Die deutsche Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) ist gefährdet. Die EU will die freien Berufe und auch die Architektentätigkeit deregulieren. Darum ging es beim Sommerempfang der Architektenkammer Baden-Württemberg, zu dem auch Günther Oettinger nach Stuttgart kam.

Stuttgart - Einen der schönsten Stuttgarter Panoramablicke hat man vom Garten des Hauses der Architekten auf die Stadt. Zum alljährlichen Sommerempfang der Architektenkammer Baden-Württemberg war die Aussicht am Montag dennoch verstellt, da ein Zelt die Gäste vor den angekündigten Regenschauern schützen sollte. Als Gastredner war diesmal der EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft, Günther Oettinger, geladen. Der Präsident der Landesarchitektenkammer, Markus Müller, nützte daher die Gelegenheit, die Verantwortung seines Berufsstandes in und für Europa zu betonen, dem Gast aus Brüssel zugleich aber auch die Sorgen der Architektenschaft über die beabsichtigte Deregulierung des Architektenberufs und die Abschaffung der bewährten Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) mitzuteilen. Die HOAI, sagte Müller, stelle kein Zugangshindernis zum deutschen Markt dar, sie sei vielmehr ein Grund für viele ausländische Architekten, sich in Deutschland niederzulassen. Ihre Abschaffung werde nicht zu mehr Wachstum führen, sondern einen Qualitätsrückgang im Bauen zu Folge haben.

 

Furioses Plädoyer für Europa

Oettingers Rede war ein furioses Plädoyer für Europa als Friedensunion. Vor der Aufgabe, dieses „in Lebensgefahr“ befindliche Projekt zu retten, müssten lokale oder nationale Egoismen zurückstehen. Gerade Baden-Württemberg habe allen Anlass, sich für die EU einzusetzen, da der europäische Binnenmarkt die Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg des Landes darstelle. Der frühere baden-württembergische Ministerpräsident forderte seine Landsleute darum auf: „Seid fröhlich, ihr habt allen Grund fröhlich zu sein.“

In Bezug auf die Honorarordnung hielt Oettinger sich bedeckt. Die Architektentätigkeit gehöre aus EU-Sicht zu den Dienstleistungsberufen, die nun einmal dem marktwirtschaftlichen Wettbewerb unterliegen. Wenn die Architekten die Deregulierung verhindern wollten, müssten sie darlegen, dass ein Preiswettbewerb auf Kosten der planerischen Qualität gehen würde. Von der Bundesregierung hätten sie dabei kaum Unterstützung zu erwarten. Oettingers Rat: direkt in Brüssel für die eigenen Interessen zu kämpfen.