Der blaue Kugelschreiber des Besuchers stört auf der weißen Tischplatte. Der Farbe wegen, aber auch weil das Gesamtensemble durcheinandergerät. Mit Ausnahme der Buchrücken und der Piktogramme an einer Wand im oberen Stock ist alles entweder in Weiß gehalten wie die Wände und Schränke. Oder in Dunkelgrau wie der Boden aus Zementestrich. Oder in Schwarz wie die Stühle am Tisch. „Für mich ist Ordnung eine Leidenschaft“, sagt Ursula Selbmann. „Wir beide haben schon immer etwas spartanisch gelebt“, sagt ihr Mann.

 

Wer genau hinsieht, der erkennt einen kleinen Glückskäfer. Winzig im Vergleich zu einer 13 Meter langen Schrankwand, die sich raumhoch über beide Stockwerke erstreckt. Der Farbtupfer hat seinen Sinn: Wer an dieser Stelle in die Griffleiste der Tür greift, macht den Weg frei zur Toilette.

Im Magazin, dem einen Meter tiefen Raum zwischen Schranktüren und der Nordwand des Hauses, spielt sich alles ab, was mit der Haustechnik zu tun hat, und noch viel mehr. Die Pelletheizung verbirgt sich hier, ebenso Spülmaschine, Spüle oder Trockner, alles durch kurze Wege verbunden. Mit leichter Hand ausziehbar sind die Regale für Lebensmittel.

Wenn Bernd Selbmann im Obergeschoss zwei der Schranktüren in den Flur aufzieht, bilden diese mit der Treppenhauswand einen neuen Raum: Platz für eine Dusche, vielleicht drei Quadratmeter groß. „Nein, eine Badewanne haben wir nicht“, sagt der Hausherr und greift in die nächste Türleiste. Die Einpersonensauna kommt zum Vorschein. „Da muss man erst einmal draufkommen“, kommentierte der ausführende Schreiner.

Das Haus hat keinen Keller

Selbst Kunstwerke von Wert wurden verschenkt. Die Erkenntnis des Hausherren: „Ob Bilder, Besteck oder Teppiche – letztlich bekommt man dafür nicht den tatsächlichen Wert, sondern allenfalls einen Euro bei Ebay.“ Was sagen die Freunde zu dem Vorgehen? „So sollten wir es auch machen“, hat Ursula Selbmann schon mehrfach gehört. Und wird denn gar nichts vermisst? „Doch“, sagt sie, „der Apfelschäler.“ Den hatte sie schon weggegeben. Jetzt besorgte sie sich für fünf Euro einen neuen.

Das Prinzip der radikalen Reduzierung setzt sich in der außergewöhnlichen Architektur des Hauses fort. Mancher Bewohner Immenhausens war zunächst skeptisch angesichts eines großen Holzwürfels, der an der Südseite komplett verglast ist und auf der Nordseite keinerlei Fenster hat. „Jeder kann reinschauen, und ich kann rausschauen“, meint Selbmann und zitiert Kinder, die schon Fragen gestellt haben wie „Wo ist denn hier die Wohnung?“ oder „Wann kommt denn endlich das Dach drauf?“ Im Dorf habe man sich erst an die neuen Einwohner gewöhnen müssen – und die sich an das Dorf. „Das sind doch die von dem merkwürdigen Haus“ war anfangs oft zu vernehmen.

Der Hausherr ist Architekt und Leitender Baudirektor der Tübinger Außenstelle des Amtes Vermögen und Bau Baden-Württemberg. Simpel gesagt ist er zuständig für alles, was das Land in der Region um Tübingen und Reutlingen im Besitz hat. Viele hundert Bauwerke – von der Uniklinik über Ställe des Hofgestüts Marbach bis zu dem durch kubistische Linien auffallenden Polizeiposten Mössingen. Seine Frau Ursula ist Sozialpädagogin und Künstlerin. Ein Tag des offenen Ateliers brachte viele neugierige Menschen in das neue Haus. Und dass sie für den Gartenbauverein im Ort so manchen Kranz gebunden hat, trug ebenso zum Abbau mancher Reserviertheit bei. „Nach einem Jahr fühlen wir uns sehr wohl hier“, betonen die Selbmanns.

Ordnung als Leidenschaft

Der blaue Kugelschreiber des Besuchers stört auf der weißen Tischplatte. Der Farbe wegen, aber auch weil das Gesamtensemble durcheinandergerät. Mit Ausnahme der Buchrücken und der Piktogramme an einer Wand im oberen Stock ist alles entweder in Weiß gehalten wie die Wände und Schränke. Oder in Dunkelgrau wie der Boden aus Zementestrich. Oder in Schwarz wie die Stühle am Tisch. „Für mich ist Ordnung eine Leidenschaft“, sagt Ursula Selbmann. „Wir beide haben schon immer etwas spartanisch gelebt“, sagt ihr Mann.

Wer genau hinsieht, der erkennt einen kleinen Glückskäfer. Winzig im Vergleich zu einer 13 Meter langen Schrankwand, die sich raumhoch über beide Stockwerke erstreckt. Der Farbtupfer hat seinen Sinn: Wer an dieser Stelle in die Griffleiste der Tür greift, macht den Weg frei zur Toilette.

Im Magazin, dem einen Meter tiefen Raum zwischen Schranktüren und der Nordwand des Hauses, spielt sich alles ab, was mit der Haustechnik zu tun hat, und noch viel mehr. Die Pelletheizung verbirgt sich hier, ebenso Spülmaschine, Spüle oder Trockner, alles durch kurze Wege verbunden. Mit leichter Hand ausziehbar sind die Regale für Lebensmittel.

Wenn Bernd Selbmann im Obergeschoss zwei der Schranktüren in den Flur aufzieht, bilden diese mit der Treppenhauswand einen neuen Raum: Platz für eine Dusche, vielleicht drei Quadratmeter groß. „Nein, eine Badewanne haben wir nicht“, sagt der Hausherr und greift in die nächste Türleiste. Die Einpersonensauna kommt zum Vorschein. „Da muss man erst einmal draufkommen“, kommentierte der ausführende Schreiner.

Das Haus hat keinen Keller

In diesem Ordnungssystem finden Herr und Frau Selbmann, beide Anfang 60, ihre Kleiderschränke mit einer hier wie dort recht überschaubaren Garderobe. „Dieses Haus diszipliniert. Für neue Schuhe ist nur Platz, wenn ein altes Paar rausfliegt.“ Das Haus hat keinen Keller, die Sammelwut bleibt ausgesperrt.

Einmal umdrehen für den Blick auf die Alb. „Durch die drei Meter breite Glasschiebetür hole ich mir den Garten ins Haus und spare die Gartenmöbel“, sagt Bernd Selbmann. Im Erdgeschoss finden auf der einen Seite zwei Lesesessel Platz, in der Mitte der Esstisch und auf der anderen – ein Raumteiler schafft etwas Abgeschiedenheit – ein Ausziehsofa. Womöglich für den Fall, dass im Dorfgasthaus die Betten ausgehen.

Der erste Stock wird von zwei Schreibtischen beherrscht, ein weiterer Raumteiler verbirgt das Doppelbett nur unvollständig. Zimmertüren lassen sich nirgendwo schließen. „Es ist ein Haus für zwei, die sich verstehen“, sagt Bernd Selbmann.

Der Sohn Sebastian und dessen Partnerin haben das Gebäude geplant. Beide studieren Architektur. „Sie haben unheimlich viel gelernt“, sagt der Vater, „und wir haben sie nach der Honorarordnung bezahlt.“ Wände wie Glasfassade wurden in bester und ökologisch korrekter Qualität geschaffen, alles in allem kostete dieses Haus mehr als eine halbe Million Euro – einschließlich Grundstück. Die Fachwelt ist begeistert und verlieh Auszeichnungen, so die Architektenkammer Tübingen für beispielhaftes Bauen.

Bei den Kindern sei die Meinung einhellig gewesen, sagen die Eltern. Tenor: „Jetzt habt ihr die Chance für so was, jetzt macht das auch.“ Dem Argument, dass er und seine Frau bei diesem Projekt doch arg an sich gedacht haben, hält Bernd Selbmann entgegen: „Unsere Kinder können studieren, was sie wollen und solange sie wollen. Das ist das Kapital, das wir ihnen mitgeben.“

Und das Haus gibt es ja auch noch. Für Ursula und Bernd Selbmann zumindest so lange, wie ihre Gesundheit für ein Landleben ausreicht. „Viele Menschen sind immobil, weil sie sich an eine Immobilie hängen“, sagt sie. „Das ist nicht unser Ding.“