Der frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz plant sein Comeback. Am Dienstag gab er seine Bewerbung um den CDU-Vorsitz in Berlin bekannt. Kanzlerin Angela Merkel dürfte ihm den Weg jedoch versperren wollen.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Der Mann beflügelt die politischen Phantasien wie derzeit kein anderer – selbst an den Börsen. Dabei hat er sich noch nicht einmal offiziell erklärt. Friedrich Merz will offenbar für den CDU-Vorsitz kandidieren. Noch an diesem Dienstag möchte der Sauerländer seine Bewerbung um den CDU-Vorsitz in Berlin begründen, heißt es in Medienberichten.

 

Gegenüber Vertrauten hatte der 62-Jährige am Montag geäußert, er sei bereit, „sich der Verantwortung zu stellen“, wenn die Partei das möchte, hieß es nur Stunden nach der Ankündigung von Angela Merkel, auf dem Parteitag im Dezember nicht mehr anzutreten – als habe da jemand auf ihr Signal gewartet.

Mittelstandskreis zeigt sich erwartungsfroh

Zwar mögen etliche CDU-Spitzenpolitiker seine mögliche Kandidatur bisher nicht kommentieren, weil sie am Ende nicht auf der Seite der Verlierer stehen wollen. Doch es gibt auch schon offenen Zuspruch für den wertkonservativen Juristen, der seinerzeit eine Debatte über die deutsche Leitkultur befeuert hatte. Der CDU-Abgeordnete Christian von Stetten aus Schwäbisch Hall sagte der „Passauer Neuen Presse“, Merz könne „der CDU den Ruck geben, der dringend notwendig ist“. Er sei „der Richtige, um der CDU, ihren Mitgliedern und ihren Anhängern den Stolz zurückzugeben, der in den vergangenen Jahren verloren gegangen ist“, lobte der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand der Bundestagsfraktion.

„Es wäre natürlich sehr wünschenswert und zu begrüßen, wenn Friedrich Merz sich als Parteivorsitzender der CDU zur Verfügung stellen würde“, sagte der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrates, Wolfgang Steiger. „Es braucht ein inhaltliches und personelles Gesamtangebot, das die CDU wieder zu einer erfolgreichen Volkspartei macht, die mit allen Flügeln glaubwürdig fliegen kann.“ Merz habe als Fraktionschef immer alle verschiedenen innerparteilichen Positionen „gut integriert“. Umgekehrt meldeten sich auch parteiinterne Gegner zu Wort. Einen „Mann von gestern“ nannte ihn die Stuttgarter CDU-Abgeordnete Karin Maag. Und Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans moserte, Merz stehe „nicht wirklich“ für Erneuerung.

Kein gutes Zeichen für die große Koalition

Merz polarisiert wie damals – als er die Steuererklärung mit drei Steuerstufen auf Bierdeckel-Umfang verkleinern wollte. Für die SPD wiederum wäre Merz als CDU-Chef eine Chance. Ganz sicher würde er die von Merkel forcierte Sozialdemokratisierung der Christdemokraten ein Stück weit zurückdrehen, sodass sich die SPD neben ihm wieder als Partei des sozialen Ausgleichs profilieren könnte. Die große Koalition wäre dann womöglich rasch zu Ende – Neuwahlen inklusive. „Wenn ein Finanzhai wie Friedrich Merz die Nachfolge Merkels antreten würde, sähe ich noch schwärzer für GroKo“, twitterte der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach. „Damit wäre jede Verbesserung der Steuergerechtigkeit in Deutschland wohl tot.“

An Merkel einst gescheitert

Für Merkel wäre seine Wahl zum Vorsitzenden die größtmögliche Demütigung in der Endphase ihrer Kanzlerschaft, die sie dann wohl nicht wie geplant bis 2021 vollenden könnte. Daher wird sie wohl einiges in Bewegung setzen, um dem früheren Widersacher den Weg an die Parteispitze zu verbauen und ihrer Favoritin Annegret Kramp-Karrenbauer alle Chancen zu erhalten. Sie hat sich Merz schon einmal erfolgreich in den Weg gestellt: Als sie nach der Bundestagswahl 2002 den Fraktionsvorsitz für sich beanspruchte, wurde Merz zum Fraktionsvize degradiert. Zwei Jahre später zog er sich frustriert aus dem Amt zurück – und 2009 auch aus der Politik, um zunächst wieder als Rechtsanwalt zu arbeiten.

Seither hatte er kein politisches Amt mehr inne, abgesehen von seiner Mitarbeit in der Parteikommission „Zusammenhalt stärken – Zukunft der Bürgergesellschaft gestalten“. Seine Tätigkeiten koordiniert Merz aus einem unscheinbaren weißen Bürogebäude im sauerländischen Arnsberg heraus – mitten in seinem früheren Wahlkreis. Im Frühjahr hat ihn die nordrhein-westfälische Landesregierung zudem zum „Beauftragten für die Folgen des Brexit und die transatlantischen Beziehungen“ erhoben. In dieser Funktion soll er als Vermittler für die britischen Unternehmen agieren sowie für den Standort NRW werben. Ferner steht er noch der überparteilichen Atlantik-Brücke vor.

Lobbyist des weltweit größten Vermögensverwalters

In der Wirtschaft ist der Sauerländer bestens vernetzt. Einer Vielzahl von namhaften Unternehmen hat er schon gedient: in internationalen Rechtsanwaltskanzleien, in Aufsichtsräten und Verwaltungsräten. Im Dezember 2017 wurde Merz zum Aufsichtsratschef des Köln-Bonner Flughafens gewählt. Zudem leitet er das Aufsichtsratsgremium beim deutschen Ableger des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock. Diese amerikanische Fondsgesellschaft verwaltet ein Billionenvermögen und gilt mit ihren Fondsbeteiligungen an den 30 Dax-Unternehmen als größter Einzelaktionär an der Deutschen Börse. Blackrock wird daher auch auch ein enormer politischer Einfluss als größte Schattenbank der Welt zugeschrieben.

Kann ein lupenreiner Lobbyist der Wirtschaft, der die Parteichefin in der Zwischenzeit immer wieder von der Seitenlinie aus kritisiert hat, Vorsitzender der christdemokratischen Partei werden? Das ist unwahrscheinlich, zumal ein anderer Konservativer aus demselben Landesverband, Jens Spahn nämlich, seine Ambitionen schon offiziell erklärt hat. Träten sie gegeneinander an, würden beide ihre Chancen schmälern. Aus Düsseldorf meldete sich zudem Ministerpräsident Armin Laschet zu Wort: Er würde gerne erst einmal eine politische Richtungsentscheidung herbeiführen wollen, dann könne man über Kandidaturen reden, sagte er. Auch dies lässt sich als Stoppsignal für ein Comeback von Friedrich Merz werten.