frage kommen könnte, eingebunden werden. Das sei freilich ungewöhnlich, sagt Thaddäus Kunzmann, der CDU-Kreisvorsitzende. Aber der frühzeitige Verzicht Merkels auf eine erneute Kandidatur ergebe nach 20 Jahren eine andere Konstellation. „Damit steht alles bei Null“, so Kunzmann.

„Nicht mehr zeitgemäß“

Nun könne die Auswahl eines Kanzlerkandidaten anders, seiner Ansicht nach gerechter, gelöst werden: „Nicht in der Bundestagsfraktion und nicht am Frühstückstisch bei Edmund Stoiber.“ Der 55-Jährige nennt es die „Weiße-Rauch-Lösung“, wenn am nächsten Tag in der Zeitung zu lesen sei, wer hinter verschlossenen Türen zum Kandidaten erkoren wurde. Das sei „nicht mehr zeitgemäß“, erklären die Antragsteller, schon gar nicht für eine CDU, die sich als „Mitmachpartei“ definiere, die „jedem Mitglied unmittelbare Beteiligungsrechte“ einräume.

Da jetzt die Diskussion um die Spitzenkandidatur anstehe, könne die CDU beweisen, „dass wir dieses Selbstverständnis ernst nehmen und unsere Mitglieder in diese zentrale Frage für die Zukunft unserer Partei und unseres Landes unmittelbar einbinden“, heißt es in dem Antrag weiter. Rechtlich stünde dem Prozedere offenbar nichts im Wege: Laut den Statuten der CDU sind Mitgliederbefragungen auch in Personalfragen statthaft.

In dem vom Kreisvorstand mit großer Mehrheit befürworteten Antrag aus Esslingen heißt es weiter, die Schwesterpartei CSU solle im Falle mehrerer Kandidaten zu einer gemeinsamen Mitgliederbefragung aufgefordert werden. Dass deren Chef Markus Söder dies am vergangenen Wochenende abgelehnt hat, ficht Thaddäus Kunzmann nicht an. Schnell sei man dabei, etwas abzulehnen, aber „wir sind offen für andere Vorschläge“.

Unterschiedliche Sichtweise möglicher Kandidaten

Von potenziellen Kandidaten wird das Ansinnen an der Basis unterschiedlich beurteilt. Während die CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer dieses ablehnt, hält es der Ex-Unions-Fraktionschef Friedrich Merz „grundsätzlich für eine gute Idee, die Mitglieder an Entscheidungen von großer inhaltlicher Tragweite zu beteiligen“, wie er der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ sagte. Die unterschiedliche Sichtweise der möglichen Kanzleranwärter verwundert nicht. Innerhalb der Union wird eine Urwahl als Versuch gewertet, Kramp-Karrenbauer als Kanzlerkandidatin zu verhindern, um einen anderen Bewerber auf die Poleposition zu hieven – beispielsweise Merz. Die CDU in Berlin will sich derzeit nicht zu dem Thema äußern, wie eine Parteisprecherin auf Anfrage erklärte. Man wolle der Antragskommission nicht vorgreifen. Diese befasse sich zunächst mit dem Kreisverbandsantrag, um ihn dann zu bewerten.