In Heidenau flogen der Kanzlerin wüste Beschimpfungen entgegen. Im Netz offenbart sich allerdings eine neue Fangemeinde: Syrische Flüchtlinge danken „Mama Merkel“ in den sozialen Netzwerken für ihren Einsatz.

Stuttgart - Im sächsischen Heidenau musste Angela Merkel sich jüngst ein paar böse Worte anhören. Als „Volksverräterin“ wurde die Kanzlerin tituliert – und aus dem Off ertönte das ein oder andere derbere Schimpfwort.

 

In diesem Geschrei geht unter, dass Merkel eine neue Fangemeinde hinzugewonnen hat. „Mama Merkel, Mutter der Ausgestoßenen“, heißt eine von syrischen Flüchtlingen liebevoll gepflegte arabische Fanseite der Kanzlerin auf Facebook. Dort werden begeistert Bilder, Zitate und selbst erstellte Fotomontagen Merkels verbreitet. Eine zeigt die milde lächelnde Kanzlerin auf schwarz-rot-goldenem Grund, darunter der Schriftzug „Wir lieben dich“; eine andere preist sie als „mitfühlende Mutter“.

Die Aufnahme syrischer Flüchtlinge in Deutschland hatte Merkel schon zuvor Sympathien im arabischen Raum eingetragen. Seit aber in dieser Woche bekannt wurde, dass für syrische Flüchtlinge das Dublin-Verfahren außer Kraft gesetzt ist, sie also nicht mehr in europäische Ersteinreisestaaten abgeschoben werden, erstrahlt die Kanzlerin in besonderem Glanz.

Die wenig mütterliche Aura stört nicht

„Sie ist gerade allgegenwärtig – sobald ich meine Facebook-Seite öffne, sehe ich überall Merkel“, sagt Jahja, ein syrischer Flüchtling aus Hannover. „Was sie für uns Syrer getan hat, ist wirklich unglaublich.“ Auf Twitter wurde der Kanzlerin gar ein frühislamischer Ehrentitel verliehen. Das arabische Hashtag „Merkel, die Abessinierin“ ist eine Anspielung auf eine Geschichte aus dem Koran: Die ersten Anhänger Mohammeds flohen vor der Verfolgung in Mekka nach Afrika, in das christliche Abessinien. Der dortige Kaiser nahm die Muslime auf, bis sie in ihre Heimat zurückkehren konnten. „In einer Zeit, in der Mekka und Medina uns näher sein sollten als Deutschland, hat Merkel, die Abessinierin, uns aufgenommen. Gott schütze sie“, kommentiert ein User.

Dass „Mama Merkel“ eine wenig mütterliche Aura besitzt, stört die Flüchtlinge dabei wenig. Mithilfe von Photoshop wird die Kanzlerin in arabische oder kurdische Volkstrachten gesteckt. Das Ergebnis wird dann halb liebevoll, halb belustigt kommentiert. Von den Zuständen im sächsischen Heidenau, so scheint es, haben diese gerührten Syrer noch nichts erfahren.