Seit 32 Jahren beackern Rainer Laskowski und seine Mitstreiter von Kirchheimer Archäologie AG den Untergrund der Teckstadt. Jetzt ist das Engagement mit dem Archäologiepreis des Landes belohnt worden.

Kirchheim - Die Stadt Kirchheim ist ein blühendes Gemeinwesen. Steigende Einwohnerzahlen, eine schmucke Altstadt, S-Bahn-Anschluss. Doch hier unten, im Keller der Freihof-Grundschule, liegt die Stadt in Scherben. Ein Geburtstopf vom Marktplatz 8 in Einzelteilen, Keramik aus der Jesinger Straße, Ziegel vom Dach der Martinskirche, die Hälfte eines löchrigen, 900 Jahre alten Kochtopfs aus der Schülestraße – in 600 Kisten bewahren Rainer Laskowski und seine Mitstreiter der Archäologie AG weit mehr als 1000 Jahre Stadtgeschichte auf. Weitere 1200 Kisten lagern in drei Außendepots.

 

Der Schulkeller ist Laskowskis heimliches Wohnzimmer. Der Archäologe, der bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand im Jahr 2013 genau dreißig Jahre lang das Stadtmuseum Kirchheim geleitet und vor 32 Jahren die Archäologie-AG ins Leben gerufen hat, kennt den Inhalt jeder einzelnen Kiste. Das wohl einzig unversehrte Stück der Sammlung hat er nicht selbst ausgegraben. Es ist ihm jüngst verliehen worden. Auch wenn es sich nicht um das Original handelt: Die Nachbildung des goldenes Kelches aus dem Keltengrab von Hochdorf (Kreis Ludwigsburg) ist von unschätzbarem ideellen Wert für Laskowski und seine Mannschaft.

Preis für außerordentliche Verdienste bei der Bewahrung des archäologischen Erbes

Der Kelch ist die Ehrengabe, die das Land Baden-Württemberg als Beigabe zum Archäologie-Preis 2018 verliehen hat. Bei dem Festakt in Stuttgart ist Laskowski für seine „außerordentlichen Verdienste bei der Bewahrung und höchst lebendigen Vermittlung des archäologischen Erbes“ mit dem mit 4000 Euro dotierten Förderpreis ausgezeichnet worden.

Den mit 8000 Euro dotierten Hauptpreis teilen sich Reiner Blumentritt aus Schelklingen und Georg Hiller aus Blaubeuren. Die beiden haben maßgeblich dafür gesorgt, dass die auf der Schwäbischen Alb im Alb-Donau-Kreis geborgene 40 000 Jahre alte Steinzeitkunst samt ihrer Fundorte von der UNESCO in den Rang eines Weltkulturerbes erhoben worden sind.

Weltkulturerbe – das ist nicht Laskowskis Welt. Sein Ding ist das Stadtkulturerbe. Was nicht heißt, dass sein archäologischer Horizont an den Kirchheimer Stadtgrenzen endet. Zu seinen Ehrenämtern zählt der Vorsitz im Alt-Owen-Förderkreis ebenso wie das Amt des Kassenprüfers der Geschichtsgruppe Dettingen. „Wir haben, vom Heidengraben auf der Schwäbischen Alb angefangen das Lautertal hinunter bis Wernau, eine gut funktionierende Achse der ehrenamtlichen Archäologie geschaffen“, sagt er. Eine Klammer, die diese Achse zusammenhält, ist Laskowskis ansteckende Begeisterung für die Funde, die von vergangenen Zeiten erzählen.

Schon in jungen Jahren für die Archäologie begeistert

Der Archäologe kennt nicht nur jeden gotischen Ziegel, der die ehrwürdige Kirchheimer Martinskirche je gedeckt hat, mit Vornamen, sondern auch dessen Nachfolgegenerationen bis in die Gegenwart. Mit dem Verfassen der Dokumentation „Dachziegel der Martinskirche vom 12. Jahrhundert bis zum 19. Jahrhundert“ will Laskowski allerdings den Ludwigsburger Fachmann Ulrich Knapp beauftragen – und dafür die 4000 Euro Preisgeld einsetzen.

Die Archäologie begleitet Laskowski seit Jugendjahren. „Ich bin im Hunsrück, oberhalb von Zell an der Mosel, in der Nähe einer interessanten Fundstelle aufgewachsen“, sagt er. Schon da habe er auf den Äckern nach Relikten aus der Vergangenheit gegraben. Das Studium der Mathematik und Physik hat er, trotz eines mit der Note 1,5 absolvierten Vordiploms, zugunsten des Archäologiestudiums an den Nagel gehängt. In seine anschließende fünfjährige Tätigkeit für das rheinische Landesmuseum in Bonn fällt unter anderem die Aufnahme der Fundstelle im Neandertal in die Denkmalliste.

Im Jahr 1983 hat Laskowski dann die Leitung des Kirchheimer Stadtmuseums im Kornhaus übernommen und kurz darauf die Archäologie AG ins Leben gerufen. Seither, so hat Karin Schütz, die Staatssekretärin im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau, anlässlich der Preisverleihung ermittelt, haben er und seine Mitstreiter mindestens 280 Baustellen in Augenschein genommen und dabei 250 Fundstellen entdeckt.

Kampf ums Fachwerk

Es ist eine Ironie der Geschichte, dass Laskowski, der Herr der Scherben, sich immer häufiger in vorderster Front sieht, wenn es zu verhindern gilt, dass in der Stadt noch mehr Geschirr zu Bruch geht. Zuletzt hat er sich im Rathaus mit seinem leidenschaftlichen Plädoyer für den Erhalt der Fachwerkfassade der Gaststätte Waldhorn nicht nur Freunde gemacht. Sein Appell verhallte. Jetzt blickt dort gesichtsloser Beton auf den Marktplatz. „Ein Skandal“, sagt Rainer Laskowski.