Die gefundenen Skelette sind nach christlichem Ritus bestattet. Die Grabungsstelle wird jetzt winterfest gemacht. Foto: /Stefanie Schlecht
Die archäologischen Grabungen auf dem Böblinger Schlossberg sind im Wesentlichen beendet. Im Gemeinderat gab es dazu einen vorläufigen Bericht – mit einigen erstaunlichen Ergebnissen.
Robert Krülle
25.10.2024 - 19:27 Uhr
Güldene Schätze haben die Archäologen auf dem Schlossberg nicht gehoben – aber doch spannende Funde gemacht. Gut acht Monate war ein Team der Firma e&b excav vor Ort aktiv und schaute genau nach, was am alten Schloss-Standort alles unter der Erdoberfläche zu entdecken ist. Dorothee Brenner vom Landesdenkmalamt hat die wesentlichen Ergebnisse zuletzt im Böblinger Gemeinderat zusammengefasst.
Ein Fund mit Gruselfaktor waren 16 Skelette, die einst dort oben bestattet wurden. Die Gräber gehörten wohl zu einem Friedhof, der wiederum wahrscheinlich neben einer Kirche lag. Diesbezüglich hatte die Fachreferentin eine Neuigkeit für den Gemeinderat im Gepäck. Erst tags zuvor hatte Dorothee Brenner die Nachricht erhalten, wie alt die gefundenen Skelette tatsächlich sein könnten. Dazu war eine sogenannte C14- oder Radiokarbon-Untersuchung notwendig – mit erstaunlichen Ergebnissen, wenn auch bezüglich der Jahreszahlen ziemlich ungenau. Demnach stammen die Skelette etwa aus einem Zeitraum zwischen 700 und 900, also aus dem 8. und 9. Jahrhundert. „Wir müssen umdenken“, sagte Brenner dazu, „das ist früher als angenommen.“ Denn bislang hatten die Archäologen geschätzt, dass die Skelette etwa 1000 Jahre alt sein könnten. Heißt: Wenn diese Bestattungen tatsächlich zu einer Kirche gehörten, „dann hätten wir eine sehr frühe Kirche“, sagte die Expertin des Landesdenkmalamts.
Mit als erstes hatten die Grabungen im Frühjahr den ehemaligen Schlosskeller freigelegt, dessen Existenz bekannt war und der – so zeigte es unter anderem eine Dart-Scheibe an der Mauerwand – wohl in jüngerer Zeit noch als Partykeller genutzt wurde. Ein relevantes Denkmal ist zudem die zweieinhalb Meter dicke Umfassungsmauer der einstigen Burg, die im Hochmittelalter in Böblingen errichtet wurde. Auf diesen Mauern entstand dann im 16. Jahrhundert das Schloss, ehe es im Zweiten Weltkrieg zerbombt und anschließend abgerissen wurde.
An manchen Stellen war die dicke Burgmauer aber auffällig abgetragen – das stammte wohl aus dem 19. Jahrhundert, als die Stadt Böblingen das Schloss gekauft und zu einer Schule umfunktioniert hatte. „Aus dieser Zeit haben wir Raumstrukturen gefunden“, berichtete Brenner, „unter anderem auch eine Abortanlage.“ Dafür sei die Außenmauer wohl von oben durchbrochen worden – was die Menschen dort auf dem Schlossberg nicht alles über die Jahrhunderte umgebaut und verändert haben.
Die Grabungsstelle wird jetzt winterfest gemacht. Foto: Krülle
Davon zeugen auch weitere Funde, die weniger wertvoll, aber doch zeitgeschichtlich interessant sind – zum Beispiel die Grabplatte eines Priesters aus dem Spätmittelalter. Sie wurde einfach in einer Treppe im Schloss wiederverwendet, seitdem fehlt der Platte eine sauber ausgeschlagene Ecke. Oder Stücke von Achteckpfeilern, die eine große Halle getragen haben müssen. Sie waren durch ein Steinmetzzeichen markiert, das man vom Kloster Bebenhausen kennt und um 1500 verwendet wurde. Zudem legten die Archäologen die Struktur des alten Burgtores frei, das irgendwann einfach zugemauert wurde.
Was heißt das alles nun für eine mögliche Neubebauung? Klar ist laut Dorothee Brenner: Der Gewölbekeller und die mittelalterliche Umfassungsmauer müssen erhalten bleiben. „Im Zuge der möglichen Neubebauung sollte dies aber nicht als Störung empfunden, sondern sinnvoll integriert werden“, betonte die Fachreferentin des Landesdenkmalamts in der Gemeinderatssitzung am Mittwoch. Und: Die mittelalterlichen Außenmauern seien ein starkes und stabiles Fundament. „Da kann man draufbauen.“
Zunächst wird die Grabungsstelle winterfest gemacht. Um das Mauerwerk vor Frost zu schützen, müssen die Funde mit Geovlies umhüllt und die Grube mit Schotter oder Sand aufgefüllt werden – bis der Gemeinderat entscheidet, wie es weitergeht. Zumal jetzt nur der südliche Teil des Schlossbergs bearbeitet ist, in Richtung Feste Burg müsste auch noch gegraben werden. „Auch wenn dort wahrscheinlich nicht so viel zu finden ist“, so Brenner.
Gerlinde Feine, Stadtpfarrerin und SPD-Fraktionsvorsitzende, wollte nach Brenners Vortrag wissen, ob denn die unschönen Zäune an der Grabungsstelle noch stehen bleiben müssten. „Ich habe deshalb regelmäßig schlecht gelaunte Brautpaare“, sagte Feine. Die Antwort war klar: Ja, aus Sicherheitsgründen müsse das so bleiben.
Markus Helms (Grüne) fragte, wie alt denn Böblingen jetzt sei? Lege das immer die erste urkundliche Erwähnung fest? Im Falle Böblingens geht das auf 1272 zurück. Oder könnten die aktuellen Funde daran etwas ändern? „In der Regel wird die urkundliche Erwähnung herangezogen“, sagte Brenner, „aber je nachdem was gefunden wird, können auch andere Kriterien entscheiden.“
Was im Fall des Böblinger Schlossbergs aber wohl nicht ausreichen wird, um die Geschichtsbücher umzuschreiben.