Der Landesverband des Bundes Deutscher Architekten hat in seiner Kreisgruppe Stuttgart/Mittlerer Neckar insgesamt 23 von 108 zum Wettbewerb eingereichten Bauten mit der Hugo-Häring-Auszeichnung gewürdigt.

Stuttgart - Ein regelrechter Preisregen ist auf die Kandidaten der Hugo-Häring-Auszeichnung 2017 niedergegangen: Von insgesamt 108 in Stuttgart und Region zu dem bedeutendsten baden-württembergischen Architekturpreis eingereichten Arbeiten erhielten gleich 23 am Freitagabend im Wilhelmspalais den Kleinen Hugo. So lautet die saloppe Bezeichnung der vom Landesverband des Bundes Deutscher Architekten (BDA) alle drei Jahre ausgelobten Auszeichnung auf der ersten Stufe. Benannt ist der Preis nach dem in Biberach an der Riß geborenen Architekten Hugo Häring (1882-1958), einem bedeutenden Vertreter des organischen Bauens in Deutschland.

 

Dass die Jury unter Vorsitz des Architekten Michael Jöllenbeck (Walldorf) Ehrungen nach dem Gießkannenprinzip verteilt hätte, lässt sich gleichwohl nicht aus der hohen Anzahl folgern. Das Niveau des Wettbewerbs war in diesem Jahr besonders hoch, so dass man eher den einen oder die andere Bewerber/in unter den Preisträgern vermisst. Und wäre es nicht um die BDA-Gruppe Stuttgart/Mittlerer Neckar gegangen, in der die Konkurrenz quantitativ und qualitativ traditionell groß ist, dann hätten sicher einige der nun leer ausgegangenen Anwärter beste Medaillenchancen gehabt. Gut für die Baukultur in Stuttgart, schade für die, deren Hugo-Hoffnungen enttäuscht wurden.

Als herausragend bewertete die Jury den sanierten und umgebauten Landtag von Staab Architekten (Berlin): Der Geist des denkmalgeschützten Parlamentsgebäudes – des ersten seiner Art in Europa nach dem Krieg – sei durch den Umbau zu neuem Leben erweckt worden und reflektiere „in seinem architektonischen Ausdruck mit fast heiterer Gelassenheit das demokratische Selbstverständnis des Landes Baden-Württemberg“. Zu Hugo-Ehren kamen auch die sanierte Villa Reitzenstein und der benachbarte Neubau des Eugen-Bolz-Hauses von Sting Architekten aus Berlin. Einerseits sei es gelungen, die Modernisierung des Regierungsgebäudes „ohne Störung des Denkmals“ durchzuführen, während der Neubau am Rand des Grundstücks so gekonnt einbezogen werde, dass beide Einrichtungen sich „wunderbar“ ergänzten. Stolz kommentierte der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann den Hugo für seinen Amtssitz: „Das Gebäude ist zurückhaltend und modern und belässt der geschichtsträchtigen Villa Reitzenstein die architektonische Distanz. Wer möchte, darf diese Attribute auch gerne als Symbol unseres Arbeits- und Regierungsstils insgesamt betrachten.“

Ornament ist kein Verbrechen

Hoch ist anno 2017 die Zahl der ausgezeichneten Forschungseinrichtungen und Schulen. Kleine Hugos gingen an das Forschungszentrum Informatik in Stuttgart-Vaihingen von Hartwig Schneider Architekten, das die Jury als „wegweisend für den Fertigteilbau“ und zugleich „ikonenhaft in seiner minimalistischen Architektur“ würdigte. Dem Erweiterungsbau der Hochschule der Medien von Simon Architekten bescheinigen die Fachleute „eine angenehme Lernatmosphäre“. Beim Otto-Rettenmaier-Audimax auf dem Hochschulcampus in Hohenheim von den Münchnern Deubzer, König und Rimmel bekennen die Juroren dagegen in ungewohnter Offenheit, dass es zu den am kontroversesten diskutierten Beiträgen in diesem Hugo-Jahrgang gehört habe. Denn uneins war man sich vor allem über die geschwungenen Betonlamellen, die rein dekorativen Zwecken dienen. Noch immer sitzt das Moderne-Verdikt, dass Ornament als Verbrechen zu gelten habe, in den Köpfen. Umso erfreulicher, dass dieses Dogma Aufweichungstendenzen erkennen lässt: Das Hörsaalgebäude wurde ebenfalls für hugowürdig befunden.

Die öffentliche Hand spielt, wie man sieht, als Bauherr immer noch und weiterhin eine wichtige Rolle für die Entstehung qualitätvoller Architektur. Dass auch private Bauherren für eine gut gestaltete Umwelt einstehen, zeigen die ausgezeichneten Firmensitze und Geschäftshäuser: Am IHK-Gebäude von Wulf Architekten lobt die Jury die „elegante Leichtigkeit“, an der Baufirma Köhler in Besigheim von Wittfoht Architekten, dass ihr Neubau geradezu ein „Musterbeispiel für zeitgemäßen Verwaltungsbau“ sei. Hugo-Lorbeer auch für das Kärcher-Areal in Winnenden von Reichel Schlaier: „Durch prägnante Architektur von formaler und inhaltlicher Qualität ist hier ein Ort mit hoher Identität entstanden, der den innovativen Geist des Unternehmens spüren lässt.“

Auf kleinem Raum viel Platz

Auch Wohnhäuser und Wohnanlagen haben es aufs Treppchen geschafft, darunter die Aktivhaus-Siedlung in Winnenden von Werner Sobek, an der sowohl die Außenräume als auch „der schonende Umgang mit dem Energieverbrauch bei der Herstellung und im Gebrauch“ überzeugten. Der Wohnhaus-Winzling F9 auf dem Haigst von Zoll Architekten gefiel dagegen, weil er auf kleinster Grundfläche viel Platz für eine Familie mit drei Kindern bietet. Und schließlich konnte auch das Gebäude vor den Augen der Jury bestehen, das in der vergangenen Woche einen wahren Besucheransturm erlebt und nun als Ort der Hugo-Verleihung seine erste Bewährungsprobe bestanden hat: das zum Stadtmuseum umgebaute Wilhelmspalais von Lederer, Ragnarsdóttir, Oei. Zwar könne man über den radikalen Umgang der Architekten mit dem Nachkriegsbestand streiten, schreiben die Fachleute, fraglos sei im Inneren aber „ein funktional und gestalterisch überzeugender Museumsbau von gediegener Qualität“ entstanden.

Im nächsten Jahr gehen alle jetzt in den BDA-Kreisgruppen mit dem Kleinen Hugo prämierten Projekte in die zweite Runde des Wettbewerbs. Dann werden auf Landesebene die Besten der Besten gekürt, Stichwort: Großer Hugo.