Fotos vergilben und DVDs lassen sich nach 100 Jahren auch nicht mehr lesen. Ein Österreicher bietet einen Ausweg an: Er bedruckt und brennt Keramikkacheln mit allem, was wichtig erscheint, und lagert sie in einem Salzstollen ein.

Stuttgart - Trotz einer nie gekannten Flut von Daten könnte unser Jahrhundert als das finstere Jahrhundert in die Geschichte eingehen. Denn die Datenträger besitzen nur eine begrenzte Lebensdauer, immer wieder muss umkopiert werden. Auf Festplatten halten sich die Daten 10 bis 30 Jahre auf DVDs maximal 100. Zwar gibt es in einem ehemaligen Bergstollen im Schwarzwald ein Archiv, in dem Deutsches Kulturgut auf Mikrofilm aufgezeichnet gelagert wird, doch auch Mikrofilme sind nur 400 bis 500 Jahre haltbar.

 

Im österreichischen Hallstatt werden die Informationen von Museen, Universitäten, wissenschaftlichen Einrichtungen und sogar Privatpersonen auf dem haltbarsten Material eingebrannt was die Archäologen kennen: der Keramiktafel. Der Erfinder des Archivs, Martin Kunze, druckt die zu archivierenden Texte und Fotos als vierfarbige keramische Pigmente auf ein mit Gelatine beschichtetes Papier. Dieses wird dann mit der Hand auf die Steinzeugplatte gepresst und bei 850 Grad in die Keramiktafeln eingebrannt.

„Dadurch können alle Dokumente nicht nur in Bild und Text für die Nachwelt erhalten bleiben, sondern sogar in vier Farben“, sagt Kunze. Durch das Brennen sind die Keramikplatten wasserdicht, bis zu 1200 Grad hitzebeständig, säurefest sowie magnet- und strahlenbeständig. Auch die Speicherdichte der Keramiktafeln ist keineswegs so gering, wie man denken könnte. 35 000 Textzeichen passen auf eine 20 mal 20 Zentimeter große Keramikplatte. Das entspricht je nach Schriftgröße 10 bis 20 A4-Seiten. Die Auflösung für Bilder beträgt 300 dpi, also etwa das Niveau von Abbildungen in Tageszeitungen.

Vor dem Atommüll wird gewarnt

Eingeschlossen werden die Platten im ältesten Salzbergwerk der Welt, in Hallstatt in eigens dafür geschaffenen Kammern. Die Region Hallstatt-Dachstein im österreichischen Salzkammergut ist seit Dezember 1997 auch auf der Liste des Unesco-Weltkulturerbes vertreten. Da das Gebirge aufgrund seines hohen Salzgehaltes plastisch ist, wird der Zugang in die Kammern von etwa 80 Zentimeter Breite nach etwa 40 Jahren auf natürliche Weise verschlossen sein. Das Salzgestein soll wasserdicht sein. Außerdem liegt der Ort des Archivs hoch genug, um bei einem Anstieg des Meeresspiegels nicht geflutet zu werden.

Das Naturhistorische Museum in Wien ist Kooperationspartner des MOM-Archivs (Memory of Mankind) und hat bereits 200 seiner wichtigsten Ausstellungsstücke auf den Keramiktafeln verewigen lassen. Anton Kern, Abteilungsdirektor für prähistorische Forschung des Museums, kennt das Material natürlich aus vielen Exponaten seiner Sammlung. „Ohne Zweifel zählen Stein und gebrannter Ton zu den dauerhaftesten Nachrichtenträgern und Archivmaterialien die es gibt“, sagt er. „Aus dem Gebiet des fruchtbaren Halbmondes, also dem vorderasiatische Entstehungsgebiet der Landwirtschaft das vom heutigen Jordanien über Syrien, die Türkei und den Irak bis zum Iran reicht, kennen wir schon seit dem 5. Jahrtausend vor Christus Tontafeln mit wirtschaftlichen Daten bis hin zu politischen Inhalten.“

Kunze hat auch schon Anfragen von naturwissenschaftlichen Instituten und medizinischen Firmen. „Mit dem Geld, das wir mit Privatkunden verdienen, finanzieren wir die Administration von MOM sowie größere Projekte, wie beispielsweise die Abbildung von ganzen Büchern auf Hunderten von Steintafeln“ sagt Kunze. Derzeit archiviere man das Buch „Die Geschichte Österreichs“, das den Bogen von der Römerzeit, über das Riesenreich der Habsburger und der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie, bis hin zur kleinen „Alpenrepublik“ des 20. Jahrhunderts spannt. Demnächst wird in dem Hallstätter Archiv noch eine andere brisante Information hinterlegt werden: Der schwedische Archäologe Cornelius Holtorf von der Linnaeus-Universität will hier Tontafeln lagern, welche die Lage und den Inhalt aller Atommülllager der Welt anzeigen und kommende Generationen vor Grabungen warnen. Holtorf beschäftigt sich mit dem Wissensgebiet der Atomsemiotik, die über allgemein verständliche Zeichen Warnungen an die Nachwelt weitergeben will.

Damit das Archiv auch in der Zukunft gefunden werden kann, bekommt jeder Kunde eine Plakette, auf der die geografische Lage des Archivs eingestanzt ist. Die Plaketten sind aus dem gleichen unverwüstlichen Material wie die Tafeln. Selbst wenn Eisen schon spurlos verrostet und sämtlicher Kunststoff verrottet sein wird – die Plaketten werden bleiben.