Ein Vorstoß des Vorsitzenden der Linkspartei trifft bei Gewerkschaften und dem rot-rot-grünen Lager auf Unterstützung.

Berlin - Im rot-rot-grünen Lager beginnt eine Debatte um die Ausweitung von Mitbestimmungsrechten für Arbeitnehmer. Unterstützung kommt von den Gewerkschaften. Auslöser der Diskussion ist ein Vorstoß des Vorsitzenden der Linkspartei, Bernd Riexinger. Er sagte unserer Zeitung: „Wir wollen, dass Betriebsräte echte Mitbestimmung bei Standortschließungen, Verlagerungen und Stellenvernichtung im großen Stil erhalten, und wir wollen in den Aufsichtsräten wirkliche paritätische Mitbestimmung.“ Die Linke fordere die Bundesregierung auf, „schnell die betriebliche Mitbestimmung auf wirtschaftliche Grundentscheidungen auszudehnen“. Es passe nicht ins 21. Jahrhundert, „dass die Demokratie in wichtigen Fragen vor den Betriebstoren Halt macht“.

 

Die Firmenstandorte seien teilweise über Generationen von den Beschäftigten aufgebaut worden, nicht von den heute eingesetzten Managern. „Warum haben Sie das Recht, alleine über die Zukunftsperspektiven der Beschäftigten zu entscheiden“, heißt es in einem Papier Riexingers, das unserer Zeitung vorliegt. Riexinger nimmt in seinem Papier ausdrücklich Bezug auf die Lage der Automobilindustrie und ihrer Zulieferer in der Region mittlerer Neckar. Er verweist ausdrücklich auf Verlagerungsdebatten bei Daimler und Kürzungen bei Mahle-Behr.

Gewerkschaft IGBCE sieht „großen Reformbedarf“

Der Linken-Vorsitzende sagte, er unterstütze „die Initiative des Vorsitzenden der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, Michael Vassiliadis, der die Ausdehnung der Montanmitbestimmung fordert“. Tatsächlich reagiert die IGBCE positiv auf den Vorstoß Riexingers. „Wir begrüßen es, dass die Linke unsere Initiative für eine nachhaltige Konfliktlösung in Aufsichtsräten großer Kapitalgesellschaften unterstützt“, sagte ein Sprecher unserer Zeitung. „Es ist gut und wichtig, dass das Thema Fahrt aufnimmt“.

Die IGBCE sieht „großen Reformbedarf“. Die industrielle Transformation werde „viele strategische Zukunftsentscheidungen erfordern, die nicht von kurzfristigen Kapitalmarktinteressen geprägt sein dürfen“, sagte der Sprecher. Deshalb werde „ein Update der Mitbestimmung“ gebraucht. Die Reformvorschläge der Gewerkschaft zielen darauf ab, weitreichende Unternehmensentscheidungen, die zwischen Kapital- und Arbeitnehmerseite strittig sind, künftig in einem Mediationsverfahren mit neutralem Schlichter zu fällen, statt durch das derzeitige Doppelstimmrecht des Aufsichtsratsvorsitzenden.

Grünen gehen noch einen Schritt weiter

Es ist durchaus ungewöhnlich, dass Linkspartei und IGBCE zu gemeinsamen oder ähnlichen Positionen kommen. Die Annäherung in der Mitbestimmungsfrage könnte ein Zeichen dafür sein, dass das Thema in kommenden Jahr an politischen Schwung gewinnt. Tatsächlich gibt es auch aus den Reihen von SPD und Grüne positive Signale auf Riexingers Papier. Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, Beate Müller-Gemmeke, sagte unserer Zeitung: „Wenn es um Entscheidungen über Betriebsschließungen und Verlagerungen von Standorten geht, dann ist es richtig, dass die Beschäftigten und ihre Interessenvertretungen auf Augenhöhe daran beteiligt werden.“

Müller-Gemmeke geht noch einen Schritt darüber hinaus. „Die Betriebsräte brauchen unbedingt auch ein echtes Mitbestimmungs- und Initiativrecht, wenn es um die qualitative Personalplanung geht“, sagte Müller-Gemmeke unserer Zeitung. Sie müssten sich dafür einsetzen können, „dass den Beschäftigten im Wandel durch Qualifizierung neue Perspektiven eröffnet werden.“ Wichtig sei auch ein „Initiativ- und Mitbestimmungsrecht zur Verbesserung der Klimabilanz“.

Auch positive Reaktion aus der SPD

Auch die SPD-Politikern Hilde Mattheis begrüßte das Papier Riexingers. Mattheis, die Vorsitzende des „Forums Demokratische Linke“ (DL21) in der SPD ist, verwies auf die Beschlusslage der DL21. In ihren Vorschlägen für ein künftiges Wahlprogramm verlangt die DL21 eine Stärkung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates „in Unternehmen mit weniger als 500 Beschäftigten“. Betriebsräte sollten auch Initiativrechte erhalten, um in Fragen der Digitalisierung, bei klimaneutraler Produktion und den Produkten besser mitwirken zu können.