Die Woche ist bislang weltweit der maßgebliche Rahmen zur Bemessung der Arbeitszeit. Warum eigentlich, hat man sich beim schwäbischen Maschinenbauer Trumpf gefragt und jetzt das Jahr als maßgebliche Größe zur Organisation Tausender Mitarbeiter eingeführt. Für die Beschäftigten bringt das nicht nur Vorteile.

Ditzingen - Vor fünf Jahren hat das Ditzinger Familienunternehmen Trumpf mit einem zukunftsweisenden Arbeitszeitmodell für Furore gesorgt, jetzt geht man noch einen Schritt weiter. Nicht mehr die Woche, sondern das Jahr soll nun als Richtschnur für die Bemessung der Arbeitszeit dienen. Nach Unternehmensangaben werde das Gleitzeitkonto der Mitarbeiter innerhalb eines Jahres „auf einen Korridor zwischen plus 200 und minus 100 Stunden geöffnet“.

 

Ziel ist es, viel zu arbeiten, wenn genug Arbeit da ist und einen Gang herunterzuschalten, wenn weniger Aufträge hereinkommen. „Digitalisierung, volatilere Märkte und kürzere Produktlebenszyklen“ erforderten noch mehr Flexibilität als bislang, sagte Trumpf-Chefin Nicola Leibinger-Kammüller am Freitag.

Seit Jahren versucht Trumpf der Produktion mehr Flexibilität beizubringen

Die neuen Regelungen, die ab Anfang Oktober zunächst für die drei baden-württembergischen Standorte des Werkzeugmaschinenbauers in Ditzingen, Gerlingen und Hettingen gelten, stellen eine deutliche Ausweitung der bislang schon sehr flexiblen Arbeitszeitregeln bei Trumpf dar. Bereits 2011 einigte sich das Unternehmen mit IG Metall und Betriebsrat auf eine weitgehende Flexibilisierung der Wochenarbeitszeit. Seither ist es für mehrere Tausend Mitarbeiter des Laser-Maschinenspezialisten möglich, eine Basisarbeitszeit zwischen 15 und 40 Stunden festzulegen. Diese kann dann alle zwei Jahre vom Mitarbeiter je nach individuellen Bedürfnissen nach oben oder unten angepasst werden. Außerdem können auf einem Freizeitkonto bis zu 1000 Arbeitsstunden angesammelt werden, die für längere Auszeiten – so genannte Sabbaticals – verwendet werden können. An diesem Lebensphasen-Arbeitszeitmodell genannten System nimmt derzeit rund ein Fünftel der Belegschaft am Ditzinger Stammsitz teil. Die überwiegende Mehrheit hat sich nach Aussagen einer Trumpf-Sprecherin dafür entschieden mehr, nicht weniger zu arbeiten.

Das neue Trumpf-Arbeitszeitmodell, bei dessen Aushandlung nun wiederum IG Metall und Betriebsrat im Boot waren, gibt insbesondere dem Arbeitgeber große Spielräume. Deuten sich starke Veränderungen im Arbeitsaufkommen an, kann innerhalb kurzer Zeit gegengesteuert werden. „Die Ankündigungsfrist“ für Arbeitszeitanpassungen betrage zwei Tage, sagte die Sprecherin. Ein Mitarbeiter, der am Montag ins Büro kommt, kann also damit konfrontiert werden, bereits am Donnerstag mehr oder weniger zu arbeiten. Allerdings beruhen die Maßnahmen, die anders als bisher direkt zwischen Arbeitnehmer und Vorgesetztem ausgehandelt werden, weitgehend auf Freiwilligkeit. In Konfliktfällen werde die Mehr- oder Minderarbeit gedeckelt, hieß es.

Alle Mitarbeiter des Stammhauses erhalten Jobgarantie bis 2021

Ein Beschäftigter mit einer tariflich geregelten Wochenarbeitszeit von 35 Stunden komme so nicht über 40,5 Stunden. Außerdem können die einzelnen Unternehmensbereiche selbst entscheiden, ob sie die neuen Regelungen überhaupt einführen wollen. Besonders in der Produktion biete sich das Modell aber an.

Im Hintergrund der Maßnahmen stehen immer schnellere Nachfrageschwankungen im Maschinenbaugeschäft. Folgte die Auslastung der Unternehmen früher dem klassischen für Investitionsgüterindustrien typischen Schweinezyklus – also einer steten Hausse oder Baisse über mehrere Jahre hinweg – platzieren Kunden heute ihre Aufträge mitunter im Tages- und Wochenrhythmus.

Als Teil des aktuellen betriebsinternen Bündnisses für Arbeit 2021 – so der offizielle Titel – können auch 20 Prozent der Arbeit mobil erbracht werden. Außerdem verfügt jeder Mitarbeiter über ein Punktebudget, das er für Qualifizierungsmaßnahmen verwenden kann. Dabei gilt: Je besser die Maßnahme – etwa ein Sprachkurs oder ein Coaching – zur eigenen Tätigkeit passt, desto weniger Punkte müssen aufgewendet werden. Mit einem Programm zum altersgerechten Arbeiten, will sich Trumpf speziell um ältere Mitarbeiter kümmern.

Im Gegenzug der Maßnahmen weitet das Unternehmen seine Beschäftigungsgarantie aus. Diese galt bislang für 95 Prozent der Beschäftigten. Nun wird die Jobgarantie auf alle Stammbeschäftigten bis zum Jahr 2021 erweitert. Betriebsbedingte Kündigungen sind so ausgeschlossen.