Beim ersten Architekturspaziergang dreht sich alles um selbstbewusste Bürgerhäuser.

Stuttgart - Auf zur ersten Etappe der Architekturspaziergänge durch den schönen Stuttgarter-Osten. Die Route führt uns vom Schmalzmarkt bis zur Wagenburgstraße. Die Buslinien 42 und 45 bringen uns direkt zum Ausgangspunkt. Und gleich zur ersten Sehenswürdigkeit. Im Jahr 1935 wurde nämlich das „Haus der Volkstreue“ am Schmalzmarkt – zusammen mit dem Brunnen - eingerichtet. Derzeit war die NS-Dienststelle Gablenbergs hier untergebracht.

 

Wesentlich fröhlicher geht es dagegen heute in der Kinder- und Jugendwerkstatt „Karamba Basta“ zu. Gleich gegenüber steht das Alte Schulhaus, das in Teilen gar aus dem Jahr 1836 stammt. Seine altehrwürdigen Mauern beherbergen heute das Stadtteilmuseum Muse-O. Wir setzen unseren Spaziergang entlang der Klingenstraße fort. An den Häusern Nummer 12, 16 und 18 ranken sich Früchtekörbe und Bäume – allesamt hübsche Jugendstilmotive.

Nächste Stadtführung am 14. April 2012

An der Teichstraße angekommen, genehmigen wir uns einen kurzen Abstecher zur Gablenberger Hauptstraße. Das zweigeschossige Eckhaus mit der Nummer 97 ist vermutlich das älteste erhaltene Gebäude Gablenbergs. Die verputzte Fachwerkkonstruktion stammt aus dem 17. Jahrhundert. Die niedrigen Häuschen ringsum legen ein Zeugnis davon ab, dass wir uns mitten im einstigen Dorf Gablenberg befinden.

Schnuckelige Wengerterhäuser säumen den Weg

Wir trennen uns von der Idylle und gehen vorbei am traditionellen Wirtshaus Hasen, passieren schnuckelige Handwerker- und Wengerterhäuser und gelangen schließlich zurück in die Teich- und kurz darauf in die Bergstraße. Jetzt stehen wir genau vor dem Gebäude mit der Nummer 61. Das Wohn- und Geschäftshaus aus dem Jahr 1909 kann mit detailreichen Fassadenmotiven punkten.

Von dem Anblick losgerissen, setzen wir unsere Tour fort in Richtung Libanonstraße, um gleich links abzubiegen in die Klingenstraße. Dort nehmen wir uns Zeit, um die reich verzierten, vor rund 100 Jahren erbauten Häuser zu bewundern. Noch schöner wird es in der Schlößlestraße. Sie hat ihren Namen von der ehemaligen Gaststätte Schlößle und steht in ihrer Gesamtheit unter Denkmalschutz. Die einheitliche Bebauung nach den Plänen des Architekten Eugen Brodbeck wurde daher bis heute bewahrt. Brodbeck gestaltete im Stil der heimatbezogenen Reformarchitektur, so dass das Ensemble an eine süddeutsche Altstadtgasse erinnert.

Gablenberger Hauptstraße und Petruskirche

Langsam treten wir den Rückzug an und gehen die Libanonstraße links weiter. Am schmucken Häuschen mit der Nummer 117 prangt der Spruch „klein aber mein“. Wenn wir weiterschlendern gelangen wir an die Straßenkreuzung mit der Linden-Apotheke in der Libanonstraße 101. Benannt wurde sie nach einer mächtigen Linde, die an dieser Stelle als Wahrzeichen des Stadtteils jahrundertelang stand. Sie hat als erste Apotheke Gablenbergs 1912 ihre Türen geöffnet. Das Gebäude mit der beeindruckenden Fassade wurde von dem Architekten C. Schweizer erschaffen. Die Erkertürme, die sehr sorgfältige Gestaltung und die feinen Details sind typisch für die Reformbewegung des 20. Jahrhunderts. Auch die Ladeneinrichtung aus der Gründerzeit ist noch weitgehend erhalten. Es ist Zeit, unseren Architekturspaziergang fortzusetzen. Daher folgen wir der Gablenberger Hauptstraße in Richtung Süden.

Dabei liegt rechter Hand das klassizistische Gebäude der Weinstube Träuble, an deren Fassade die Nummer 66 prangt. Das Haus mit der Nummer 69 liegt nur wenige Meter entfernt. Es entfaltet seine Schönheit erst auf den zweiten Blick. Die Giebelfassade des 1908 erbauten architektonischen Schmuckstücks ist komplett aus Kunststein. Die Mauersteine entlang der Fensterachsen und in der Giebelwand sind konkav gewölbt, sodass eine wellenhafte Oberflächenform entsteht.

Das Wahrzeichen des Stadtteils aber ist – unschwer zu erkennen und weithin sichtbar - die evangelische Petruskirche. Sie entstand 1900 bis 1902 anstelle der baufälligen alten Dorfkirche aus dem 17. Jahrhundert. Am Einweihungs-Gottesdienst nahmen auch König Wilhelm II. und Königin Charlotte teil. Die Pläne für die im frühgotischen Stil aus rotem Maulbronner Sandstein erbaute Kirche stammen von Theophil Frey (1845–1904), einem der prominentesten Kirchenbauer seiner Zeit. Er nutzte die Geländesituation geschickt aus: Das Hauptportal führt scheinbar in das Kirchenschiff, tatsächlich aber befindet man sich im Untergeschoss. In den eigentlichen Kirchenraum darüber gelangt man über seitliche Treppenhäuser. Das äußere Erscheinungsbild ist trotz der Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg erhalten geblieben. Auch einige Wandmalereien konnten wieder hergestellt werden. Das spätgotische Holzkruzifix stammt noch aus der Vorgängerkirche.

Bussen- / Wunnenstein- und Pflasteräckerstraße

Wenn wir aus den kühlen Kirchenräumen wieder raus ins Sonnenlicht treten, gelangen wir links von der Kirche in den Gablenberger Friedhof, durchqueren diesen und gehen dann nach rechts in die Schwarenbergstraße. An der Straßenecke steht das Pfarrhaus Gablenbergs (Nummer 187). Der würdevolle, spätklassizistische Bau aus dem Jahr 1853 trägt das königliche Wappen über der Tür. Damit wird klar, dass die evangelische Landeskirche eine Staatskirche war. Der Herzog, später der König von Württemberg war auch Kirchenoberhaupt. Der Staat baute und unterhielt somit auch die Pfarrhäuser.

Wenn wir weiter durch die Bussenstraße, die als städtebauliche Gesamtanlage aufgrund zahlreicher älterer Gebäude geschützt ist sowie durch die Wunnensteinstraße spazieren, erreichen wir das Gebäude Libanonstraße 35. Die schlanken Säulen, Pfeiler- und Fensterreihen im Erdgeschoss sind ein besonderer Augenschmaus. Das heutige Geschäftshaus entstand 1906 als Gasthaus Rappen nach Plänen der Architekten Schieber und Schweizer.

Wenn wir der Straße folgen und schließlich rechts in die Faulleder- und anschließend links in die Krämerstraße einbiegen, kommen wir am Gemeindehaus der Petruskirchengemeinde aus den Jahren 1925/26 vorbei. Schließlich erreichen wir die Pflasteräckerstraße. Hier stehen einige schöne, vor allem in Backstein errichtete Wohnhäuser.

Vom Kübler-Areal zur Wagenburgstraße

Auf unserem Architekturspaziergang gelangen wir dann links in die Gablenberger Hauptstraße gelangen und kommen von dieser zur Wagenburgstraße, die wir überqueren. Vor uns liegt das Gebäude Wagenburgstraße 147, ein klassizistisches Wohnhaus aus den Jahren 1866/67. Es wurde 1921 zu einer Gaststätte umgebaut. Heute beherbergt es das „Schlampazius“ unter seinem betagten Dach. Im Nebengebäude hat der Kulturclub „Laboratorium“ sich eingerichtet, in dem seit 1972 Musik, Kultur und Kleinkunst auf dem Programm stehen.

Dahinter befindet sich entlang der Ostendstraße bis zur Strombergstraße das sogenannte Kübler-Areal. Das Hauptgebäude an der Ostendstraße entstand bereits 1909 im Jugendstil. Durch das Tor gelangen wir in den Innenhof mit weiteren Gebäuden, die zwischen 1926 und 1938 im Stil der Neuen Sachlichkeit, beeinflusst von Bauhaus-Architekten, entstanden sind. Hier hat die Strickwarenfabrik Paul Kübler & Co. GmbH dafür gesorgt, dass nicht nur die Stuttgarter etwas Warmes zum Anziehen hatten. Während der Blütezeit produzierten hier über 1500 Mitarbeiter Damen- und Herrenmode. Mitte der 1970er Jahre wurde die Produktion eingestellt. An das Textilgewerbe erinnern noch Reliefs über den Eingängen. Heute tummeln sich in dem Areal unter anderem das „Kulturwerk“ sowie zahlreiche Firmen der Kreativbranche.

Spannende Beispiele der Reformarchitektur

Wir durchqueren den Hof, gehen nach rechts in die Fuchseck- und links in die Strombergstraße bis zur Kniebisstraße. Dort angekommen, gehen wir durch die Grünanlage und spazieren weiter rechts durch die Einkorn- und biegen anschließend links in die Schönbühlstraße ein. Das Quartier zwischen Schwarenberg- und Ostendstraße ist durchmischt mit gründerzeitlichen Bauten, Geschosswohngebäuden der Nachkriegszeit, aber auch kleinen Siedler-Reihenhäusern.

Wenn wir weiterlaufen, kommen wir durch die Wunnenstein- und rechts durch die Uhlbergstraße bis wir die Lembergstraße erreichen, der wir nach links folgen. Das Gebäude Nummer 13 ist ein spannendes Beispiel für die Reformarchitektur. Völlig glatte Wandflächen, zwei Runderker und der konsequente Verzicht auf Details waren die Vorboten für das neue Bauen der 1920er Jahre. Mit einem letzten Blick auf das Mietshaus aus dem Jahr 1914 endet unser Rundweg mit seinen zahlreichen architektonischen Schmankerln. Die Bushaltestelle „Tunnel Ostportal“ liegt nur wenige Meter entfernt.

Wer noch genug Puste hat, kann jedoch einen kleinen Spaziergang machen entlang Wagenburgstraße bis hinab zur Ostendstraße. Zahlreiche Jugendstil-Häuser auf beiden Straßenseiten sind sehenswert. Und das Beste kommt wie immer zum Schluss: An der Ecke zur Kniebisstraße steht - versteckt in einem Grünstreifen - ein Sühnekreuz aus dem 15./16. Jahrhundert.

Die nächste Stadtführung des Kulturtreff Stuttgart-Ost findet am Samstag, 14. April, um 15 Uhr statt. Titel: "Die Gaisburger Kirche". Treffpunkt ist vor der Kirche. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Der Kostenbeitrag pro Führung wird vor Ort erhoben.