Stefan Mappus sei „vorbildlich und standhaft“, lobte der Arbeitgeber-Funktionär Rainer Dulger kurz nach dem „schwarzen Donnerstag“. Zu dem Brief, der jetzt per Akteneinsicht bekannt wurde, will er sich heute nicht mehr äußern.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Stefan Wolf machte keinen Hehl aus seinen Zweifeln am EnBW-Deal. Kurz vor seinem Amtsantritt als Vorsitzender des Arbeitgeberverbandes Südwestmetall ging der Vorstandschef des Autozulieferers Elring Klinger hart mit Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus ins Gericht. Gleich in mehrerlei Hinsicht rügte er im ZDF-Magazin „Frontal 21“ dessen Vorgehen bei dem Milliardengeschäft.

 

Nie, so Wolf, würde er ein Unternehmen kaufen, „ohne es vorher eingehend geprüft zu haben“. Anstelle des von Mappus gezahlten Paketzuschlages hätte er einen Abschlag durchzusetzen versucht. Und mit einem alten Bekannten aus den Zeiten bei der CDU-Jugend wie dem Banker Dirk Notheis würde er einen solchen Deal schon gar nicht abwickeln. Bei ihm jedenfalls habe Notheis vergeblich angeklopft.

Schweigsam auf Rat des Anwalts

So klar wie der Südwestmetall-Chef äußern sich nicht viele Wirtschaftsvertreter zu Mappus. Wolfs Vorgänger an der Verbandsspitze im Land, der heutige Gesamtmetall-Chef und neue baden-württembergische Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger, hält es anders. Auf eine Anfrage der Stuttgarter Zeitung, wie er die Amtszeit des 15-Monats-Ministerpräsidenten bewerte – samt EnBW-Deal und „schwarzem Donnerstag“ – , schaltete er umgehend einen Medienanwalt ein. Der riet ihm offenbar, am besten gar nichts zu sagen. Von Dulger selbst, im Hauptberuf geschäftsführender Gesellschafter des Heidelberger Unternehmens ProMinent Dosiertechnik, gibt es jedenfalls seit Wochen keine Auskunft. Auch die Landesvereinigung der Arbeitgeberverbände schweigt zu der Anfrage an ihren Präsidenten.

Dabei gab es schon bisher Anlässe, Dulgers Haltung zu Mappus zu hinterfragen – und neuerdings noch einen mehr. Während der Polizeieinsatz im Schlossgarten vom Landgericht Stuttgart und einem zweiten Untersuchungsausschuss des Landtags aufgearbeitet wird, ist ein bisher unbekanntes Schreiben des Unternehmers an den Regierungschef aufgetaucht. Es datiert vom 8. Oktober 2010, also gut eine Woche nach der blutigen Räumung des Stuttgart-21-Baufeldes. Im Staatsministerium gingen damals stapelweise Protestbriefe von Bürgern ein, die den Einsatz überwiegend scharf verurteilten. Selbst CDU-Mitglieder waren darob empört, manche erklärten sogar ihren Parteiaustritt.

„Größte Anerkennung“ für Mappus

Dulger wandte sich freilich an den „lieben Herrn Mappus“, „weil ich Ihnen Mut zusprechen möchte, weiterhin das Projekt Stuttgart 21 zu verteidigen“. „Mit großer Anteilnahme“ verfolge er „die Kampagnen in der Presse“; dabei verdiene der Premier Anerkennung dafür, dass er „immer den richtigen Ton gegenüber den Betroffenen, aber auch genügend Rückgrat gegenüber den Beteiligten gezeigt“ habe. Wenngleich manche Sorge der Projektgegner ernst zu nehmen sei, gebe es zu dem Tiefbahnhof insgesamt doch „keine zukunftsfähige Alternative“. Auf dem Spiel stehe nicht nur die Rechtssicherheit für Investoren, sondern die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Auf die Schlacht im Schlossgarten eine Woche zuvor ging Dulger nicht ein. Doch er bezeugte Mappus „größte Anerkennung für Ihre Standfestigkeit“ und bat ihn „auch weiterhin so vorbildlich und standhaft zu bleiben“.

Ob der Arbeitgeberpräsident den Ex-Premier auch heute noch für vorbildlich hält – dazu gibt es von ihm keinerlei Kommentar, ebenso wenig wie zur Frage nach Ämtern, die ihm Mappus vermittelte. Ein Posten wird schon in dem fraglichen Brief angesprochen: Gerne folge er dem „Wunsch“ des Ministerpräsidenten, dem Kuratorium der Führungsakademie des Landes beizutreten, fügte der ProMinent-Chef im „PS“ hinzu. Er werde sich dazu mit deren Präsident, dem früheren Finanzminister Gerhard Stratthaus (CDU), in Verbindung setzen. Tatsächlich zog Dulger im November 2010 ins Kuratorium der Karlsruher Kaderschmiede ein, für eine dreijährige Amtszeit. Ende 2013 habe er „von sich aus auf eine erneute Berufung verzichtet“, sagte ein Akademiesprecher der StZ.

Kurze Amtszeit als EnBW-Aufseher

Deutlich kürzer währte eine andere Funktion, die Dulger ebenfalls auf Mappus’ Vorschlag übernahm: Er war einer der drei Wirtschaftsvertreter, die nach dem Rückkauf von den Franzosen in den EnBW-Aufsichtsrat einzogen. Hätte er das Geschäft so kritisch gesehen wie sein Nachfolger Wolf, wäre er für das Mandat wohl kaum in Frage gekommen. Nach dem Regierungswechsel 2011 zu Grün-Rot zierte sich der Funktionär noch kurz, den Posten wieder zu räumen, trat dann aber doch ab.

So schweigsam sich Dulger nach außen gibt, so lebhaft wird hinter den Kulissen erörtert, wie sein Mappus-Brief jetzt an die Öffentlichkeit gelangen konnte. Er sei entweder vom Staatsministerium direkt der Presse zugespielt worden oder indirekt über Grüne und Rote aus dem U-Ausschuss zum „schwarzen Donnerstag“, lauten die Vermutungen. Auch ein Motiv für die vermeintliche Durchstecherei ist bereits ausgemacht: Es handle sich um eine Retourkutsche, weil Dulger und die Arbeitgeberverbände aktuell Front gegen den Bildungsurlaub machten – eines der letzten noch unerledigten Projekte der Regierung Kretschmann-Schmid.

Brief ganz offiziell herausgegeben

Abgesehen davon, dass der Ausschuss das Dokument offenbar gar nicht bekam: Ganz so billig geht es in der Politik dann doch nicht zu. Tatsächlich wurde das anderthalbseitige Schreiben bereits vor geraumer Zeit von der Staatskanzlei herausgegeben – zusammen mit vielen anderen Briefen ganz offiziell auf einen Antrag nach dem Umweltinformationsgesetz hin, den zwei Pensionäre gestellt hatten. Im Wust der Dokumente hatten ihn die Rechercheure zunächst schlichtweg übersehen – vielleicht auch deshalb, weil Dulger nicht als Multi-Verbandsfunktionär firmierte, sondern schlicht als Chef seiner weniger bekannten Firma aus Heidelberg.