Ob ein Gebiet Wohn- oder Mischgebiet ist, hat für dessen Bewohner große Bedeutung. Vor allem, wenn es an Hauptverkehrsstraßen oder Bahnstrecken grenzt. Das zeigt sich im Fall des Bahnanrainers Thomas Herwig.

Korntal-Münchingen - Thomas Herwig aus Korntal-Münchingen wartet. So lange die Richter nicht über sein Anliegen entschieden haben, sind ihm die Hände gebunden. Das freilich ist nur seine Sichtweise im Streit mit dem Land um Lärmschutz entlang der Bahngleise in Korntal. Der Zweckverband Strohgäubahn – also der Landkreis und die Anrainerkommunen der Strohgäubahn – sehen das anders. Dieser hatte im November die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim zufrieden zu Kenntnis genommen: Die Richter hatten ihre Position bestätigt. Denn sie stuften das Viertel, in dem Herwig wohnt, als Gewerbegebiet ein.

 

Herwig kritisierte das Urteils in mehreren Punkten. Unter anderem seien nächtliche Rangierfahrten nach wie vor nicht berücksichtigt. Diese Fahrten stellen laut Herwig aber eine entscheidende Lärmquelle dar, die einen umfassenderen Schutz nicht nur für ihn, sondern für zahlreiche Anwohner erforderlich mache.

Die stete Frage nach Lärmschutz

Revision hatten die Richter nicht zugelassen. Mit einer Nichtzulassungsbeschwerde will sich Herwig dennoch die Fortsetzung der juristischen Auseinandersetzung eröffnen. Die Entscheidung des Revisionsgerichts steht aus.

Ganz gleich in welcher Instanz Land und Herwig bisher aufeinandertrafen – im Kern ging es immer um dieselbe Frage: Hat Herwig ein Anrecht auf Lärmschutz an seinem Anwesen in unmittelbarer Nähe zur Werkstatt der Strohgäubahn?

In der juristischen Auseinandersetzung ist dabei von entscheidender Bedeutung, ob Herwigs Anwesen in einem Misch- oder Gewerbegebiet liegt. Denn diese Eingruppierung entscheidet über die Lärmgrenzwerte tags und nachts. Die Grenzwerte sind in einem Gewerbegebiet höher, in einem Mischgebiet, in dem Wohnen und Arbeit zulässig ist, niedriger. Im Zweifel müssen die Bürger vom Verursacher – hier also vom Zweckverband – geschützt werden.

Ein undefiniertes Gebiet?

In Herwigs Fall argumentiert der Zweckverband stets, das Anwesen liege in einem Gewerbegebiet. Unabhängig davon, ob Wohnen dort dann überhaupt erlaubt sei, sei sein Anwesen nicht wie in einem Mischgebiet schutzbedürftig. Herwig und etliche Anwohner widersprechen. Sie verweisen auf die Wohngebäude. Auch das älteste Haus im Viertel ist ein Wohngebäude. „Das Gebiet ist nie als Gewerbegebiet definiert worden. Die Stadt tut aber so“, kritisiert auch der Immobilienbesitzer Siegfried Bosch. Er erinnert sich an eine entsprechende Initiative der Stadt vor einigen Jahren. Damals habe die Verwaltung das gewachsene Gebiet zum Gewerbegebiet machen wollen. „Alle Nachbarn waren sich einig, dass sie es nicht wollen“, sagt Bosch. Der Rat erließ eine Veränderungssperre. „Seitdem ist nichts passiert. Es ist ein undefiniertes Gebiet.“

So sehr die Verwaltung im Fall Herwig auf das Gewerbegebiet pocht: Bei der Diskussion über einen besseren Lärmschutz nur wenige Meter entfernt hätten die Bürger bei einer anderen Gebietseinteilung bessere Chancen auf einen freiwilligen Lärmschutz der Bahn. In diesem Fall wiederum sind dem Bürgermeister Joachim Wolf die Hände gebunden: „Wir müssen den Charakter eines Gewerbegebiets zu Kenntnis nehmen, auch wenn er uns im Umkehrschluss zum Nachteil gereicht.“

Komplexe Gemengelage im Ortsteil Korntal