Zwei Anwohner am Neckartor erstatten Strafanzeige wegen der hohen Feinstaubwerte. Sie werfen OB Fritz Kuhn und Regierungspräsident Wolfgang Reimer vor, nichts gegen die in den vergangenen Tagen deutlich gestiegenen Werte zu unternehmen.

Stuttgart - Die Feinstaubbelastung in der Landeshauptstadt steigt momentan auf bisher nicht gekannte Höhen: Am Neckartor sind am Wochenende mit 134 Mikrogramm so hohe Werte wie noch nie außerhalb von Silvester gemessen worden, am Montag ist mit 150 Mikrogramm zu rechnen. Aber auch an einer Reverenzstelle für die sogenannte Hintergrundbelastung in Bad Cannstatt klettern die 24-Stunden-Mittelwerte seit Anfang vergangenen Woche stetig nach oben – mittlerweile sind mehr als 100 Mikrogramm erreicht.

 

Diese hohe Belastung befeuert auch die Debatte – sowohl politisch als auch rechtlich. Zwei Anwohner am Neckartor haben am Montagnachmittag wegen der hohen Feinstaubbelastung am Montagnachmittag Strafanzeige erstattet gegen Oberbürgermeister Fritz Kuhn und Regierungspräsident Wolfgang Reimer. Sie werfen den beiden Grünen-Politikern Körperverletzung mit Todesfolge und unterlassene Hilfeleistung, heißt es in einer Pressemitteilung der Bürgerinitiative Neckartor.

Die Anzeigeerstatter begründen ihr Vorgehen mit Paragraf 45 der Straßenverkehrsordnung, wonach Straßenverkehrsbehörden das Recht haben, die „Benutzung bestimmter Straßen und Straßenstrecken . . . zu beschränken oder zu verbieten und den Verkehr umzuleiten . . . zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen“.

Grenzwert im vorigen Jahr an 63 Tagen überschritten

Am Neckartor, an dem im vergangenen Jahr an 63 Tagen der Feinstaubgrenzwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter überschritten worden war (erlaubt sind 35 Tage), werden seit Anfang vergangener Woche wieder stark erhöhte Werte gemessen. „Die Schadstoffwerte in ganz Stuttgart haben eine Dimension erreicht, die von Experten als ‚besorgniserregend’ bezeichnet wird, ohne dass die Angezeigten geeignete Maßnahmen ergreifen, diese Zustand zu beenden.“ Die EU-Richtlinien müssten seit 2001 eingehalten werden, würden in Stuttgart aber nicht umgesetzt, wird in der Strafanzeige argumentiert. Dabei sei laut Umweltbundesamt erwiesen, dass jährliche mehrere Tausend Menschen an den Folgen der hohen Feinstaubbelastung sterben.

Deshalb hätten Kuhn und Reimer die gesetzliche Pflicht, die Bevölkerung vor den Gefahren der Luftverschmutzung zu schützen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Der Feinstaubalarm auf freiwilliger Basis habe sich nicht als erfolgreich erwiesen. Die Straßenverkehrsordnung biete aber genügend rechtliche Handhabe, „um zum Beispiel durch Fahrverbote die Atemluft sofort zu verbessern.“ Dass Stadt und Land bis 2018 Fahrverbote ausgeschlossen habe, „schädigt fortgesetzt die Gesundheit aller Stuttgarterinnen und Stuttgarter sowie die Gesundheit aller Autofahrerinnen und Autofahrer, die aus dem Umland nach Stuttgart trotz Feinstaubalarms einfahren.“

Oberbürgermeister Fritz Kuhn, der momentan mit Ministerpräsident Kretschmann auf einer Delegationsreise in Indien ist, erklärte, man sehe „der pressewirksam angekündigten Strafanzeige gelassen entgegen. „Es wurde von Stadt und Land noch nie soviel für saubere Luft und gegen Feinstaub und Stickoxide getan wie in den vergangenen Jahren“, sagte Kuhn. Auch ein Sprecher des Regierungspräsidenten Reimer verwies auf die Maßnahmen des Luftreinhalteplans, der momentan fortgeschrieben werde. Zur Anzeige direkt wolle man sich nicht äußern.

Der Feinstaubalarm gilt seit Montag, 16. Januar, und wird aufgrund der austauscharmen Inversions-Wetterlage wohl noch bis zum Ende dieser Woche dauern. Möglichweise sogar noch länger, da sich das für das ruhige Wetter verantwortliche Winter-Hoch sich zwar leicht nach Osten verlagert, aber grundsätzlich erhalten bleibt. „Die Feinstaub-Werte können auf Grund der Wetterlage auch länger über 150 liegen“, sagt dazu Klaus Riedl, Meteorologe beim Deutsche n Wetterdienst in Stuttgart.