Klimaaktivisten der Letzten Generation versprechen, ihre Aktionen in Baden-Württemberg einzustellen. Im Gegenzug fordern sie von den Oberbürgermeistern mehr Einsatz für den Klimaschutz.

Ginge es nach den Klimaaktivisten der Protestbewegung Letzte Generation, könnte es in süddeutschen Städten ähnlich laufen wie jüngst in Hannover. Nachdem der dortige Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) auf die Aktivisten zugegangen war, gaben diese bekannt, ihre Protestaktionen einstellen zu wollen. Im Gegenzug schloss sich Onay den Forderungen der Letzten Generation an.

 

Nach Gesprächen zwischen Vertretern der Stadt und den Aktivisten schrieb er einen Brief an die Bundestagsfraktionen, in dem er sich für eine Wiederauflage des 9-Euro-Tickets im ÖPNV, ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen und die Gründung von Bürgerräten starkmachte. Die Letzte Generation verbuchte die Einigung als Erfolg und appellierte an alle Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in Deutschland, sich an der Stadt Hannover ein Beispiel zu nehmen.

Aktivist bezeichnet Letzte Generation als bürgerliche Bewegung

„Wir sind keine Extremisten. Wir wollen die Politik nicht schlecht aussehen lassen, sondern die Funktionsträger zu verantwortungsvollem politischem Handeln bewegen. Selbstverständlich sind wir für Gespräche offen“, sagt Markus Ott, der sich regelmäßig an Aktionen in Stuttgart und Ludwigsburg beteiligt. Die Letzte Generation protestiere nicht aus Spaß, sondern weil sie etwas bewirken wolle.

„Wir sind eine bürgerliche Bewegung. Wir hoffen, dass sich möglichst viele gesellschaftliche Akteure wie beispielsweise die Kirchen und Gewerkschaften unseren Forderungen anschließen und sich hinter dem gemeinsamen Ziel des Klimaschutzes versammeln. Nur so können wir die Politik verändern.“ Die Einigung mit Belit Onay bezeichnet Ott als einen Meilenstein.

Letzte Generation setzt auf Bürgermeisterinnen und Bürgermeister

Auch für Moritz Riedacher, Sprecher der Widerstandsgruppe in Stuttgart, hat die Einigung in Hannover Modellcharakter. „Unser Ziel ist es, auch in Südwestdeutschland in möglichst vielen Städten zu ähnlichen Einigungen zu gelangen wie in Hannover“, sagt er. Riedacher setzt auf eine Doppelstrategie: Einerseits möchte er durch Straßenblockaden den Druck auf örtliche Funktionsträger erhöhen. Andererseits will er mit Bürgermeistern im ganzen Land ins Gespräch kommen, um sie von den Zielen der Bewegung zu überzeugen. „Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sind in der Lage, auf die Bundespolitik genügend Druck auszuüben, damit es endlich zu Fortschritten in der Klimaschutzpolitik kommt.“ Um dieses Ziel zu erreichen, konzentriere sich die Protestbewegung mit ihren Aktionen nicht mehr nur auf die Großstädte, sondern wolle nun auch vermehrt in Kleinstädten Straßenblockaden errichten. Bei einer Aktion in Ludwigsburg am Dienstag griff die Polizei ein, bevor sich die Aktivisten auf der Bundesstraße festkleben konnten.

Frank Nopper möchte sich nicht erpressen lassen

Ob die Aktivisten mit ihrer Strategie Erfolg haben, ist fraglich. „Für Gespräche bin ich grundsätzlich offen. Für Gegengeschäfte – politische Forderungen an den Bund gegen Stillhalten der sogenannten Letzten Generation – aber nicht“, teilte Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) auf Anfrage mit. Es setze sich dafür ein, die Stadtgesellschaft mitzunehmen, statt zu polarisieren.

Auch Matthias Knecht (parteilos), Oberbürgermeister in Ludwigsburg, möchte sich nicht erpressen lassen. Zwar hält er gewisse Anliegen der Bewegung wie die Förderung des ÖPNV und weniger Autoverkehr in den Städten für gerechtfertigt. Allerdings heilige der Zweck nicht die Mittel: „Dort, wo Bürgerinnen und Bürger in der Ausübung ihrer privaten oder dienstlichen Tätigkeiten gestört werden und geltendes Recht verletzt wird, hat unser Verständnis Grenzen.“ Auch Knecht wirft der Letzten Generation vor, sie trage zur Spaltung der Gesellschaft bei. Die Aktionen der Klimabewegung führten zu „Unverständnis inmitten der Gesellschaft, wo Meinungen oft nicht so weit auseinanderliegen, wie es die Aktivisten annehmen“. Gespräche mit der Letzten Generation hält der Ludwigsburger Oberbürgermeister nur unter der Voraussetzung für denkbar, dass „beide Seiten konstruktiv an einer Lösung für die Stadt Ludwigsburg arbeiten, die Kompromisse erfordert und trotzdem im Ergebnis Akzeptanz findet“.

Gemeindetag Baden-Württemberg will sich zu dem Thema nicht äußern

So wie Stuttgart und Ludwigsburg äußerten sich auch andere Gemeinden in Baden-Württemberg im Hinblick auf die Strategie des Hannoveraner Bürgermeisters zurückhaltend. So teilte Tim Herre, Sprecher der Stadt Heidelberg, lediglich mit, dass Oberbürgermeister Eckart Würzner (parteilos) das Thema Klimaschutz am Herzen liege und er prinzipiell bereit sei, mit Aktivisten in Kontakt zu treten. Der Gemeindetag Baden-Württemberg wollte auf Anfrage ebenfalls keine Einschätzung zu dem Thema abgeben.