Auf dem Göppinger Waldeckhof werden Langzeitarbeitslose behutsam an ein geregeltes Arbeitsleben herangeführt. Doch es wird immer schwieriger, die Projekte zu finanzieren. Dabei rentiert sich jeder investierte Euro, zeigt eine Studie.

Göppingen - Die Worte, die Karin Woyta wählte, klangen dramatisch: „Von Anbeginn an, doch mit zunehmend negativer Tendenz, verfolgen uns die Worte Subventionsempfänger, Zusätzlichkeit“, sagte die Geschäftsführerin der Staufen Arbeits- und Beschäftigungsförderung (SAB), Karin Woyta, bei einer Tagung , die jüngst in Uhingen stattfand. Diese widmete sich sozialem Unternehmertum und der Frage, wie sich die Begleitung, Beschäftigung und Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen für Träger wie die SAB auch künftig finanzieren lassen.

 

Studie soll Nutzen belegen

Argumente dafür, dass gemeinnützige Gesellschaften wie die SAB keineswegs nur Almosenempfänger sind, liefert Karin Woyta die Universität Siegen. Eine Studie der Hochschule zum „sozioökonomischen Mehrwert des Waldeckhofs“, eines von vielen SAB-Projekten, soll belegen, dass gemeinnützige Einrichtungen auch einen Nutzen bringen. Erste Zwischenergebnisse sind nun vorgestellt worden – und haben teilweise überraschende Fakten offenbart.

Waldeckhof spart auch Betreuungskosten

Dazu gehört etwa der Nachweis darüber, dass das Angebot der Kinderbetreuung durch Pfingst- und Sommerferienwochen auf dem Waldeckhof der öffentlichen Hand 2740 Euro gespart hat. Während der Landkreis dieses Angebot, von dem im Jahr 2011 42 Kinder profitierten, mit 300 Euro gefördert hat, hätte die Stadt Göppingen beispielsweise für vergleichbare Angebote an Schulen 3040 Euro aufbringen müssen, rechnen die Experten vor.

Mehr als 200 000 Euro pro Jahr fließen in lokale Wirtschaft

Auch die lokale Wirtschaft zieht Nutzen aus dem Waldeckhof. Handwerker und Einzelhändler durch den Kauf von Arbeitskleidung, Futtermitteln, Büromaterial, aber auch durch Kooperationen. 214 000 Euro hat der Waldeckhof 2011 so in Umlauf gebracht. Viele dieser Ausgaben erwirtschaftet der Waldeckhof selbst, über den Hofladen, Dienstleistungen im Garten- und Landschaftsbau, mit dem Café und vielem mehr, immerhin knapp 300 000 Euro im Jahr. Die Wissenschaftler rechnen aber auch weitere Kostenersparnisse für die Allgemeinheit vor. So wirke sich die Beschäftigung auf die Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands der Teilnehmer aus, und es werden Langzeiteffekte der „Erhaltung und Steigerung des Humankapitals“ ausgemacht.

Vom Hartz IV-Empfänger zum Steuerzahler

Außerdem haben die Siegener Wissenschaftler die Abgaben der vermeintlichen Almosenempfänger ermittelt. So haben die 30 Mitarbeiter der SAB sowie die rund 170 Teilnehmer, wie die über Fördermittel Beschäftigten genannt werden, im Jahr 2011 knapp 60 000 Euro Einkommensteuer bezahlt sowie mehr als 290 000 Euro für die Sozialversicherung erwirtschaftet. Zudem spart sich der Landkreis Unterstützungen für den Lebensunterhalt all derjenigen, die sich während ihrer Beschäftigung bei der SAB Geld hinzuverdienen. Gleiches gilt für die Agentur für Arbeit. Und natürlich, zeigten die Wissenschaftler in ihrer Untersuchung, werden auch andere Steuern gezahlt; man denke nur an die Mineralölsteuer durch den Dieselverbrauch für die landwirtschaftlichen Maschinen des Hofs.

Obwohl die Studie noch nicht ganz abgeschlossen ist, kommen die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass sich jeder vom Bund, vom Land oder von der Europäischen Union in den Waldeckhof investierte Euro rentiert.

Interview mit Karin Woyta

Göppingen. - Die Staufen Arbeits- und Beschäftigungsförderung gGmbH betreut zurzeit rund 170 Langzeitarbeitslose in den unterschiedlichsten Projekten. Doch es werde immer schwieriger, dafür Unterstützung zu bekommen, klagt Karin Woyta, die Geschäftsführerin.
Frau Woyta, Sie sind seit mehr als 15 Jahren im Geschäft. Was hat sich geändert?
Die Rahmenbedingungen sind ganz andere. Neulich hatte ich zehn Jahre alte Briefe von mir an einen damaligen Staatssekretär in der Hand, in denen ich mich unter anderem dazu äußere, wie schlimm es ist, dass die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen so kurzfristig sind. Und ich habe jetzt gedacht, was das noch für rosige Zeiten waren. Damals gab es noch Verlängerungsoptionen und ein ganzes Bündel von Maßnahmen. Man konnte noch auf die Bedürfnisse der Personen eingehen, und es gab noch Geld und den Willen, sich um diese Leute zu kümmern.
Das ist heute nicht mehr so?
Im Kreis Göppingen ist der gemeinsame Wille, sich um den Personenkreis der Langzeitarbeitslosen zu kümmern, noch vorhanden. Doch auch wir können uns über bestehende Gesetze nicht hinwegsetzen. Die Jobcenter haben nur begrenzte Budgets. In den vergangenen Jahren gab es immer weitere Kürzungen. Und es gibt auch kaum noch differenzierte Instrumente.
Welche Möglichkeiten haben Sie heute?
Im Grunde genommen nur noch zwei. Es gibt die sogenannten FAV-Plätze (Förderung von Arbeitsverhältnissen), für die es richtigen Lohn gibt. Davon gibt es im Landkreis aber gerade mal 40 für rund 800 bis 1000 Langzeitarbeitslose. Einen solchen Arbeitsplatz zu bekommen gleicht einem Lottogewinn. Und es gibt die Ein-Euro-Jobs. Aber das, was wir Regiekosten nennen, also die Mieten, Betriebskosten oder eben auch die Kosten für die sozialpädagogische Begleitung der Menschen, bekommen wir nur noch zu geringen Anteilen ersetzt. Uns fehlen dadurch rund 300 000 Euro im Jahr.
Auf die Politik sind Sie nicht gut zu sprechen?
Eigentlich bin ich nur noch frustriert. Ich werde sogar nach Brüssel eingeladen, um bei der EU unsere Projekte vorzustellen. Aber viele Politiker kommen zu uns vor Ort, finden das, was wir machen, alles toll und engagiert und stimmen dann in Berlin irgendwelchen Neuerungen und Kürzungen zu. Unsere Leute interessieren die Politiker eben nicht, denn sie sind ja nicht wahlrelevant.
Aber Sie kommen noch über die Runden?
Wir versuchen, die fehlenden Einnahmen zu ersetzen. Früher hatten wir vielleicht drei oder vier Geldgeber, die Agentur, den Landkreis, vielleicht noch ein EU-Projekt plus Spenden und unsere Umsätze. Mittlerweile sind es mehr als ein Dutzend verschiedene Töpfe und Einzelprojektförderungen. Ich arbeite mittlerweile auch sonntags. Dann sitze ich am Computer und suche nach den neuesten Ausschreibungen solcher Fördermaßnahmen. Dafür muss man dann Konzepte entwickeln und sich darum bewerben. Wir haben sogar einen Berater dafür. Doch nicht immer wird diese Mühe auch belohnt.
Waldeckhof, Gartenbau, Suppentöpfle, die vielen Projekte erzielen doch auch gewisse Umsätze?
Das dürfen wir nur in gewissem Umfang und auch nur dort, wo wir mit den Akteuren des Arbeitsmarkts im Kreis Göppingen, also mit der Kreishandwerkerschaft, der IHK und anderen, glücklicherweise ganz gute Absprachen treffen können. Eigentlich müssen wir als Beschäftigungsträger wettbewerbsneutral arbeiten.
Was bedeutet das?
Während die Werkstätten der Behinderteneinrichtungen oder des Justizvollzugs ganz normal arbeiten, dürfen wir nichts machen, was reguläre Unternehmen auch tun könnten. Einer unserer Teilnehmer darf rein rechtlich zwar die Tiere auf dem Hof streicheln, füttern darf er sie streng genommen aber nicht.
Sie fühlen sich benachteiligt?
Langzeitarbeitslose haben genauso ein Recht auf Arbeit wie Menschen mit Behinderungen. Aber auch sonst wundert man sich, dass Unternehmen subventioniert werden und wir das Nachsehen haben. Wir sollten zum Beispiel unser Verwaltungsgebäude am Waldeckhof dringend energetisch sanieren. Firmen können eine Beratung zu 50 Prozent gefördert bekommen. Wir als gemeinnützige GmbH haben darauf keinen Anspruch, geschweige denn, dass die Kreditanstalt für Wiederaufbau uns dafür einen günstiges Darlehen geben darf. Wir müssen selbst schauen, woher wir das Geld dafür bekommen.
Wenn Sie sich was wünschen könnten . . .?
Ich wünsche mir, dass man sich weiterhin um unsere Menschen kümmert und für deren Begleitung eine entsprechende finanzielle Ausstattung bereitstellt. Ich wünsche mir, dass die Hilfe für Langzeitarbeitslose ein Thema ist, mit dem sich die Politik befasst und nicht nur in Spanien Fachkräfte anwirbt. Ich finde es dramatisch, dass Deutschland nicht einmal den Versuch unternimmt, junge Deutsche zu retten. Fachkräftemangel ist das eine. Und das andere hat mit Menschenwürde zu tun. Die beste Prävention für Kinderarmut ist, wenn sie deren Eltern in Arbeit bekommen, wenn die Eltern nicht schon immer von staatlicher Hilfe leben, sondern Vorbild sind.

Hintergrundinformationen

Motivation

Die Staufen Arbeits- und Beschäftigungsförderung (SAB) fördert schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose, jugendliche Arbeitslose und Menschen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten in therapeutischen Arbeitsverhältnissen.

Projekte

Neben dem eigentlichen Hofbetrieb betreut die SAB zurzeit elf weitere Projekte, wie eine Fahrradwerkstatt und das Suppentöpfle (ein Imbiss in der Stadt). Das Café am Kornhausplatz betreibt die SAB zusammen mit der Lebenshilfe. Es gibt auch maßgeschneiderte Projekte für Frauen, Alleinerziehende, Jugendliche oder Menschen mit Migrationshintergrund.

Waldeckhof

Der Waldeckhof bei Jebenhausen, der im Jahr 2000 übernommen wurde, ist Landwirtschaftsbetrieb und Erlebnisbauernhof zugleich. Als Archehof ist er für alte Haustierrassen zertifiziert und arbeitet nach den Biolandrichtlinien. Der in der eigenen Molkerei produzierte Schafskäse wird regelmäßig ausgezeichnet. Es gibt einen Hofladen mit Café, und für Besucher werden Führungen angeboten.

Von der Pike auf


Karin Woyta ist ursprünglich gelernte Gartenbauingenieurin und hat beim gemeinnützigen Dienstleistungsunternehmen Neue Arbeit Stuttgart gearbeitet.

SAB

1997 hat die heute 56-jährige alleinerziehende Mutter zweier erwachsener Kinder als Geschäftsführerin die Staufen Arbeits- und Beschäftigungsförderung mitgegründet. Gestartet war man damals mit zwölf Teilnehmern als Dienstleister – im Garten- und Landschaftsbau. Heute ist Karin Woyta mit dem Vorzeigeprojekt Waldeckhof in Brüssel und in den Ministerien in Berlin und Stuttgart eine gefragte Gesprächspartnerin.