Der Bundesgerichtshof entscheidet in den kommenden Wochen darüber, ob Apotheken zu verschreibungspflichtigen Medikamenten weiterhin Zugaben geben dürfen. Frei verkäufliche Arznei bleibt davon unberührt.

Bad Cannstatt - Man ist verschnupft, der Hals kratzt, der Husten ist trocken und der Kopf dröhnt – die Erkältung hat wieder zugeschlagen. Für viele heißt das, ab zum Arzt und danach in die Apotheke, um sich mit einem Rezept wohltuende Medikamente zu besorgen. Die Mitarbeiter geben die Arznei über die Theke, wünschen gute Besserung und als kleine Aufmunterung gibt es noch Taschentücher oder Hustenbonbons obendrauf. Diese Art der Zugabe könnte bei rezeptpflichtigen Medikamenten bald Geschichte sein. In wenigen Wochen wird ein Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) zum Thema erwartet.

 

Zwei richtungsweisende Urteile

Doch warum ist das so und wie gehen Cannstatter Apotheken damit um? Rezeptpflichtige Medikamente unterliegen der Preisbindung. Das heißt, sie müssen in jeder Apotheke gleich viel kosten. Die Geschäfte dürfen sich also nicht gegenseitig bei ihren Preisen unterbieten. Auch nicht durch kleine Geschenke. Im kommenden BGH-Urteil geht es um zwei Fälle. So wurde in Darmstadt 2014 zur Arznei ein Brötchen-Gutschein im Wert von 30 Cent gereicht. In Berlin gab es zu den Medikamenten, einen Ein-Euro-Einkaufsgutschein. Vor Jahren hatte das Bundesgericht noch geurteilt, dass Kleinigkeiten, die unter einem Euro kosten, verschenkt werden dürfen – trotz Preisbindung. Inzwischen wurde diese Regelung aber wieder verschärft. In der Gesetzesbegründung heißt es: „Der Verbraucher soll in keinem Fall durch die Aussicht auf Zugaben und Werbegaben unsachlich beeinflusst werden.“

Landesapothekerkammer begrüßt Verbot

Die Landesapothekerkammer würde ein Verbot von Geschenken zu rezeptpflichtigen Medikamenten begrüßen: „Die bestehenden umfangreichen Gesetze im Arzneimittelbereich, dazu gehören unter anderem auch die Gleichpreisigkeit und Arzneimittelpreisbindung bei rezeptpflichtigen Medikamenten, sind zum Schutz jedes einzelnen Patienten erlassen worden. Wären diese Gesetze nicht, könnte dies zum Beispiel bei Lieferschwierigkeiten zu überhöhten Preisen im Arzneimittelbereich und im gesamten Gesundheitswesen führen“, so Präsident Günther Hanke. Die Kammer verweist darauf, dass nicht rezeptpflichtige Medikamente von der Regelung ausgenommen seien. Somit dürfe dort weiter mit Zugaben gearbeitet werden. Die Taschentücher zum Nasenspray wird es also weiterhin geben. Was als Geschenk infrage komme, liege laut Apothekerkammer im Ermessen der einzelnen Läden. „Dazu gehört aber sicher nicht ein Brötchen oder Gutschein“, so der Apothekervertreter.

Keine Bestechung aus Sicht der Apotheker

In der Cannstatter Scarabeus- Apotheke stößt das Thema eher auf Ablehnung und Verwirrung. „Der geringfügige Wert der Geschenke fällt für mich nicht unter Bestechung oder Ähnliches“, sagt ein Mitarbeiter. Für die Kundenbindung sei ein Verbot eher semi-optimal, da die Kunden – auch rezeptpflichtiger Medikamente – vor allem ein Päckchen Taschentücher in der Grippezeit gerne mögen würden. Dies bestätigt auch eine Kundin, für die die kleinen Aufmerksamkeiten zum Charme einer Apotheke gehören. Die Scarabeus Apotheke bietet ihren Kunden zum Beispiel Brillenputztücher, Pulver für eine heiße Zitrone, Bonbons oder die klassische Taschentuch-Packung.

Für Bernard Klar von der Quellenapotheke in der König-Karl-Straße sind die kleinen Zugaben nur unter einem Preis von einem Euro zu stemmen. „Würden wir mehr dafür ausgeben, wird es schon eng mit der Marge.“ Er gibt seinen Kunden zurzeit ostereierförmige Kerzen oder die klassischen Taschentücher mit nach Hause.

Was in den Gesprächen mit Apothekern als weitaus größeres Problem herauskam, war die Nicht-Preisbindung von ausländischen Online-Apotheken.