Luise Hoke (links) und Carolin Lang sind im Sommer nach Indien gereist. Im Rahmen ihres Studiums haben die Studentinnen des Fachs „Soziale Arbeit“ frischen Wind in den Unterricht einer Mädchenschule gebracht.

Althütte - Wenn Carolin Lang und Luise Hoke Fotos von ihrem vierwöchigen Aufenthalt in Indien zeigen, sind ihre Freunde und Verwandten begeistert: „Oh wie schön!“ Schön sei sie tatsächlich, die Landschaft in Khadigram, sagen die Studentinnen: „Alles ist grün, es gibt Berge und viele Reisfelder.“ Was die Bilder nicht oder nur bedingt vermitteln, das ist der Kulturschock, der Besucher dort erwartet. Die große Armut der Menschen, die kleinen Kinder, die nackt im Dreck stehen, der Gestank von Müll, die sechsstündige Fahrt über eine Schlaglochpiste bis zum nächsten Krankenhaus oder das kräftezehrende Klima – 40 Grad Celsius bei einer Luftfeuchtigkeit von 70 Prozent.

 

„In den Nächten haben wir deshalb so gut wie nicht geschlafen“, erzählt die Schwaikheimerin Carolin Lang (25), und die 29-jährige Luise Hoke aus Leonberg sagt: „Bei der kleinsten Tätigkeit mussten wir uns hinsetzen, weil durch die Hitze alles so anstrengend war – man unterschätzt das.“ Trotzdem haben die beiden Frauen, die an der Evangelischen Hochschule in Ludwigsburg Soziale Arbeit studieren, gearbeitet: Sie haben im Zuge eines obligatorischen Projektstudiums Schülerinnen der Mädchenschule in Khadigram unterrichtet. Die Einrichtung hat der in Althütte ansässige Verein Mädchenschule Khadigram aufgebaut, um extrem benachteiligten Mädchen eine Chance auf zumindest vier Jahre Schulbildung zu geben.

Menschenrechte, Frauenrechte, Armut

In Khadigram haben Luise Hoke und Carolin Lang hautnah die Themen erlebt, die sie im Studium in der Theorie immer wieder beschäftigen: Menschenrechte, Frauenrechte, Armut,. „Natürlich kann man in vier Wochen nicht viel ändern, aber so haben die Mädchen wenigstens mal ein anderes Frauenbild gesehen“, sagt Luise Hoke, die mit Carolin Lang frischen Wind in die Schule gebracht hat. Dort stehe im Unterricht „der Spaß nicht gerade im Vordergrund“, so formuliert es die 29-Jährige vorsichtig, und erzählt, wie die Schülerinnen in Reih und Glied stehen und vieles schlicht auswendig lernen müssen.

Sobald Carolin Lang und Luise Hoke das Ruder in den Schulstunden übernommen hatten, war plötzlich alles anders. Englische Vokabeln brachten die Studentinnen den Mädchen spielerisch mit einem Memory oder Liedern bei, die Kinder durften Marionetten und Fächer basteln und Herzen nähen. „Wir hoffen, dass die Lehrer sich etwas abgeguckt haben“, sagt Luise Hoke, die sich im Unterricht wie ihre Kommilitonin mit Händen, Füßen und einigen Worten Hindi verständigt hat. Beim Basteln setzten sich die Lehrerinnen auf Zeit zu ihren Schülerinnen auf den Boden – ein Novum, sagt Luise Hoke, denn „sonst sitzt der Lehrer immer auf einem Stuhl.“

Auch die tägliche Sportstunde sah nach der Ankunft der Deutschen anders aus. „Anfangs saßen alle Kinder nur herum, die Spielgeräte, die der Verein angeschafft hat, haben die Lehrer gar nicht rausgeholt“, erzählt Carolin Lang. Dann haben die Studentinnen dafür gesorgt, dass Reifen, Bälle und sonstige Gerätschaften jeden Tag ans Licht geholt wurden. Und siehe da: „Alle Kinder haben angefangen zu spielen. Sie sind richtig aufgetaut“, erinnert sich Luise Hoke.

Der Schulgarten wartet noch auf sein Revival

Manche Pläne konnten die Deutschen nicht in die Tat umsetzen. „Eigentlich wollten wir den Küchengarten an der Schule reaktivieren, aber daraus ist leider nichts geworden“, sagt Carolin Lang bedauernd. Am Klima sei es nicht gescheitert. „Dort wachsen Bananen, Mangos, Kokosnüsse und Grapefruit“, erzählt Luise Hoke. Besitzstreitigkeiten waren der Grund dafür, dass die Studentinnen die Idee des Schulgartenprojekts begraben mussten. Trotzdem hoffen die Reisenden, dass sie etwas Bewegung in den routinierten Schulalltag gebracht haben. Das wohl schönste Lob war die Feststellung eines Lehrers: „Er hat gesagt ,Seid ihr da seid, lachen die Mädchen so viel’.“

Die Studentinnen hoffen, dass möglichst viele ihrem Beispiel folgen und nach Khadigram reisen – zum Beispiel angehende Lehrer oder Erzieher. Die Zwei sind froh, dass sie das indische Abenteuer ohne Krankheiten und Läusebefall überstanden haben und stecken bereits mitten im nächsten Praktikum. Luise Hoke arbeitet bei der Drogenanlaufstelle High Noon in Stuttgart, Carolin Lang im Paula-Korell-Kinderhaus in Schwaikheim. „Der Abschied von den Mädchen ist uns schon schwer gefallen“, sagen sie. „Vielleicht fahren wir ja irgendwann noch einmal hin.“