Am Dienstag kommt der Städtebauausschuss zusammen um über die Umgestaltung und Weiterentwicklung Stuttgarts zu beraten. Dabei steht das Gremium seit langem in der Kritik: In anderen Städten gibt es Gestaltungsbeiräte, mit Fachleuten von außerhalb. In Freiburg sind gleich zwei Stuttgarter Architekten beratend tätig.

Stuttgart - Am Dienstagnachmittag tagt im Rathaus der beratende Städtebauausschuss. Wohl einmal mehr vor leeren Rängen wird sich das Gremium aus Stadträten sowie sachkundigen Architekten, Stadtplanern, Ingenieuren und Landschaftsarchitekten aus Stuttgart mit Stuttgart beschäftigen. Die überschaubare Tagesordnung weist aus: „Strategien für die Entwicklung des neuen Stadtteils Rosenstein“, ein Thema, das mehr verdient, als in einer Stunde andiskutiert zu werden; außerdem „Anregungen und Fragen aus der Mitte des Ausschusses“ und ein Vortrag über die Umgestaltung der Schwabstraße. Warum gerade dieses Projekt aufgerufen wird und nicht etwa das in die Schlagzeilen geratene Designhotel hinterm Rathaus, das sich trefflich eignet, die Großzügigkeit der Kommunalpolitik gegenüber Investoren anzusprechen? Man weiß es nicht.

 

Den Ausschuss könne man nicht ernst nehmen, weil immer ein wenig Futterneid mitspiele, wenn Stuttgarter Architekten über die Arbeit von Kollegen urteilen sollen, heißt es seit Jahren im Rathaus. Nicht von ungefähr wird gefordert, den Städtebauausschuss durch einen Gestaltungsbeirat zu ersetzen, in dem ausschließlich Nicht-Stuttgarter sitzen. 2011 hat das Ausschussmitglied Franz Pesch darauf hingewiesen, Stuttgart sei die einzige Metropole, die noch keinen Gestaltungsbeirat habe. Und der Architekt der Landesmesse, Tobias Wulf, kritisierte bei dieser Podiumsdiskussion, der Städtebauausschuss sei „in lokalen Abhängigkeiten gefangen“. Dabei habe gerade Stuttgart fachlichen Rat bitter nötig, sei „aus der Geschichte heraus das Interesse an guter Gestaltung doch nicht so verbreitet“, wie er gegenüber der StZ betonte. Wulf geht davon aus, dass nicht wenige Mitglieder die Abschaffung ihres Ausschusses zugunsten eines Gestaltungsbeirats befürworten würden, wie sie es vor allem in Universitätsstätten – Trier, Regensburg, Freiburg – mit einem großen Anteil interessierter Bürger gebe.

Grüne für Gestaltungsbeirat

Bei der Politik rennt er offene Türen ein. Grünen-Fraktionschef Peter Pätzold – der Architekt gilt als Favorit für die Nachfolge von Baubürgermeister Matthias Hahn (SPD) – könnte auf den bisherigen Ausschuss verzichten zugunsten eines unabhängigen Sachverständigengremiums, das sich als Berater der Verwaltung, der Politik und der Bauherren versteht und mit Empfehlungen Entscheidungen vorbereitet.

Tobias Wulf bildet mit der Stuttgarter Architektin Jórunn Ragnarsdóttir und drei weiteren Kollegen seit Februar 2014 den Freiburger Gestaltungsbeirat. Er ist begeistert von den Möglichkeiten der Erörterung in einer sehr frühen Phase der Konzeptentwicklung – also zu einer Zeit, in der man noch Einfluss auf Entscheidungen hat und Bauherren die Anregungen umsetzen können, ohne dass sich die Planung verzögert.

Urteil über wichtige Projekte

Der Beirat stehe der Stadt vor allem für solche Projekte beratend zur Seite, „die wegen ihrer Größe, Lage, ihres Umfelds, ihrer Ensemblewirkung oder ihrer Bedeutung für das Stadtbild prägend in Erscheinung treten“, so die Maßgabe der südbadischen Großstadt. Sechsmal im Jahr tagt der Beirat ganztägig und beurteilt rund 25 Projekte auf ihre städtebauliche, landschaftsplanerische und architektonische Qualität. „Am Vormittag touren wir mit dem Bus quer durch die Stadt, um die von der Verwaltung vorausgewählten Projekte oder zu bebauenden Flächen in Augenschein zu nehmen“, sagt Wulf. An eine kurze nichtöffentliche Vorbesprechung schließt sich am Nachmittag die öffentliche Präsentation der Planungen durch die Architekten und Bauherren an, zu der regelmäßig 50 bis 60 Besucher kämen. Kollegen seien dabei, aber eben auch betroffene Bürger, wenn der Beirat „kollegial und in freundlichem Ton“ Vor- und Nachteile der Projekte beim Namen nennt. Die Bandbreite der vorgestellten Projekte reicht von der Umnutzung denkmalgeschützter Gemäuer über Alltagsarchitektur – Büro-, Wohn- und Hotelgebäude – bis zu einem als Büro und Produktionsstätte genutzten Solar-Tetraeder.

Die neutrale Bewertung fällt leicht, weil kein Mitglied aus Freiburg kommt oder dort baut. Das Ehrenamt ist auch nicht auf eine Ewigkeit angelegt. Eine Amtsperiode dauert drei Jahre, eine zweite Ernennung ist möglich. Stuttgart hätte demnach die Chance, wie von Architekten immer wieder gefordert, einen Rat von externen Stadtplanern über schwierige Projekte einzuholen. Der Gestaltungsbeirat kann aber nur erfolgreich sein, wenn Investoren und Stadt für Empfehlungen empfänglich sind. In Freiburg stieß der Beirat bisher auf Verständnis – bis auf einen Investor, der sich hernach beim Bürgermeister beschwerte.