Der Antriebsspezialist Atlanta in Bietigheim-Bissingen sucht einen neuen Firmensitz und findet ihn in einem Gewerbepark im Nachbarort. Bietigheim nimmt es mit einem lachenden und einem weinenden Auge.

Ingersheim - Die Atlanta Antriebssysteme E. Seidenspinner GmbH & Co. KG will weiter an der Weltspitze bleiben – und dafür ist ihr der Stadtteil Bissingen in Bietigheim-Bissingen (Kreis Ludwigsburg) zu klein geworden. Drei Werke hat der Antriebsspezialist dort, sie alle liegen zwar dicht beieinander. Und trotzdem ist die Logistik täglich eine Herausforderung, wie der Geschäftsführer Klaus Jäger erklärt: „Wir fahren Tonnen von Stahl im Kreis herum.“

 

So pendeln die Fahrzeuge vom Werk für Einzelteile in der Nähe des Bahnhofs zu den beiden Werken in der Nähe der Dürr AG, wo Atlanta Zahnstangen baut und sich der Versand, die Härterei und die Ausbildungsstätte der Firma befinden. Das ist zwar nur einen Kilometer Luftlinie voneinander entfernt, für den Geschäftsführer Klaus Jäger ist dies dennoch keine Zukunftsperspektive. Und schon gar keine Ausgangsbasis, um an der Weltmarktspitze zu bleiben. Deswegen stellte er zusammen mit dem Architekten Falko Paul am Dienstag seine Umzugsabsichten und Pläne im Gemeinderat Ingersheim vor.

300 Beschäftigte, 50 Millionen Umsatz

Jäger präsentierte Atlanta als bodenständiges Unternehmen mit 300 Beschäftigten, rund 50 Millionen Euro Umsatz und 5000 aktiven Kunden weltweit. Atlanta baut Antriebstechnik für Flugzeuge sowie für die Möbel- und Fertighausproduktion. Für die Dürr AG baue man exklusiv eine Handachse für Lackierroboter, so Jäger. Hinzu komme das neue Geschäftsfeld Robotics mit Leichtbaurobotern, die so viel können wie ein Mensch, aber auch Hubsysteme für den 3-D-Druck – für Jäger ein neuer Markt in Millionenhöhe.

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Um die Position als Weltmarktführer von Zahnstangen – also dem Konterpart zu Zahnrädern – zu festigen und auszubauen, aber auch um neue Produkte auf die Füße zu stellen und die Logistik zu vereinfachen, machte man sich auf die Suche nach einem entsprechenden Gelände. Fündig wurde man in Ingersheim. Dafür habe es mehrere Gründe gegeben, so Jäger: den exzellenten Standort, die perfekte Infrastruktur und die regionale Verbundenheit.

Gemeinderäte kritisieren zunehmenden Lkw-Verkehr

Was auf der rund 20 000 Quadratmeter großen Fläche im Gewerbepark Bietigheimer Weg gebaut werden soll, deren Verkauf per Beschluss nun in die Wege geleitet wurde, erläuterte der Architekt Falko Paul. So ist auf dem Gelände am südlichen Teil des Gewerbegebiets eine längliche, zweigeschossige Halle mit 5500 Quadratmetern geplant. Ein Bürogebäude mit 2500 Quadratmetern soll als „Kopfbau“ dienen. Da das Gelände leicht abfalle, wolle man die Halle, die am höchsten Punkt 15 Meter messen soll, so tief wie möglich in den Boden bauen. Hinzu kommen eine Umfahrt auf dem Werksgelände und 100 Stellplätze.

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Die Gemeinderäte zeigten sich von den Plänen zum größten Teil beeindruckt. Kritik kam aus den Reihen der Wählervereinigungen MiT und WIR – vor allem bezogen auf den erwartbaren Lkw-Verkehr. In der Regel sollen kleine Sprinter und maximal sieben Lastwagen am Tag den neuen Firmenstandort anfahren, antworteten die Planer.

Was passiert mit den Hallen in Bietigheim?

Nicht thematisiert wurde die Zukunft der Atlanta-Hallen in Bietigheim-Bissingen. Bei diesem Thema unterband der Bürgermeister Volker Godel (FDP) die Diskussion – man spreche nicht über die Liegenschaften in anderen Kommunen. Für Bietigheim-Bissingen dürfte sich der Wegzug allerdings nur wie ein halber Verlust anfühlen: Die Kommune teilt sich das Gewerbegebiet Bietigheimer Weg und damit auch die Gewerbesteuereinnahmen mit Ingersheim im Verhältnis 40 zu 60.

Bietigheim-Bissingens Oberbürgermeister Jürgen Kessing (SPD) ist nicht überrascht von den Umzugsplänen. Die Firma habe schon länger größere Flächen gesucht, und man habe die schlechte Nachricht überbringen müssen, „dass wir in dieser Größenordnung nichts anbieten konnten“. Kessing ist jedoch froh, dass es gelungen ist, das Unternehmen mit dem Bietigheimer Weg doch noch zu halten. „Das ist nur ein kleiner Umzug und auch für die Mitarbeiter ein zumutbarer Weg.“ Positiv sei auch, dass nach dem Umzug die Lkw-Fahrten innerorts abnehmen würden. Wie die bisherigen Hallen künftig genutzt werden, kann Kessing noch nicht sagen. „Aber es wird sehr wahrscheinlich wieder Gewerbe einziehen.“

Atlanta-Chef rechnet mit neuem Auftrieb für den Maschinenbau

Am Ende stimmten in Ingersheim elf Räte mit Ja für den Grundstücksverkauf an Atlanta, fünf mit Nein. Der Satzungsbeschluss soll laut Bürgermeister Godel im Spätsommer 2020 fallen. Ein guter Zeitpunkt, wie Atlanta-Chef Jäger sagte: Für einen neuen Produktionsplan benötige man rund ein Jahr Zeit. Und bis Mitte 2020 rechne er wieder mit neuem Auftrieb im Maschinenbau.