Sensationsfund in Niedersachsen: In der Fundstelle Schöningen haben Archäologen drei fossile Fußabdrücke von „Homo heidelbergensis“ zwischen prähistorischen Elefantenspuren entdeckt.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

In Niedersachsen hat ein Forscherteam der Universität Tübingen die vermutlich ältesten bekannten Fußspuren von Urmenschen in Deutschland entdeckt. Die drei etwa 300 000 Jahre alten Abdrücke wurden in einer Ausgrabungsstätte in Schöningen (Landkreis Helmstedt) gefunden.

 

Die Gruppe um Flavio Altamura vermutet, dass die Spuren vom „Homo heidelbergensis“ stammen – dem Vorläufer des Neandertalers. Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftler im Fachjournal „Quaternary Science Reviews“veröffentlicht.

Fußspuren vom „Homo heidelbergensis“

„Unter den Abdrücken befinden sich auch drei Spuren, die mit Fußabdrücken von Homininen übereinstimmen“, erläutert der Archäologe Flavio Altamura, Stipendiat vom Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen (SHEP).

Mit einem Alter von etwa 300 000 Jahren seien sie die ältesten in Deutschland bekannten menschlichen Spuren und stammten wahrscheinlich von „Homo heidelbergensis“.

Deutschland vor 300 000 Jahren

Die Abdrücke – zwei davon stammen von jungen Individuen – sind umgeben von mehreren Tierspuren – unter anderem von Waldelefanten, die der ausgestorbenen Art „Palaeoloxodon antiquus“ zuzuordnen sind. Dieser Elefant mit geraden Stoßzähnen war das damals größte Landtier. Ausgewachsene Bullen erreichten ein Körpergewicht von bis zu 13 Tonnen.

Die anderen fossilen Überreste stammen von „Stephanorhinus kirchbergensis“ oder „Stephanorhinus hemitoechus“. Es sei, wie Jordi Serangeli, Grabungsleiter in Schöningen betont, „ der erste Fußabdruck dieser Art aus dem Pleistozän, der in Europa gefunden wurde.“ Gemeinsam ergebe dies ein Bild des damaligen Ökosystems.

„Unsere Funde bestätigen, dass die ausgestorbene Menschenart sich an See- oder Flussufern mit flachem Wasser aufhielt“, erklärt Altamura laut der Mitteilung der Universität Tübingen .

Familienalltag in der Urzeit

Die Funde in Schöningen sind der Analyse zufolge eine Momentaufnahme eines Familienalltags und könnten unter anderem Auskunft über das Verhalten und die soziale Zusammensetzung dieser Urmenschen geben.

„Es handelt sich aufgrund der Spuren auch von Kindern und Jugendlichen wohl eher um einen Familienausflug als um eine Gruppe erwachsener Jagender“, erklärt Altamura.

Archäologischer Fundort Schöningen

In dem ehemaligen Braunkohletagebau bei Schöningen waren in den 1990er Jahren die ältesten Jagdwaffen der Menschheit gefunden worden. Die Entdeckung der etwa 300 000 Jahre alten Schöninger Speere aus Holz galt als Weltsensation. 2017 wurde hier zudem das nahezu vollständige Skelett eines eurasischen Waldelefanten entdeckt.

Info: Evolution des Menschen

Vom Affen zum Menschen
Vor rund sieben Millionen Jahren verzweigte sich der Stammbaum von Mensch und Affen. Damals gab es noch keinen Ur-Menschen, aber schon Lebewesen, die den heutigen Menschen und Affen ähnlich waren. Ein paar Vertreter dieser Art entwickelten sich und wurden nach und nach zum Menschen.

Wiege der Menschheit
Alle frühen Funde von Urmenschen stammen aus Ostafrika. Deshalb glauben Paläoanthropologen, dass die Gattung Homo in Afrika – der Wiege der Menschheit – ihren Ursprung hatte und sich von dort über den gesamten Globus ausbreitete. Diese Hypothese wird auch als „Out-of-Africa-Theorie“ bezeichnet.

Ururgroßmutter des heutigen Menschen
Einer der frühesten Vorfahren des Menschen trägt den Namen Lucy. Mit dem Namen wird das 1974 im äthiopischen Afar-Dreieck entdeckte Teilskelett eines weiblichen Individuums der Art „Australopithecus afarensis“ bezeichnet. Lucy war vermutlich etwas größer als ein Meter. Das Fossil wurde benannt nach dem Beatles-Song „Lucy in the Sky with Diamonds“ und auf ein Alter von 3,2 Millionen Jahren datiert.

Neandertaler
Auf der Erde lebt heute nur noch eine Art Mensch, zu der wir alle gehören: der „Homo sapiens“ (lateinisch: der weise Mensch). Aber viele Tausend Jahre lang lebte in Europa und im vorderen Teil von Asien eine ganz anderes Exemplar: der Neandertaler. 1856 wurden in einem Tal bei Düsseldorf Knochenreste von ihm gefunden. Sie verraten sehr viel über ihn und seine Lebensweise: Der Neandertaler war sehr kräftig und hatte stärkere Knochen als wir. Er war etwas kleiner, kompakter gebaut und bastelte sich schon Waffen für die Jagd. Vielleicht konnte er sogar sprechen.

Neandertaler und Homo sapiens
Später kam dann auch der „Homo sapiens“ nach Europa und Vorderasien. Einige Tausend Jahre lebten beide Menschentypen in den gleichen Gegenden. Vermutlich begegneten sie sich. Aber was passierte dann? Haben sie miteinander gesprochen, einander bekämpft oder sich vielleicht sogar gepaart? Heute glauben Forscher: Es gab damals tatsächlich gemeinsame Kinder von Neandertalern und modernen Menschen. Sie vermuten sogar, dass die allermeisten Menschen Erbgut von Neandertalern in sich tragen. Die Neandertaler starben vor etwa 30 000 Jahren aus.