Experten nennen es das „Sick-Building-Syndrom“. Gemeint ist damit eine Situation, in der Menschen Krankheitsanzeichen aufweisen, wenn sie viel Zeit in einem Gebäude, etwa im Büro, verbracht haben.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Stuttgart - Feinstaub, Autoabgase, Ozon, Smog: Die Luft in unseren Städten ist ein toxischer Mix. Doch nicht nur draußen ist die Luft oft regelrecht zum „Stinken“, sondern auch in den vier Wänden. Was viele nicht ahnen: Die Innenraumluft ist oft noch schädlicher als die Außenluft. Das gilt auch für die Luft im Büro. Zahlreiche Studien etwa des Bundesumweltamtes haben dies in den letzten Jahren nachgewiesen.

 

Verbrauchte Luft

„Hier ist überhaupt kein Sauerstoff mehr im Raum, mach mal die Fenster auf!“ Ein am Arbeitsplatz oft gehörter Satz, der aber nur zur Hälfte stimmt. „Man sagt zwar oft, dass es nicht mehr genug Sauerstoff gibt – das ist aber selten das Problem“, erklärt Mario Dobernowsky, Leiter des Netzwerks Büro in der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA). „Das eigentliche Problem ist die Atmung der Kollegen.“ Denn dadurch steigt der Kohlendioxid-Gehalt, die Luft wirkt verbraucht.

Die Gegenmaßnahme Fenster öffnen ist aber völlig richtig. Die beste Lüftungsmethode ist dabei das Stoßlüften, etwa alle zwei Stunden. Bei dauerhaft geöffnetem Fenster dagegen verliert die Luft zu viel wertvolle Feuchtigkeit – vor allem im Winter.

Lüftung oder Klimaanlage?

An vielen Arbeitsplätzen lassen sich die Fenster allerdings gar nicht öffnen. Hier muss der Arbeitgeber dafür sorgen, dass die Lüftung oder Klimaanlage richtig eingestellt ist. Das sollten Arbeitnehmer auch einfordern, sagt Mario Dobernowsky. Denn: Gute Luft ist auch im Sinne der Firmen: „Je verbrauchter die Luft, desto mehr nimmt auch die Leistungsfähigkeit ab – zum Beispiel, weil die Müdigkeit steigt.“

„Sick-Building-Syndrom” – Krankes-Haus-Syndrom

Wenn Menschen unter zumeist unspezifischen Beschwerden wie tränende Augen, gereizte Schleimhäute, Kopfschmerzen oder juckende Haut leiden, kann das von längeren Aufenthalten in Gebäuden herrühren. Experten sprechen vom „Sick-Building-Syndrom” (SBS) – Krankes-Haus-Syndrom oder Gebäudekrankheit. Die Ursachen sind laut Umweltbundesamt vielfach unklar.

Gefährliche Baustoffe

Eine neuere Untersuchung hierzu stammt von Forschern um Prashant Kumar, Professor für Umweltingenieurwesen an der britischen University of Surrey. „Wenn wir an Luftverschmutzung denken, fallen uns als erstes Autoabgase oder der Rauch von Fabriken ein“, so Kumar. „Aber es gibt eine Vielzahl von Schadstoffquellen, welche die Luftqualität in unseren Wohnungen und Büros beeinträchtigen.“

Fast alles, was in Häusern verbaut und verstaut wird, dünstet ungesunde Substanzen aus. Möbel, Bodenbeläge, Spanplatten, Tapeten, Reinigungsmittel und Klo-Steine, Pfannen und Töpfe enthalten giftige Chemikalien wie Weichmacher, Formaldehyde, Schwermetalle und Benzole. „Von Kochrückständen über Farben, Lacken und Pilzsporen – die Luft, die wir drinnen atmen, ist oft sogar stärker verschmutzt als die Luft draußen“, sagt Kumar.

Fenster öffnen

Einer Schätzung von 2012 zufolge trug die Luftverschmutzung innerhalb von Gebäuden weltweit zu mehr als 4,3 Millionen vorzeitigen Todesfällen bei. Schadstoffe in der Außenluft sollen dagegen für rund 3,7 Millionen Tote verantwortlich gewesen sein.

90 Prozent seiner Lebenszeit verbringt der Mensch in Wohnungen, Büros und Einkaufszentren. Dass 20 bis 30 Millionen Bundesbürger an Allergien leiden, hat seinen Grund auch in der Umgebung, in der wir leben, arbeiten, schlafen. „Manchmal heißt die Lösung für diese Probleme einfach: Fenster öffnen“, sagt Kumar. „Aber ohne das Wissen um die Belastung werden solche einfachen Maßnahmen oft nicht beachtet.“