Die Arbeitgeberverbände und der Deutsche Gewerkschaftsbund verlangen, dass der Mindestlohn von aktuell 8,50 Euro schon 2017 erhöht werden soll. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung ist dies bisher jedoch anders vorgesehen.

Berlin - Wirtschaft und Gewerkschaften haben einen ungewöhnlichen Vorstoß unternommen: Die Tarifparteien sind sich einig, dass der gesetzliche Mindestlohn früher steigen soll, als dies der Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) vorsieht. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) verlangen, die von 2015 an geltende Lohnuntergrenze von 8,50 Euro zum ersten Mal 2017 anzuheben. Dies bestätigen Sprecher der Organisationen. Im Gesetzentwurf, über den der Bundestag an diesem Donnerstag zum ersten Mal berät, ist dagegen die erste Anpassung erst 2018 vorgesehen.

 

Der Vorschlag von Gewerkschaften und Arbeitgebern stellt einen Kompromiss dar: Die Wirtschaft folgte dem Wunsch der Arbeitnehmerorganisation nach einer früheren Erhöhung des Mindestlohns. Im Gegenzug sollen die Unternehmen Planungssicherheit erhalten. Der DGB unterstützt die Forderung der Wirtschaft, wonach der Mindestlohn in Zukunft nur im zweijährigen Abstand angepasst wird.

„Erhöhungen des Mindestlohns sollen sich alle zwei Jahre nach den vergangenen Tarifsteigerungen richten“, erklärten Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer und DGB-Chef Reiner Hoffmann. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht dagegen vor, dass die geplante Mindestlohnkommission jedes Jahr über Angleichungen der Lohnuntergrenze entscheidet. Arbeitgeber und Gewerkschaften wollen mit ihrem Vorstoß verhindern, dass die Festsetzung des Mindestlohns auf Tarifverhandlungen ausstrahlt. Die Sozialpartner möchten sich nicht in die Lohnfindung hineinreden lassen.

Mindestlohn könnte um zwei Prozent steigen

Arbeitgeber und Gewerkschaften versuchen daher, den Einfluss der Mindestlohnkommission zu begrenzen. Nach dem Willen der Regierung soll eine siebenköpfige Kommission prüfen, wie stark der Mindestlohn steigt. Die Bundesregierung will der Kommission eine Geschäftsstelle zur Seite stellen. Arbeitgeber und Gewerkschaften werben dagegen für eine schlanke Organisation und begrenzte Handlungsmöglichkeiten der Kommission. Nach ihren Vorstellungen soll die Kommission anhand eines festgelegten Verfahrens die Höhe des Mindestlohns bestimmten.

Die Sozialpartner plädieren dafür, dass der Mindestlohn so steigt wie die durchschnittlichen Tariflöhne in den Jahren davor. Legt man den Index für Tariflohnerhöhungen der vergangenen zehn Jahre zugrunde, der die Anzahl der Beschäftigten in den Branchen berücksichtigt, betrugen die Erhöhungen im Schnitt rund zwei Prozent jährlich. In diesem Rahmen könnten sich die Mindestlohnerhöhungen bewegen.

Weitere Details sind unklar

Die Kommission soll nach Meinung der Sozialpartner bei einer Rezession von den Vorgaben abweichen können. Entscheidend ist für Arbeitgeber und Gewerkschaften, dass der gesetzliche Mindestlohn die Höhe der Tarifabschlüsse widerspiegelt.

Arbeitsmarktpolitiker der Koalition sehen dies kritisch. „Die Mindestlohnkommission soll genau begründen, welche Anpassungen sie für notwendig hält“, sagte Peter Weiß, der Vorsitzende der CDU/CSU-Arbeitnehmergruppe im Bundestag. Die Kommission dürfe nicht nur als Notar agieren, meinte Weiß. Nach Meinung der Koalition solle die Kommission vielmehr Gestaltungsspielraum erhalten.

Einzelheiten des Mindestlohns sind auch bei Union und SPD noch umstritten. Eine Reihe von Branchenverbänden verlangt Korrekturen. Die Verbände befürchten Kostenerhöhungen insbesondere bei Saisonarbeitern und Zeitungszustellern. In der Union herrscht zudem Unzufriedenheit darüber, dass nach dem Gesetzentwurf auch viele Praktikanten unter den Mindestlohn fielen. Dies verringere deren Chancen, eine Stelle zu finden. Es wird diskutiert, auch Praktika zur Berufsorientierung, die länger als sechs Wochen dauern, vom Mindestlohn auszunehmen.