Die kann man nicht für den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses sein? Hätte etwa die DDR das letzte Wort haben sollen, was die Gestaltung der deutschen Hauptstadt angeht? Sie hat mit ihrer Preußen-Austreibung, der sich eine verblendete Linke im Westen des Landes lange Zeit anschloss, den architektonischen und städtebaulichen Mittelpunkt Berlins auf dem Gewissen, indem sie 1950 das Gebäude sprengte. Es trotz Kriegsschäden schon damals wieder aufzubauen wäre ein Leichtes gewesen. Die Ideologie hat es zu Fall gebracht.

 

Das Berliner Stadtschloss gehört zu Berlin wie das (gleichfalls rekonstruierte) Neue Schloss zu Stuttgart, wie die Residenz zu München, wie der Louvre zu Paris. Will Deutschland ewig weiter auf seinem unseligen Sonderweg beharren und als einziges Land in Westeuropa seine feudalen Strukturen leugnen? Es gehört zu den deutschen Seltsamkeiten, dass man schon dankbar sein muss, dass sich der negative Nationalismus, auf den sich die Antihaltung zum Schloss reduzieren lässt, nicht durchgesetzt hat. Die ganze Vorgeschichte dessen, was heute mit der Grundsteinlegung beginnt, ist so unwürdig, dass man sie so schnell wie möglich vergessen sollte.

Schauen wir also nach vor. Freuen wir uns, dass in dieser Stadt endlich die vielleicht am stärksten schmerzende klaffende Wunde geschlossen wird. Freuen wir uns, dass ein markantes Gebäude, ein Meilenstein der barocken Architektur wiederersteht. Um eine pure Rekonstruktion handelt es sich dabei nicht, denn die mittelalterlichen Elemente, die das in Jahrhunderten gewachsene Berliner Residenzschloss bis zu seiner Zerstörung aufwies, sollen nicht wieder errichtet werden. Trotzdem: erst wenn es eines Tages wieder dasteht, wird die Nachkriegszeit endgültig vorüber sein. Glück auf!

Autor: Tilman Krause ist verantwortlicher Redakteur im Feuilleton der Tageszeitung „Die Welt“.