Der BDA Baden-Württemberg rückt bei einem Aktionstag einen bedeutenden Stuttgarter Bau von Rolf Gutbier in den Fokus.
Stuttgart - Das Grün überwuchert die Pflanzbeete der Dachterrassen, die graffitiüberzogenen Betonbrüstungen der Außentreppen bröckeln. Das Hörsaalgebäude der Verwaltungshochschule Baden-Württemberg, vom Architekt Rolf Gutbier von 1968 bis 1971 in der Stuttgarter Jägerstraße errichtet, dämmert im Dornröschenschlaf einer ungewissen Zukunft entgegen – die Duale Hochschule Baden-Württemberg, die hier noch einen ihrer Standorte hat, ist im Auszug begriffen.
Weg vom verschwenderischen Neubau
Am Samstag erfüllte den großzügigen skulpturalen Terrassenbau, der mit seinen sechs Betongeschossen elegant dem Südhang folgt, aber quirliges Leben: Der Bund deutscher Architekten Baden-Württemberg ist dem Motto des bundesweiten 16. BDA-Tages gefolgt: „Kreatives Unterlassen. Bauen nach dem Wachstum“ lautete die Überschrift, die den Strategiewechsel des BDA doch etwas verschwurbelt zu fassen versuchte: weg vom verschwenderischen Neubau, hin zum ressourcen- und klimaschonenden Erhalt und zur Weiterentwicklung von Bestandsbauten. Mit dem Gutbier-Bau taten der Landes-BDA und seine Vorsitzende Liza Heilmeyer einen guten Griff bei der Wahl des Veranstaltungsorts, rückten sie damit eine tatsächlich weitgehend vergessene, wenn auch nicht unter Denkmalschutz stehende Architekturperle Stuttgarts ins Bewusstsein. Eine Führung durchs Haus und Video-Kurzvorträge führten eindrücklich deren bis heute wirksamen baulichen Qualitäten vor Augen.
Im Treppenhaus trifft man sich
Gutbier (1903-1992) war ein bedeutender Protagonist der Stuttgarter Nachkriegsmoderne und als solcher auch am Entwurf der Kollegiengebäude K1 und K2 beteiligt. Mit der topografischen Architektur der Verwaltungsschule gelang ihm ein fulminanter Schlusspunkt seiner Karriere. Horizontal stringent gegliedert, trumpft der Hochschulbau im Innern mit einem offenen, meisterhaft als Kommunikationsort inszenierten Treppenhaus und einem hochwertigen Materialmix auf.
Zu neuen Ufern mit alten Gemäuern
Liza Heilmeyer bedauerte, dass solche Potenziale der vielfach ungeliebten Betonbauten aus dieser Epoche oftmals „ungesehen“ blieben, auch aus Renditegründen. Bei der BDA-Neuausrichtung ginge es nicht um Stillstand, betonte die Architektin, sondern darum auszuloten „was in der gebauten Substanz der Stadt steckt“. „Augen auf und auf zu neuen Ufern mit alten Gemäuern“, rief sie ihre Kollegenschaft wach und forderte beim Entwickeln von intelligenten Lösungen des Weiterbauens „Pioniergeist und Experimente“ ein. Ideen für ein zweites Leben des Hochschulbaus lieferte der Aktionstag gleich mit. Die Schule gehört zu jenen Stuttgarter Bauten aus den 60ern bis 80ern, mit denen sich das Forschungsprojekt „Sharing Brutalism“ der hiesigen Kunstakademie auseinandersetzt. Die Botschaft der gleichnamigen Ausstellung im Foyer: Es gibt hier eine erkleckliche Zahl an Bauten, die aus dem Dornröschenschlaf wachzuküssen sich lohnt – anstatt die Abrisskeule zu schwingen.