Schweizer Archäologen haben erneut das rätselhafte „Stonehenge im Bodensee“ untersucht. Vor etwa 5500 Jahren haben dort Menschen beinahe 80 000 Tonnen Gestein im Wasser aufgeschichtet. Ihre Motivation dafür bleibt ein bislang ungelöstes Rätsel.

Nach und nach kommen die Archäologen dem Rätsel um die im Jahr 2015 entdeckten Steinhügel im Bodensee näher. Rund 170 dieser mysteriösen fladenartigen Erhebungen entlang des schweizerischen Seeufers sind bislang bekannt. Auf einer Länge von rund zehn Kilometern reihen sie sich zwischen Romanshorn und Bottighofen wie an einer Perlschnur aneinander. Etwa 200 bis 300 Meter vom Seeufer entfernt liegen die Steinhügel unter der Wasseroberfläche verborgen.

 

In den vergangenen Wochen haben nun Schweizer Taucher des Thurgauer Amts für Archäologie erneut einen der „Hügeli“, wie die Eidgenossen die Steinhaufen liebevoll nennen, untersucht. Um mittels Fotogrammetrie ein 3-D-Bild zu erstellen, musste der Hügel nahe Kesswil dazu zunächst von Unterwasserpflanzen befreit werden, wie der Kantonsarchäologe Hansjörg Brem erklärt. Anschließend wurde ein Längsschnitt durch die Erhebung gemacht. „Darunter kamen Hölzer zum Vorschein“, sagt Brem. Das ist ein wichtiger Befund: Denn damit wurde eine frühere Untersuchung an einem anderen Hügel jetzt bestätigt.

Offenbar wurden keine Eisenbeile benutzt

„Es ist ein Muster“, erklärt der Archäologe. Brem ist gespannt, ob sich bei ähnlichen Hügeln vor dem bayerischen Seeufer, die derzeit ebenfalls untersucht werden, das Prinzip erneut zeigt. „Klar ist aber, dass die Hölzer unter den Steinhügeln keine konstruktive Funktion haben.“ Die früheren Untersuchungen an den Steinhaufen hatten ergeben, dass das Holz rund 5500 Jahre alt ist, also aus der Jungsteinzeit stammt. Damals existierten am Bodensee auch Pfahlbauten. Ob die jetzt unter den Steinerhebungen gefundenen Holzstrukturen ebenso alt sind, muss sich noch weisen. „Man erkennt Beilhiebe, die nicht von einem Eisenbeil, sondern von einem Stein- oder Bronzebeil stammen“, sagt Brem.

Die Frage, wozu die jungsteinzeitlichen Bodenseebewohner die zwischen zehn und 30 Meter Durchmesser großen und einen halben bis eineinhalb Meter hohen Steinhaufen aufgeschüttet haben, bleibt indes rätselhaft. Rechnet man alle bekannten Hügel zusammen, bewegten die Menschen damals rund 78 000 Tonnen Gestein.

Dass die Hügel Gräber sind, scheint eher unwahrscheinlich

Der Archäologe Urs Leuzinger glaubt deshalb, dass das Aufschütten organisiert war. Es müsse jemand dafür gesorgt haben, dass der Bau als wichtig erachtet wurde. Ein Priester? Ein Schamane? Waren die Hügel Teil eines Totenkults? Es ist eine Spur: „Denn seltsamerweise fehlen uns tatsächlich bisher aus der Zeit der Pfahlbausiedlungen die Nachweise von Gräbern“, sagt Brem. Doch an Bestattungen im Wasser, immerhin gleichzeitig die Fischgründe der Bewohner, mag der Archäologe noch nicht recht glauben.

Der Wasserstand war schon damals so wie heute

Sicher ist: Die heute in drei bis fünf Meter Wassertiefe liegenden Steinstrukturen müssen bereits bei ihrem Bau zumindest zeitweise unter der Wasseroberfläche gelegen haben. Der Grund: „Die Oberfläche des Bodensees war nie tiefer als 390 bis 391 Meter über Meereshöhe“, sagt Brem. Genauso hoch liegen auch die Fußpunkte der Steinfladen. Soll heißen: Die Hügel waren meistens überflutet. „Das macht das Ganze noch unerklärlicher“, sagt Brehm.

Dass die Steinhaufen sich nicht überall am Bodensee finden, so Brem, könnte mit dem unterschiedlichen Zufluss von Sedimenten aus dem Rhein und aus Bächen zusammenhängen. „Ein Meter Schlick mehr und die Hügel sind nicht mehr zu erkennen“, erklärt der Archäologe. Aus diesem Grund sollen nun in einem nächsten Schritt auch Steinhügel an den Rändern des bisherigen Fundbereichs untersucht werden.